Protest in Pankow: Rentner halten Besetzung aufrecht
Das Bezirksamt bleibt hart gegenüber Senior-Besetzern eines Rentnertreffs in Pankow. Unterstützung kommt von der Opposition.
Nur zwei Stunden hat sich Doris Syrbe am Wochenende zu Hause ausgeruht. Am Montag beantwortet die 72-jährige Besetzerin schon wieder Journalistenfragen. „Alle sind gesund und munter“, verkündet Syrbe. Nur am Morgen seien sie ausgetrickst worden: Da habe der Hausmeister die Schlösser im Keller ausgetauscht – dort, wo auch die Sporträume seien. „Das passiert uns nicht nochmal“, grollt Syrbe. Künftig werde man eben Nachtwache halten.
Seit Freitag besetzen rund 20 Rentner, sechs unter ihnen auch nachts, ihre Freizeitstätte „Stille Straße“ in Pankow (taz berichtete). Ihr Ziel: Diese vor der Schließung zu retten, die eigentlich am 30. Juni erfolgen sollte.
Im Bezirksamt räumt man die Sache mit den Schlössern ein. Der Hausmeister lagere im Keller Werkzeuge, sagt Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD), Bezirksstadträtin für Soziales. Der müsse weiter Zugang haben. Es gebe ihrerseits aber keinen „hektischen Aktionismus“. Am Dienstag werde das Bezirksamt besprechen, wie man mit der Besetzung umgehe, so Zürn-Kasztantowicz. Die Polizei lasse man erst mal außen vor.
Hoffnung macht die Sozialstadträtin aber nicht. Da weniger Geld vom Senat kommt, müsse der Bezirk eben sparen. Die SeniorInnen der „Stillen Straße“ habe es getroffen, weil man ihnen Ersatzangebote in anderen Einrichtungen anbieten konnte. Würde man die „Stille Straße“ offenhalten, müsse man Sanierungskosten in Höhe von 2,5 Millionen Euro einrechnen. „Die haben wir nicht“, so Zürn-Kasztantowicz. „Wir müssen uns nach dem ganzen Bezirk richten, nicht nach denen, die am meisten Trubel machen.“
Die Linke im Bezirk nennt die „Stille Straße“ dagegen „unverzichtbar“. „Warum“, fragt Fraktionsgeschäftsführer Matthias Zarbock, „wird nicht eine Erbpachtvergabe an einen externen Träger geprüft?“ Pirat Michael Mittelbach fordert „einen echten Dialog“ mit den Rentnern und eine „tragbare Lösung“ für beide Seiten. Im März hatte Mittelbachs Partei noch gemeinsam mit SPD und Grünen für die Schließung votiert. Mit der Besetzung, so der Pirat, sei die Lage nun eine andere.
Die Grünen dagegen bleiben dabei: „Der Bezirk kann sich eine Jugendstilvilla in dieser Gegend einfach nicht leisten“, so Fraktionschefin Daniela Billig. Zudem gebe es andere Projekte, die das Geld dringender bräuchten.
Doris Syrbe lässt das nicht gelten. „Bei gutem Willen ließen sich Reserven finden“, so die Besetzerin. „Woanders wird Geld verschleudert, aber für die Alten ist nichts da?“ Mehr als 300 Senioren träfen sich im Haus, diese Gemeinschaft wolle man nicht auseinanderreißen lassen, so Syrbe: „Wir bleiben, bis das Haus gerettet ist.“
Eine ernste Ansage, denn der Kreis um Syrbe ist kampferprobt: Er protestierte schon im Bezirksparlament, führte im April eine Pankower Mieterdemo an. Die Unterstützung für ihre Besetzung habe nun "alle Erwartungen übertroffen", so Syrbe. Das dürfte man im Bezirksamt eher ungern hören.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Die Wahrheit
Der erste Schnee
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen