piwik no script img

Protest gegen Polens AbtreibungsgesetzKarolina Więckiewicz gibt nicht auf

Die Anwältin hilft ungewollt Schwangeren in Polen, einen Abbruch zu bekommen. Von der Gesetzesverschärfung lässt sie sich nicht entmutigen.

Lässt sich von Polens Rechten nicht einschüchtern: die Anwältin Karolina Więckiewicz Foto: privat

Es sei Folter, sagt Karolina Więckiewicz, „gegen den eigenen Willen gezwungen zu werden, schwanger zu bleiben“. Gemeinsam mit ihren Mitstreiter*innen vom „Abortion Dream Team“ geht die 39-Jährige seit Donnerstag jeden Abend in Warschau auf die Straße.

Denn das weitgehend von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kontrollierte polnische Verfassungsgericht hat in der vergangenen Woche das ohnehin restriktive Abtreibungsrecht des Landes von 1993 weiter verschärft. Auch wenn ein Fötus schwere Missbildungen aufweist oder nicht überlebensfähig ist, müssen Schwangerschaften in Zukunft ausgetragen werden.

Die Anwältin und Aktivistin Więckiewicz, die zuvor für die LGBTI*-Organisation „Lambda Warszawa“ und als Interessenvertreterin bei der Frauenorganisation der UNO tätig war, erklärt, dass diese Entscheidung auf den Druck von rechten Lobbyist*innen zurückgeht. „Es ist ein politisches Spiel, das Menschen mit Uterus – von denen die meisten Frauen sind – immer wieder verlieren“, sagte sie am Samstag der osteuropäischen Plattform The Barricade.

Więckiewicz und das „Abortion Dream Team“ aber stellen sich gegen dieses politische Spiel und auf die Seite betroffener Menschen. Auch in kleineren polnischen Städten findet sich mittlerweile die Telefonnummer der Initiative auf Hauswände gesprüht. „Du bist nicht allein“, steht daneben.

Abtreibung muss man sich leisten können

Das „Abortion Dream Team“ berät zu medikamentösen Schwangerschaftsabbrüchen, vermittelt Ärzt*innen, die illegal Abtreibungen vornehmen, und finanziert über Spenden legale Abtreibungen im Ausland. „Der finanzielle Aspekt ist eine der größten Hürden beim Zugang zu Abtreibungen.

Ob jemand Geld hat oder nicht, darf aber nicht darüber entscheiden, ob eine Schwangerschaft ausgetragen wird oder nicht“, sagte Więckiewicz bereits Ende 2019 der taz in einem Interview. 100.000 inoffizielle Schwangerschaftsabbrüche gebe es in Polen jährlich, schätzt die Aktivistin. „Das sind keine Frauen irgendwo da draußen, das sind wir. Jede Dritte von uns hat diese Erfahrung.“

Betroffen, so die Feministin, die sich als bisexuell identifiziert, seien im kirchlich geprägten Polen selbstverständlich auch viele Katholik*innen und Menschen aus dem rechten politischen Lager. Doch: „Das Stigma rund um das Thema Abtreibung ist enorm, niemand will darüber reden, niemand will damit in Verbindung gebracht werden.“ Auch die PiS habe sich des Themas nicht angenommen, bevor Abtreibungsgegner*innen Druck ausgeübt hätten.

Von der aktuellen Gesetzesverschärfung lässt Karolina Więckiewicz sich nicht entmutigen. Ein diktatorisches Schwangerschaftsregime wie im Rumänien Ceaușescus befürchtet sie nicht. „Ich bin überzeugt, dass wir das überstehen werden, denn die Bewegung ist stärker als je zuvor. Kein Verfassungsgericht, keine PiS, keine Kirche wird uns aufhalten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Mutig seid Ihr. Wenn ich mir die sogenannten "Lebensschützer" hierzulande anschaue, dann kann ich mir nur vage vorstellen, mit wieviel Dreck Ihr beworfen werdet.