Protest gegen russische Homo-Politik: Wodka-Boykott erreicht Deutschland
Eine Berliner Homo-Bar schenkt keinen russischen Wodka mehr aus. Sie protestiert gegen die Unterdrückung von Homosexuellen. Die sind dankbar, aber auch skeptisch.
MOSKAU/BERLIN dpa | In US-amerikanischen und britischen Schwulenbars gibt es sie schon eine ganze Weile, die Aufrufe zum Boykott von russischem Wodka. Nun kommt der Trend in Deutschland an. „Wir servieren keinen russischen Wodka“, heißt es etwa in einem Facebook-Eintrag des Clubs Woof Berlin. Damit protestieren Homosexuelle gegen neue Gesetze in Russland, die Schwule und Lesben betreffen.
Kremlchef Wladimir Putin unterzeichnete vor einiger Zeit ein Gesetz gegen „Homosexuellen-Propaganda“. Es stellt öffentliches Reden über Schwule und Lesben vor Jugendlichen unter Geldstrafe. Zudem hat Putin ein Gesetz unterzeichnet, wonach homosexuelle Paare keine russischen Kinder mehr adoptieren dürfen.
Homosexualität ist damit zwar weiterhin legal in Russland. Stars wie Lady Gaga und Madonna schlagen allerdings Alarm. Experten meinen, der Kreml wolle mit der Unterdrückung von Minderheiten von echten Problemen ablenken. Die Aktivistin und Autorin Mascha Gessen sieht in den Gesetzen ein politisches Instrument. „Der Kern dieser Gesetze liegt nicht in einer tiefen Homophobie des russischen Volkes, sondern im faschistischen Wesen der amtierenden Machthaber“, schreibt sie auf ihrer Facebook-Seite.
Gessen lobt den Boykott von Wodka zum Beispiel in Schwulenbars in New York. Und sie geht noch weiter. Sie ruft dazu auf, die Olympischen Winterspiele 2014 im russischen Schwarzmeerkurort Sotschi zu meiden. Es habe doch keinen Sinn, dort die Regenbogenfahne und ein paar „schöne LGBT-Sportler“ (Lesben, Schwule, Bi- und Transsexuelle) vorzuführen, um sich den Anschein von Weltoffenheit zu geben.
Russland Schwule und Lesben sind gespalten
Was den Boykott anbetrifft, sind Russlands Schwule und Lesben gespalten. Der Aktivist Nikolai Alexejew hält solche Initiativen für daneben. „Ein Boykott erzeugt vielleicht Aufmerksamkeit, hat aber keine Wirkung“, sagt er der Nachrichtenagentur dpa. Zudem warnt er, dass dies die Falschen treffen könnte. Privatunternehmen seien nicht für die Politik des Staates verantwortlich, betont er. Und für Sportler sei Olympia der Höhepunkt schlechthin.
In einem offenen Brief distanzierte sich eine betroffene westliche Wodka-Marke von der Kremlpolitik und solidarisierte sich mit der LGBT-Bewegung. Auch die Bundesregierung tadelte das Vorgehen gegen Schwule und Lesben in Russland - und erließ sogar einen Warnhinweis für Russland-Reisende. „Jetzt rollt durch die Regionen tatsächlich wellenartig eine Anti-Homosexuellen-Kampagne“, schreibt die Moskauer Zeitung Nesawissimaja Gaseta am Dienstag.
Moskaus Machthaber reagieren indes zunehmend gereizt auf das, was sie als antirussische Kampagne des Westens sehen. Das löse „Befremden“ aus, twitterte der Menschenrechtsbeauftragte Konstantin Dolgow vom Außenministerium. Putin behauptete zuletzt im Juni öffentlich, dass Homosexuelle nicht diskriminiert würden in Russland. „Ich finde, dass die Gesetzgebung bei uns in dieser Hinsicht ziemlich liberal ist“, sagte er.
In Moskau reagiert die Szene selbst dankbar auf die Solidarität des Westens, aber auch unbeholfen. Poster von einem geschminkten Putin, wie sie bisweilen bei Protesten in Deutschland zu sehen sind, machen im russischen Internet die Runde. Das Moskauer Boulevardblatt MK erwähnte sogar die Aktion der Berliner Drag Queen Barbie Breakout, die sich den Mund zunähte aus Protest.
In Russland fließt der Wodka weiter
Doch in den einschlägigen Bars in Moskau bezweifeln Schwule, dass solche Aktionen helfen. Auch der Wodka fließt hier weiter. Seit Jahren versucht der Aktivist Alexejew ohne Erfolg, Straßenaktionen zu organisieren. Doch auch er weiß, dass Angst vorherrscht. Bei Teilnahme an verbotenen Kundgebungen drohen Gefängnisstrafen. Und immer wieder sehen sich auch Heterosexuelle, die sich für die LGBT-Rechte einsetzen, brutalen Angriffen ausgesetzt.
Autorin Gessen, die mit ihrer Partnerin drei Kinder großzieht, sagte im oppositionsnahen Internetfernsehen rain.tv unlängst, sie wolle Russland nun verlassen. Dagegen zeigt sich der Aktivist Alexejew kämpferisch. Er plant am 7. Februar 2014 in Sotschi zur Olympia-Eröffnung eine Schwulen- und Lesbenparade.
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