Protest gegen braunen Aufmarsch: Dresden noch nicht nazifrei
Über 3.000 Menschen protestierten in Dresden gegen Nazis. Die Jüdische Gemeinde verurteilte den Fackelzug der Rechten am Vorabend.
DRESDEN taz | So viele Menschen wie nie zuvor stellten sich am 13. Februar in Dresden dem geschichtsverzerrenden Gedenken der Nazis entgegen. Mehr als 3.200 Menschen gingen auf einem Täterspurenmahngang zu verschiedenen Schauplätzen von Verbrechen des NS-Regimes. 2011 hatte die Stadtverwaltung den Mahngang noch untersagt. Inzwischen gehört er jedoch zum offiziellen Programm.
Angaben des Rathauses zufolge beteiligten sich außerdem 11.000 Dresdener an einer Menschenkette, um ein Zeichen für Toleranz und gegen Rechtsextremismus zu setzen. „Es ist eine unzweifelhafte Tatsache, dass Dresden keine unschuldige Stadt war“, erklärte Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) in ihrer Rede zu Beginn der Menschenkette. Sie erinnerte daran, dass nach wie vor Menschen in Deutschland wegen ihrer Gesinnung oder fremden Herkunft angegriffen werden.
Lange war die Bombardierung Dresdens am 13. und 14. Februar 1945 Anlass für deutsche Neonazis, um an diesen Tagen zu Aktionen in der sächsischen Stadt zu mobilisieren. Nach einem Aufmarsch von rund 7000 Neonazis im Jahr 2009 bildete sich das Bündnis „Dresden Nazifrei“, das die Demonstrationen in den letzten Jahren zunehmend erfolgreich blockierte.
Nachdem die diesjährige Nazi-Demo am 13. Februar nicht genehmigt wurde, zogen fast 500 Rechte am Vorabend überraschend mit Fackeln durchs Stadtzentrum – mit Genehmigung der Stadtverwaltung.
„Das ging komplett in die Hose“
Unter den Teilnehmern des Täterspurenmahngangs am Donnerstag befanden sich die Grünen-Politikerin und EU-Abgeordnete Ska Keller, der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland Aiman Mazyek und Pfarrer Lothar König aus Jena, der sich auch in den letzten Jahren aktiv an den Blockaden beteiligte und gegen den in diesem Zusammenhang ein Verfahren wegen Landfriedensbruchs läuft.
Die Sprecher des Bündnisses verurteilten den Aufmarsch der Nazis am Vorabend. Sie betonten jedoch, den symbolträchtigen 13. Februar hätten die Nazis verloren. Auch Ska Keller wollte den braunen Fackelzug nicht als Punktsieg für die Rechtsextremisten verstanden wissen. Diese seien nur auf den Vorabend ausgewichen, weil eine Demonstration am 13. für sie aussichtlos gewesen sei. Dennoch erklärte sie gegenüber taz.de, es sei „erschütternd, dass so viele Nazis demonstrieren konnten.“ „Es zeigt, dass wir wachsam bleiben müssen.“
Viele Nazi-Gegner sprachen allerdings doch von einer Niederlage des Bündnisses „Dresden Nazifrei". Auf facebook kritisierten sie die späte Reaktion des Bündnisses und die fehlende Mobilisation. „Das ging komplett in die Hose“, schrieb ein enttäuschter User.
Starke Worte fand Nora Goldbogen, Vorsitzende der jüdischen Gemeinde in Dresden. Zwar würdigte sie in ihrem Beitrag auf dem Täterspurenmahngang die Erfolge des Bündnisses in den letzten Jahren. Sie betonte jedoch, die Geschehnisse vom Vorabend weckten in ihr und auch in älteren Mitgliedern der Jüdischen Gemeinde Erinnerungen an die Fackelmärsche der Nationalsozialisten im Jahr 1933 und es sei „inakzeptabel, dass sie für so etwas eine Genehmigung bekommen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind