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Protest von LandwirtenDrei Runden fürs Dorf

Kommentar von Hanna Gersmann

Landwirte und Naturschützer reden derzeit beleidigt und gereizt aneinander vorbei. Eine Verständigung ist möglich, aber sie machen es sich zu einfach.

Bauern demonstrieren in Memmingen gegen die aktuelle Agrarpolitik Foto: Hafner/imago

B auern machen sich zu klein. Jene, die nur abwehren, anstatt Zukunft zu entwickeln. Wer mit ihnen wieder ins Gespräch kommen will, muss sie stärken, nicht schwächen. Falsch? Weil die Bauern mit ihren Traktoren vorm Kanzleramt anrücken, grüne Kreuze in ihre Äcker rammen, sich mit vehementer Rhetorik gegen neue Bauernregeln für Dünger und Ackerchemie stellen? Sie sind es, die rauskommen müssen aus ihrer Jammerecke, aus ihrem Mimimi? Nein, so einfach, so einseitig ist es nicht, so kommt niemand weiter. Der Weg zur neuen Verständigung ist ein anderer. Ein Annäherungsversuch in drei Schritten:

Schritt 1: Die Koteletts müssen mehr werden, die Kartoffeln dicker, die Euter praller, die Eier zahlreicher – über Jahre haben sich die Landwirte angehört, dass ihre Ställe und Äcker, ihre Höfe größer werden müssen. Wie sie heute zumeist wirtschaften, war politisch gewollt. Und nun hören sie, dass die Gülle ihrer Tiere das Grundwasser verseucht, ihr Mais den Schmetterlingen das Leben schwer macht. Dass es ohne Bauern nicht geht, dass das niemand will, dass Brüssel darum auch die Landwirte europaweit mit rund 60 Milliarden Euro im Jahr unterstützt, dass dies mehr Wertschätzung ist als für irgendeine Berufsgruppe sonst – das hören sie nicht.

Der Mensch ist eher darauf gepolt, das Negative zu hören. Darum kommt bei vielen Bauern derzeit offenbar nur eins an: Meine Arbeit, abhängig von den Launen der Natur, ausgesetzt dem ruinösen Preiskampf der Discounter, ist eh schon hart – und nun soll sie auch noch für den, nun ja, Arsch sein? Der Frust auf dem Land ist riesig. Der Konflikt zwischen Landwirten und Naturschützern wird sich nicht lösen lassen, ohne diese Enttäuschungen anzuerkennen. So mancher kommt eh kaum noch über die Runden.

Das ist – Schritt 2 – nicht den einzelnen Bauern anzulasten, vielmehr Ministern und Ministerinnen, die den tiefgreifenden Wandel auf dem Lande über Jahre ignoriert, dem Wachsen und Weichen des Deutschen Bauernverbands keine neuen, keine vorausschauenden Ideen entgegengesetzt haben. Die meisten aus der Union. Aber auch Karl-Heinz Funke, SPD-Agrarminister um die Jahrtausendwende, reimte lieber Sprüche wie „Oldenburger Butter hilft dir rauf auf die Mutter“. Dabei hielten auch zu seiner Zeit schon viele Bauern nicht mehr mit, sie konnten nicht immer mehr und billiger produzieren. Allein in den vergangenen zwanzig Jahren haben rund 205.000 ihren Hof dichtgemacht. Für ein Kalb gibt es heute weniger Geld als für ein Meerschweinchen.

Vielleicht würde es helfen, wenn die Bundesregierung eingestehen würde: Es tut uns leid, wir haben die Grenzen der Rationalisierungen auf dem Lande zu spät erkannt. Was wir da jetzt auf einmal von euch verlangen, ist viel. Es könnte das Reden über eine bessere, langfristige Strategie für das Leben auf dem Lande leichter machen.

Zunächst braucht es überhaupt mal eine Vision, wo es hingehen soll. Ein oder zwei Agrargipfel im Kanzleramt mit 40 Profis, die für Verbände, Länder und so fort sprechen, reichen für eine Verständigung über die Zukunft auf dem Lande aber nicht aus. Warum nicht Schritt 3 und eine, wie die Franzosen sagen, große Debatte, ermöglicht von Bundes- oder Landesregierung?

