Klima-Volksentscheid in Berlin: Verschleppen geht diesmal nicht
Der Umgang des Senats mit Volksbegehren hat der direkten Demokratie geschadet. Daher fragen sich jetzt viele, ob eine Stimmabgabe überhaupt lohnt.
N ur zwei Wochen sind es noch bis zur Abstimmung darüber, ob Berlin bis 2030 klimaneutral werden muss. Angesichts der möglichen massiven Auswirkungen dieses Volksentscheids auf den Handlungsspielraum der Landespolitik ist es schon erstaunlich, wie zurückhaltend die Debatte darüber verläuft. Plakate gibt es nur von der Initiative selbst, Stellungnahmen von Politiker*innen zum Thema sind Mangelware.
Schon im Wahlkampf spielte Klimaschutz eine untergeordnete Rolle; nun, da die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD laufen, ist das nicht besser geworden. Beide Parteien legen wenig Wert auf das Thema. Vielleicht sind die politischen Repräsentanten aller Parteien einfach auch nur müde nach den anstrengenden vergangenen Monaten – und hoffen deswegen, dass mit möglichst wenig Aufhebens die Beteiligung am Entscheid am 26. März so gering bleibt, dass selbst ein mehrheitliches Ja keine Folgen hätte. Das ist fahrlässig und läuft der direkten Demokratie zuwider, wie es leider schon bei vielen Volksbegehren zu beobachten war.
Mindestens 610.000 Berliner*innen müssen beim Klima-Entscheid für das von der Initiative Klimaneustart Berlin vorgelegte Gesetz stimmen, das entspricht einem Viertel der Wahlberechtigten. Angesichts der komplett fehlenden Gegenkampagne ist es unwahrscheinlich, dass die Zahl der Nein-Stimmen größer ausfallen wird. Und diese 610.000 Menschen für eine Abstimmung zu mobilisieren, ist keineswegs undenkbar.
Die Kampagne der Initiative ist präsent in der Stadt. Viele Menschen besonders aus dem links-alternativen Spektrum sehen in der Abstimmung auch eine Möglichkeit des Protests gegen die drohende schwarz-rote Koalition. Daher wäre es gerade auch für die Gegner eines solchen Gesetzes wichtig, jetzt eine breite Debatte darüber zu führen. Schließlich handelt um das wohl wichtigste politische Thema überhaupt.
Am 26. März stimmen die Berliner:innen darüber ab, ob die Stadt bis 2030 klimaneutral werden muss. Ist das überhaupt machbar? Und was heißt das für die künftige Politik und einen möglichen schwarz-roten Senat? Darüber diskutieren am Dienstag, 14. März, in der Kantine der taz Jessamine Davis, Sprecherin der Initiative Klimaneustart Berlin, Danny Freymark, Sprecher der CDU-Fraktion für Klima- und Umweltschutz, und Werner Graf, Fraktionschef der Berliner Grünen. Moderiert wird die Veranstaltung von taz Berlin-Leiter Bert Schulz. Beginn 19 Uhr, Eintritt frei, zusätzlicher Livestream auf dem Youtube-Kanal der taz. Alle Details hier.
Zentral für die Ja-Kampagne wird sein, auch jene Menschen zur Abstimmung zu bewegen, die nach dem Volksentscheid über die Enteignung großer Immobilienkonzerne daran zweifeln, dass sich die Politik an das Ergebnis hält. Nach jenem Volksentscheid im September 2021 tat vor allem die SPD bekanntlich alles, um eine Umsetzung zu verzögern, etwa indem sie in der rot-grün-roten Koalition durchsetzte, erst mal eine Kommission zum Thema einzusetzen.
Die Innenverwaltung blockierte viele Volksbegehren
Die Miet-Aktivist*innen, die nicht müde wurden, diese Verschleppungstaktik zu kritisieren, diskreditierten damit ungewollt gleich die Idee der Volksentscheide per se. Und auch die Innenverwaltung des Senats, die die rechtliche Prüfung geplanter Volksbegehren kaugummimäßig und teils willkürlich oft über ein Jahr hinaus in die Länge zog, hat das Vertrauen der Bevölkerung in die direkte Demokratie Verfahren nicht gestärkt. Mittlerweile halten viele Abstimmungen wie die am 26. März für pure Zeitverschwendung.
Doch anders als beim Enteignen-Entscheid und auch bei dem zur Offenhaltung von Tegel 2017 wird diesmal nicht über einen bloßen Appell an den Senat abgestimmt, sondern über einen Gesetzentwurf. Wie 2014 bei der Entscheidung über die (Nicht-)Bebauung des Tempelhofer Feldes träte es im Erfolgsfall unmittelbar in Kraft. Und gerade die aktuelle Debatte über die von der CDU und weiten Teilen der SPD geforderte Randbebauung des Feldes zeigt, wie machtvoll solche Entscheide sind: Warum sonst macht die CDU für diesen Fall eine „Volksbefragung“ zur Voraussetzung?
Der Gesetzentwurf, der am 26. März zur Abstimmung steht, beinhaltet vor allem eine Anpassung des Berliner Klimaschutz- und Energiewendegesetzes. Wichtigster Punkt: An die Stelle des Ziels, die CO2-Emissionen bis 2045 um mindestens 95 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern, träte die Verpflichtung, dies schon bis 2030 zu leisten. Um das in dieser kurzen Zeit zu erreichen, müsste das Land viele Extra-Milliarden in die Verkehrswende, die Wärmeversorgung und die Dämmung von Gebäuden investieren.
Es geht also um viel an diesem 26. März – auch wenn man es bisher kaum merkt.
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