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Protest gegen BewässerungsprojekteDer „Wasserkrieg der Deux Sèvres“

In Frankreich kommt es bei Protesten gegen ein öffentlich finanziertes Bewässerungsprojekt zu Zusammenstößen. Bilanz: Dutzende Verletzte.

Tränengas bei einer Demonstration des Kollektivs „Bassines Non Merci“ gegen den Bau eines Wasserreservoirs Foto: Pascal Lachenaud/dpa

Paris taz | Enorme künstliche Wasserbecken sollen es landwirtschaftlichen Großbetrieben in Westfrankreich ermöglichen, im Sommer ihre Felder zu bewässern, wenn die Niederschläge ausbleiben. Am Samstag hatten Gewerkschaften, Grüne und Umweltorganisationen in Sainte-Soline im westfranzösischen Departement Les Deux Sèvres zu einer Demonstration gegen das Vorhaben aufgerufen.

In diesem Ort zwischen La Rochelle und Poitiers ist das zweite von 16 geplanten Wasserreservoirs im Bau. Im offenen Krater, der mit Plastik ausgelegt werden soll, könnten bis zu 650.000 Kubikmeter Wasser (in etwa 260 Olympia-Schwimmbecken), die im Winter aus dem Untergrund gepumpt werden, für die Bewässerung von Maisfeldern im Sommer gelagert werden. Laut den Kritikern ist auch im Winter in dieser Region das Wasser bereits knapp.

Zudem könnte das für private Interessen abgezweigte Wasser dem benachbarten Naturpark Marais Poitevin fehlen und dieses Sumpfgebiet gefährden. Die auf rund 60 Millionen Euro veranschlagten Kosten des Projekts werden zu 70 Prozent mit öffentlichen Geldern finanziert. Das empört die Geg­ne­r*in­nen erst recht.

Die Kundgebung hatten Behörden wegen befürchteter gewaltsamer Auseinandersetzungen verboten. Dennoch kamen zwischen 4.000 und 7.000 Geg­ne­r*in­nen aus ganz Frankreich, unter ihnen Po­li­ti­ke­r*in­nen der Grünen (EELV) wie Yannick Jadot und Sandrine Rousseau. Die Polizeipräfektur hatte ein massives Aufgebot von mehr als 1.500 Ordnungskräften mit Einsatzfahrzeugen und fünf Hubschraubern bereitgestellt. Ihre Aufgabe sollte es sein, die Demonstrierenden daran zu hindern, auf das Baugelände vorzudringen und dieses zu besetzen.

Verletzte auf beiden Seiten

Nach einem eher fröhlichen Beginn der Kundgebung in der Nähe des umstrittenen Geländes organisierten sich die Demonstrierenden in drei Blöcken, denen es gelang, bis auf den Bauplatz vorzustoßen. Die für solche Einsätze vorgesehenen Angehörigen der Gendarmerie mobile, die Tränengas einsetzten, wurden mit Wurfgeschossen, laut offizieller Stellungnahme angeblich auch mit Molotowcocktails, angegriffen. In Videos sehen diese Zusammenstöße aus wie eine altertümliche Schlacht auf einem offenen Feld. Medien sprechen vom „Wasserkrieg der Deux Sèvres“.

Die Bilanz des französischen Innenministers Gérald Darmanin ist alles andere als ruhmreich: In den Reihen der Ordnungskräfte wurden am Samstag 61 Personen teils schwer verletzt. „Das war keine friedliche Kundgebung, sondern eine sehr gewaltsame Ansammlung“, rechtfertigte sich der Innenminister.

Auf der Gegenseite ist von rund ebenso vielen Verletzten die Rede, mindestens fünf mussten ins Krankenhaus gebracht werden. Auch der Sprecher des Kollektivs Bassines Non Merci!, Julien Le Guet, wurde am Kopf verletzt. Er war vor der Demonstration mit zwei Mitgliedern der linken Confédération Paysanne festgenommen und dann wieder freigelassen worden.

Le Guet meinte vor der Aktion: „Es ist eine Vorstellung aus dem vorigen Jahrhundert zu meinen, man könne ein so bedeutendes Problem wie das der Wasserversorgung lösen, indem man (das Wasser) dank Kernenergie in ein Plastikbecken pumpt. Das Wasser ist hier schon im Winter knapp, das Ganze kann nicht funktionieren.“ Er plädiert für eine alternative, solidarische und umweltschonende Landwirtschaft anstelle des intensiven Maisanbaus.

Der Bauernverband FNSEA dagegen sagt, mit den Becken könne ohne Umweltbelastung die Versorgung mit Nahrung sichergestellt werden. Gegner kündigten weitere Proteste an.

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4 Kommentare

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  • Mak 'Creys Malville' in die Suchmaschine eingeben. Da ließ die Regierng in Paris den Protest gegen das geplante Atomkraftwerk von der polizeilichen Schlägertruppe (CRS) mit Sprengkörpern und massiven Attacken auseinandertreiben. Fazit: Ein toter Lehrer. Der hier gebaute 'Schnelle Brüter' steht heute als Ruine in der Landschaft - seit 1997 stillgeglegt. Die Bourgeosie an der Seine hat 45 Jahre später nichts gelernt......

  • Linke Tasche, rechte Tasche. Was nützt es, wenn Wasser aus dem Untergrund in einen Behälter umgepumpt wird und zudem noch Verdunstung in Kauf genommen wird? Ein nachhaltiges Konzept ware wünschenswert. Diese Themen kommen bald auch bei uns noch verstärkt auf die Agenda.

  • Wenn der Bauernverband schon in einem Land ohne Nahrungsmangel die Angst vor dem Hunger hevorzerren muss, um das Projekt positiv darzustellen, drängt sich der Verdacht auf, dass da die Maßstäbe nicht stimmen.

  • auch in Frankreich gibt es Politiker die den Gong nicht gehört haben, welch ein Wunder :))

    statt dessen die H²O intensive Landwirtschaft zu verändern der unbeirrbaren, lernressistente Bauernlobby das Wasser der Bevölkerung schenken. Als nächstes bauen sie dann Heidelbeeren an weil sie ja dan so viel Wasser haben



    Und wenn es dann so grün ist wie in zentral Spanien ist die Politik dran schuld