Warum gehen Verbraucher zum Discounter, aber fordern Umweltauflagen, die die Landwirte Geld kosten?

Die wird in der derzeit so gereizten Gesellschaft natürlich nicht leicht. Wer die Auseinandersetzungen zur Agrarpolitik auf Twitter, Facebook oder Instagram anschaut, mag sich fragen, ob das funktionieren kann. Einer ätzte dort vor wenigen Tagen erst in einem Video-Selfie über das „ganze Gesülze und Geseiere“ der Politiker. Die zögen doch nur „weiter ihren Stiefel durch, und was mit uns Bauern passiert, ist denen letzten Endes scheißegal“. Ein anderer erklärte, „wir werden gerade ohne Verhandlungen und ohne Mitspracherecht zum Schafott geführt“. Und weiter: „Wir müssen der Politik zeigen, dass man die Hand, die einen füttert, nicht straflos beißen kann.“ Beide gehören zur Initiative „Land schafft Verbindung“, schaffen aber das Gegenteil.

Doch kleine Videos, in denen die „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem andern zu“-Regel aufgehoben zu sein scheint, sind schnell gedreht. Diskussionen im Netz haben ihre eigene Dynamik einer respektlosen Rhetorik. Wer dort seine Wut rausrotzt, spricht noch lange nicht für alle. Viele ticken anders auf dem Land. Das zeigt sich in den Internetkommentaren auch, nur dringen die Gemäßigten seltener durch.

Im besten Fall Respekt

Politikvertreter müssen darum andere Räume suchen, wenn sie einen „nationalen Dialog“, wie ihn CDU-Bundesagrarministerin Julia Klöckner angekündigt hat, ernst meinen. Das Feuerwehrhaus etwa, die Turnhalle, das Rathaus, das Landratsamt vor Ort, wo sich die Menschen austauschen können, die unterschiedlich mit dem Land zu tun haben, und einander tatsächlich zuhören. Wo sich im besten Fall alle als Fachleute respektieren: Umweltverbände die Bauern als Experten für Nahrungsmittelproduktion, Bauern die Umweltschützer als Kenner von Klima, Wasser, Boden, beide die Politiker als Fachleute für nötige Regelungen, die Städter als Verbraucher und jeden als Steuerzahler. Wo das „Ich mache alles richtig, die anderen spinnen“-Denken aufbricht.

Erste Runde: Verständnis. Denn natürlich lässt sich niemand gerne reinreden, und in kaum einen Beruf wird so viel reingeredet wie in den eines Bauern. Nur: Um was geht es genau? Sie stört der Begriff „Massentierhaltung“? Okay. Welches Wort dann? Und: Warum gehen Verbraucher zum Discounter, aber fordern Umweltauflagen, die die Landwirte Geld kosten? Oder: Der Schwund der Biodiversität ist eindeutig, wissenschaftlich abgesichert wie der menschengemachte Klimawandel, doch wie groß ist der Anteil der Nahrungsmittelproduktion? Zweite Runde: Zukunft. Wo soll es hingehen? Dritte Runde: Umbau. Wer kann was leisten und wo sind die Grenzen?

Es wäre ein Angebot, Politik mitzumachen, Ideen einzubringen, Projekte zu entwickeln und sich nicht klein zu machen, sondern: groß.

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taz-Autorin
War von 2002 bis 2013 in der taz, leitete dort zuletzt das Inlandsressort. Jetzt gehört sie zum Büro die-korrespondenten.de im Haus der Bundespressekonferenz in Berlin. Sie schreibt vor allem über Umwelt-, Verbraucher- und Wirtschaftspolitik.
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10 Kommentare

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  • Ein sehr guter Artikel. So sollte es sein.

    Da steht aber eine aggressive Lobby dagegen und auch der einzelne Agrarunternehmer ist es nicht gewohnt, sein Tun diskutieren zu müssen. Lauter staatlich finanzierte Fürsten, die Unternehmer sind und sich gar nichts sagen lassen wollen, wenn es gut läuft, aber sofort nach noch mehr Beihilfe schreien, wenn es nicht läuft. Schon früher gab man sich der Illusion hin, dass der Großgrundbesitzer Heeremann auch für die kleinen Höfe sorgen würde (Bauernverband), heute rennen wieder alle (fast alle) hinter einem Großunternehmer her ("Land schafft Verbindung").

    Es ist schon ein schwieriges Zusammenleben auf dem Dorf, denn Landbesitz bedeutet eben auch Macht. Da ist man als Andersdenkender schnell Kommunist ("unter Adolf hätte man dich vergast"), Grundstücke und Häuser werden beschädigt, in Naturschutzgebiete wird Gülle abgelassen und Müll verklappt, auch von Morddrohungen habe ich schon gehört (allerdings selbst noch nicht erlebt). Bin übrigens vom Fach und ganz bestimmt nicht gegen Landwirtschaft an sich.

    Für Umweltleistungen kann es gerne Subventionen geben, nicht für Hektar. Wenn die Preise zu schlecht sind, könnten Genossenschaften weiterhelfen. Aber das ist ja auch nicht so einfach: "Wachsen oder Weichen" hat ja genau die aggressive rücksichtslose Agrar-Unternehmerschaft herausselektiert, mit der man es jetzt zu tun hat.

    • @bärin:

      Sie verwechseln leider den Gegner, es sind nicht die Landwirte ( egal wie viele ha jeder hat ). Es ist der Großhandel und die Politik, die versuchen die Landwirte auseinander zu dividieren, in gute und böse.



      Schauen Sie sich alleine die Werbung des Handels an, es wird eine Idylle vorgegaukelt die es so halt nicht mehr gibt. Der Verbraucher sieht dann Bilder, von heute normalen Höfen, und sagt diese Verbrecher. Volkswagen macht auch keine Werbung mit einem Käfer, wenn sie einen Touareg verkaufen wollen.



      Wo bleibt die Anprangerung der Marktmacht des Einzelhandels. Wo bleibt das Kartellamt, wenn die vier Großen über 80% des Marktes beherrschen, und Lebensmittel als Lockangebote verramschen.



      Es wird mehr Mineraldünger ( Kunstdünger ) als Wirtschaftsdünger ( Gülle, Mist ) auf unseren Feldern ausgebracht, aber beim Thema Nitrat wird nur über Gülle geredet. Angst vor den Konzernen ?

  • Unser müdes altes alternativlos-Hände-in-den-Schoß-legen GroKoSchland verzögert schon seit Jahren die Umsetzung diverser EU-Direktiven bezüglich Wasserschutz, Naturschutz, usw. Auf den letzten Drücker muß man es jetzt machen, und auf einmal: "der kleine Bauer erhebt sich." Mit solidarischer finanzieller Unterstützung / Organisierung von landwirtschaftlichen Großbetrieben = Großverschmutzern unseres Grundwassers. Und was sagt der sog. "kleine unterdrückte Bauer": alles Lüge, alles Propaganda, freche-unverschämte Kritik von arroganten Billich-Einkäufer-Illusionisten. Alternativloses Zugüllen oder Bauernaufstand.... gehts noch?

  • "....Die Koteletts müssen mehr werden, die Kartoffeln dicker, die Euter praller, die Eier zahlreicher – über Jahre haben sich die Landwirte angehört, dass ihre Ställe und Äcker, ihre Höfe größer werden müssen...."



    Das ist messerscharf genau auf den Punkt gebracht.



    Die Bauernschelte kommt allzuoft von denen, die Tierprodukte zu Ramschpreisen bei Lidl, Aldi;Edeka und Co. einkaufen und aus Ignoranz einfach nicht kapieren wollen daß diese Art von Konsum die kleineren Betriebe in den Ruin treibt. Nur Agrarkonzerne können diesem Preiskampf dauerhaft standhalten mit immer mehr Massentierhaltung, Pestiziden, Landraub und Artenausrottung.



    Den kleinen Betrieben die Schuld für verseuchte Böden und Umweltzerstörung zuzuschieben ist pure Ablenkung von der eigenen Verantwortung.



