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Protest gegen neue AbschiebebehördeGefängnis und Flughafen anbei

Der niedersächsische Flüchtlingsrat befürchtet, dass mit der neuen Abschiebebehörde in Langenhagen die Zahl der Abschiebungen steigt.

Wollen keine Verschärfung der niedersächsischen Abschiebepolitik: Demonstrant*innen in Langenhagen Foto: Christian Wyrwa

Hamburg taz | Vier Tage nach der Eröffnung der zentralen Abschiebebehörde im niedersächsischen Langenhagen (LAB) hat sich die Kritik dagegen unmittelbar vor deren Tür artikuliert: Rund 40 DemonstrantInnen protestierten unter dem Motto „NEIN zur zentralen Abschiebebehörde“. Aufgerufen dazu hatte ein Bündnis aus über 50 Organisation, darunter der Flüchtlingsrat Niedersachsen, die niedersächsische Linke und eine Hochschulgruppe der Grünen aus Göttingen.

Die neue Außenstelle der LAB liegt in der Nähe eines Flughafens und einer Abschiebehaftanstalt. Für das Jahr 2019 sind 50 Vollzeitstellen für das Abschiebezentrum Langenhagen vorgesehen. Die Behörde soll nach und nach auf 200 Vollzeitstellen ausgebaut werden, um dem Arbeitspensum von ganz Niedersachsen gerecht zu werden. Bisher lag die Entscheidung über eine Abschiebung bei den Kommunen. Nun soll die neue Außenstelle nach und nach Aufgaben rund um die Abschiebung von Migrant*innen übernehmen.

SPD-Innenminister Boris Pistorius folgt damit dem Beispiel von Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen, die bereits landesweite Abschiebebehörden eingerichtet haben. Konkret soll Langenhagen unter anderem die Klärung von Identität und Beschaffung von Passersatzpapieren sowie die Beantragung der Abschiebehaft und die Organisation der Abschiebung übernehmen. Aus dem Innenministerium heißt es: „Ziel ist es, Rückführungen möglichst rechtssicher für alle Seiten zu gestalten.“

Kai Weber, Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsens, befürchtet eine unpersönliche und maschinelle Abfertigung von Migrant*innen, wenn Abschiebeverfahren künftig an einer zentralen Stelle behandelt werden. Er warnt vor einem Anstieg der Abschiebungen: „Hier sehen wir eine Verschiebung von Willkommenskultur hin zur Beendigung von Aufenthalten.“

Ablauf einer Abschiebung

Der Asylantrag wird abgelehnt: Nun bleibt dem oder der Asylsuchenden noch eine Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht, um die drohende Abschiebung zu verhindern.

Wenn die Klage scheitert: Die Person ist nun „vollziehbar ausreisepflichtig.“ Das heißt, sie muss das Land verlassen.

Die Organisation der Abschiebung beginnt: Die Ausländerbehörde prüft die Identität der ausreisepflichtigen Person. Wenn kein Reisepass vorliegt, muss ein Passersatzpapier erstellt werden. Sollte dies nicht möglich sein, ist eine Abschiebung nicht möglich. Gibt es ein Passersatzpapier, so wird ein Flug gebucht und die Polizei verständigt.

Polizisten holen die Menschen an ihren Aufenthaltsorten ab und übergeben sie am Flughafen der Bundespolizei.

Weber befürchtet, dass eine zentrale Stelle Faktoren, die kurzfristig gegen Abschiebungen sprechen, nicht ausreichend berücksichtigt: etwa eine Erkrankung der Abzuschiebenden oder ihrer Angehörigen. Auch eine Trennung von Familien hält Weber bei einer zentralisierten Behörde für wahrscheinlicher. Das Innenministerium hingegen kann keine Probleme erkennen: Der persönliche Kontakt zu den Geflüchteten bleibe durch die „kommunalen Ausländerbehörden weiterhin bestehen“, heißt es in der Antwort auf eine Anfrage der taz.

Laut einem Schreiben der Landesregierung soll die Zentralisierung der „Erhöhung der Effektivität von Verfahrensabläufen“ dienen. Der niedersächsische Flüchtlingsrat sieht darin eine neue Verschärfung der niedersächsischen Abschiebepolitik. Kai Weber kritisiert, dass Migrant*innen selten Aufenthaltsgenehmigungen bekämen und stattdessen über viele Jahre nur geduldet würden.

Wer geduldet wird, hat kein Aufenthaltsrecht, kann aber nicht unmittelbar abgeschoben werden. Solche Menschen bauten sich über Jahre ein Leben in Deutschland auf, müssten aber jederzeit damit rechnen, abgeschoben zu werden, wenn sich die Situation in ihrem Heimatland ändert, so beschreibt es Kai Weber vom Flüchtlingsrat.

Diese Kettenduldungen hält er für fatal: „Es sind eher verstärkte Maßnahmen zur Integration notwendig und keine zentralen Einrichtungen für Abschiebungen.“ Derzeit erhalten rund 20 Prozent der Ausreisepflichtigen in Niedersachsen Kettenduldungen, momentan sind etwa 7.770 Menschen davon betroffen.

Auch die mangelnde Einbindung in die Vorab-Diskussion über die Zentralisierung kritisiert der Flüchtlingsrat. Es sei üblich, dass bei einer grundlegenden Änderung der Gesetzeslage entsprechenden Organisationen die Entwürfe mit der Bitte um Kommentierung zugeschickt würden. Dies sei in diesem Fall nicht geschehen.

Zwar verweist ein Sprecher des Innenministeriums darauf, dass die kommunalen Spitzenverbände „umfassend eingebunden und deren Anregungen umfänglich gewürdigt“ wurden – doch die vertreten lediglich die Interessen der Kommunen und nicht die der Migrant*innen.

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