Protest gegen Bau der A 100 in Berlin: Verkehrswende bleibt Straßenkampf
Rund 500 Menschen demonstrieren am Sonntag gegen den Weiterbau der A100. Das Klimabündnis will der drohenden schwarz-roten Regierung Kontra geben.
„Klimaschutz können wir uns unter Schwarz-Rot abschminken“, konstatiert ein Redner bei der Auftaktkundgebung an der Hatun-Sürücü-Brücke in Neukölln. Unter lautem Geklingel und dröhnenden Bässen bewegt sich die Fahrradkolonne dann gegen 14.30 Uhr auf der von Wahlplakaten für den Volksentscheid Berlin Klimaneutral 2030 gesäumten Sonnenallee in Richtung Hermannplatz.
Auch hier auf der Zwischenkundgebung ist die Meinung einhellig: Während man unter Rot-Grün-Rot noch Ansprechpartner*innen mit einem offenen Ohr für Klimaschutzanliegen hatte, drohe nun eine „Koalition der Untoten“ – mit überholten Ideen aus vergangenen Zeiten, die dennoch nicht totzukriegen seien.
Welche das sind, hat Berlins CDU-Chef und möglicher neuer Regierender Bürgermeister Kai Wegner am Wochenende bekannt gegeben: Neben dem höchst umstrittenen Ausbau der A100 will Wegner auch die eigentlich qua Volksentscheid ausgeschlossene Randbebauung des Tempelhofer Felds per „Befragung von oben“ durchsetzen – obwohl das Landesrecht dies gar nicht hergibt.
Schnellerer Neubau von Autobahnen geplant
Die Wut der Klimaschützer*innen richtet sich am Sonntag jedoch nicht nur gegen Wegner, sondern auch gegen Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP). Denn zur gleichen Zeit berät das Bundeskabinett auf einer zweitägigen Klausur im Schloss Meseberg in Brandenburg das „Infrastruktur-Beschleunigungsgesetz“. Es sieht unter anderem einen schnelleren Neubau von Autobahnen vor. Nicht nur Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) befürchtet, dass dadurch umweltpolitische Belange unter die Räder kommen.
Für das Bündnis Wald statt Asphalt, das für das Wochenende bundesweit zu Autobahnblockaden aufgerufen hatte, sind Wissings Pläne „ein Skandal“. Demnach soll mehr als 140 Autobahnprojekten mit einer Gesamtlänge von über 1.300 Kilometern ein „überragendes öffentliches Interesse“ attestiert werden, sodass sie mit verkürzter Bürger*innenbeteiligung und Umweltverträglichkeitsprüfung durchgewunken werden können.
Laut Umweltschutzverband Bund würde dies eine zusätzliche CO2-Belastung von mehr als 400.000 Tonnen pro Jahr und eine direkte Bedrohung von 80 Naturschutzgebieten bedeuten.
Ganz abgesehen von den hohen Ausgaben: In Berlin kostet die Stadtautobahn rund 220.000 Euro – pro Meter. Und das für ein Projekt, das nach Ansicht von Verkehrsforscher Andreas Knie völlig unnötig ist. „Die Wissenschaft sagt ganz klar, dass wir nicht noch mehr Autobahnen brauchen. Das, was wir haben, reicht aus“, sagt Knie zu den Fahrraddemonstrant*innen, die mittlerweile auf einem eigens für sie abgesperrten Abschnitt der Stadtautobahn angekommen sind und dem starken Wind trotzen. Die A100 weiter auszubauen sei angesichts der veränderten gesellschaftlichen Mobilität aus der Zeit gefallen und völliger „Irrsinn“, sagt Knie.
Letzte Hoffnung Klima-Volksentscheid
Während Knie redet, seilen sich im Hintergrund Klimaaktivist*innen von der Autobahnbrücke ab und hissen ein Banner mit der Aufschrift: „Abhängen ist kein Verbrechen“. Zuvor hatte eine junge Aktivistin den Anwesenden erklärt, wie man das am besten – und sichersten – anstellt.
Der im Anschluss geplante How-to-Klimakleber-Workshop der Letzten Generation konnte allerdings nicht stattfinden, weil die Polizei bei den Aktivist*innen – wenig überraschend – Sekundenkleber gefunden hatte. Daraufhin hielten sie die jungen Menschen so lange in einer Maßnahme fest, bis die Kundgebung beendet ist.
Tadzio Müller, Umwelt-Aktivist*
Das Demo-Bündnis, das unter anderem aus Fridays For Future, Changing Cities, Greenpeace und dem BUND besteht, zeigt sich trotzdem zufrieden. „Jetzt, wo klar ist, dass die Stadtregierung gegen die Klimaschutzbewegung arbeiten wird, sind Vernetzung untereinander und der Druck von der Straße umso wichtiger“, sagt Sprecher Tadzio Müller zur taz. Die A100 könne dabei so etwas wie das Symbol der Umweltbewegung werden, hofft er.
Große Hoffnung setzen die Demonstrant*innen auch in den Klima-Volksentscheid am 26. März. Der könnte den Senat – egal unter wessen Führung – dazu verpflichten, Berlin bis 2030 klimaneutral zu machen. Man gehe davon aus, dass jeder Senat den Willen der Bevölkerung umsetzen werde, so das Bündnis. „Ein klimaneutrales Berlin können wir nur gemeinsam erreichen – unabhängig von politischen Zugehörigkeiten“, so Sprecherin Jessamine Davis.
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