    Daß Bauern die Natursschutzverbände angreifen ist aus der Not geboren. Würden die Bauern sagen ihr Geizistgeilbürgerkunden seit schuld daß ihr nicht mehr ausgeben wollt würden diese beleidigt sein und erst recht gegen Bauern schimpfen.



    Umweltfreundliches Handeln auf allen Ebenen muß finanziell vom Staat gefördert werden. Diese Ausgaben würden durch geringer werdende Umweltfolgekosten kompensiert. Umweltengagement von Bauern muß unbedingt hoch belohnt werden. Dann haben kleinere Betriebe eine Zukunft. Und Bauern haben ziemlich sicher grundsätzlich Interesse an einer intakten Natur. Im Moment werden sie durch den Preiskampf gezwungen am eigenen Ast zu sägen: Der Vernichtung von Insekten, Verseuchung von Böden usw.

  • Vielleicht hilft es als ersten Ansatz, die monopolistische Nachfrage aus dem Handel gegenüber der Vielfalt an Kleinanbietern aufzubrechen.



    Das wäre extrem „liberal“ und würde einen funktionierenden Markt schaffen.



    Wenn der Landwirt seine Kosten in der Preisgestaltung wiederfindet, dann gibts es viel weniger zu meckern...



    Oder man macht halt öff. Angestellte draus - das Geld kommt sowieso weitgehend vom Staat...

  • 0G
    08391 (Profil gelöscht)

    Eine sachliche Diskussion ist immer wünschenswert. Aber die Forderungen weiterhin Glyphosat umfangreich nutzen zu dürfen und weniger Umweltauflagen bei Gülle usw. von den konventionellen Bauern sind nun mal diametral zu den Forderungen der Ökobauern, Imker und Naturschützer.

    "Land schafft Verbindung" konventionelle Bauern bzw. Interessengemeinschaft

    gegen

    "Wir haben es satt"



    Ökobauern und Naturschützer

    www.rbb24.de/wirts...n-brandenburg.html

    und Imker:

    taz.de/Protest-vor...isterium/!5653979/

    Und da sich die konventionellen Bauern bereits nach AfD Manier unpassender Weise als Opfer stilisieren, wird eine Sachdiskussion schwierig, da ganz offensichtlich aufgrund der zusätzlichen Verbreitung von Fake News nach AfD Manier daran in keiner Weise ein Interesse besteht.

    taz.de/Bauernprote...auflagen/!5631582/

  • Tja, vielleicht sollten die FACH-Ministerien für Landwirtschaft und für Umwelt mit ausgewiesenen Fachleuten (w/m/d) besetzt werden und nicht nach Parteien-, Länder- und Geschlechter-Proporz.



    Ist es nicht so: Die Ministerien, in denen man wirklich regieren kann (Außen/Innen/Finanzen), die reißen sich die Alpha-Männchen unter den Nagel - und die Ministerien, wo man viel Ärger bekommen kann, die werden fachfremden Frauen zugeschoben, als Trostpflaster? Tolle Prinzipien der Regierungsbildung, die wir in diesem Land haben...

    • @Kontext:

      Erster Absatz: Ja,



      zweiter Absatz: Quatsch

      Alphamännchen gibt es in der Politik schon lange nicht mehr. Zu unflexibel für dauerhaften Erfolg.

      In allen Ministerien regieren faktisch die Lobbyisten. Auch bei Olaf Scholz.

      Würde Julia ihr hübsches Köpfchen anstrengen, käme vielleicht sogar was raus. Tut sie aber nicht.

      Ein echtes Alphaweibchen hätte den Posten auch nicht bekommen.



      Und Fachleute schon gar nicht, denn die sind kaum manipulierbar.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Kommentar entfernt. Bitte diskutieren Sie sachlich.

    Die Moderation

  • Vielen Dank für den Versuch, diese emotinale Debatte ausgewogen zu betrachten.

    Es ist auch für uns Foristen einfacher, auf Schwächen in den Artikeln hinzuweisen als selbst Ideen zu produzieren.

    So auch hier:



    Wer zum Teufel soll so eine Diskussion, die sehr viel Sachverstand und Unabhängigkeit erfordert, anführen?



    Bei Julia Klöckner fehlt mir die Phantasie, mir das vorzustellen.