Protest gegen Gentrifizierung: Drogenhelferin unter Druck
Eine Betriebsrätin bekommt von ihrem Vermieter für ihren Arbeitsplatz im Hamburger Schanzenviertel Hausverbot.
Gekauft, um teurer zu vermieten
2013 hatten die Brüder Maximilian und Moritz Schommartz die ehemalige Montblanc-Fabrik gekauft. Zum 1. April dieses Jahres dann kündigten sie neben der „Palette“ auch den Mietern in der „Kulturetage“ sowie – nach 25 Jahren – dem alternativen Hotel und Bio-Restaurant „Schanzenstern“. Die neuen Mieter sollen statt 8,50 Euro nun 14 Euro pro Quadratmeter zahlen. Beides hatte teils massive Proteste ausgelöst. Nach dem Auszug des Schanzensterns bekamen dessen Mitarbeiter sämtlich ein Hausverbot auf Lebenszeit für den Gebäudekomplex.
Die Palette suchte neue Räume und wurde sogar im Viertel fündig; das neue Domizil ist aber noch nicht bezugsfertig. Deshalb gewährten die Gebrüder Schommartz der Drogenhilfe eine Mietvertragsverlängerung: Sie dürfe solange im Schanzenhof bleiben, bis sie in die neuen Räume kann.
Das Hausverbot erhielt Winkelmann per Fax. Statt aber beispielsweise dagegen zu protestieren, forderte die Palette-Geschäftsführung vielmehr Winkelmann auf, ihre Schlüssel abzugeben; nach 20 Jahren Tätigkeit in der Drogenhilfeeinrichtung wies man ihr eine andere Aufgabe zu, in einem Kinderprojekt des Trägervereins.
„Es ist eine schwierige Situation“, sagt die Palette-Geschäftsführerin Anke Mohnert: „Wir müssen die Räume unbedingt behalten“. Denn der Gewerbemietvertrag habe eine monatliche Kündigungsfrist, und Schommartz könne die Einrichtung mit zuletzt 600 Klienten kurzfristig auf die Straße setzen. Freilich: „Wenn dieses Hausverbot rechtlich nicht haltbar ist“, sagt Mohnert, „ist die Sache für uns vom Tisch.“
Anwältin Garweg weist darauf hin, dass sich auch ein Vermieter wegen des Verstoßes gegen das Betriebsverfassungsgesetz strafbar machen kann: Wenn er Betriebsräten den Zutritt zum Betrieb verweigert. Schommartz verteidigte auf taz-Anfrage sein Vorgehen: Winkelmann sei von der Polizei beim „Begehen einer Sachbeschädigung am Gebäude aufgegriffen“ worden.
Mechthild Garweg, Anwältin
Anhaltender Protest
Gentrifizierungs-Gegner und andere Interessierte setzen sich derweil weiter für den Schanzenhof ein, der vor 25 Jahren einmal ein Vorzeigeprojekt für sozialdemokratische alternative Stadtentwicklung war. So ist für den kommenden Samstag erneut ein Nachbarschaftsfest angesetzt, um den Schanzenhof „nach unseren Vorstellungen zu verschönern“, heißt es.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen