Protest bei den Golden Globes: Frauen in Schwarz
Bei den Golden Globes feierte sich die Filmbranche als Spiegel einer Aufbruchsstimmung in der Ära Trump, Post-Weinstein und #Metoo.
Sind das noch die oft als kulturell unbedeutende, weil lediglich alkoholseligere Ausgabe der Oscars verlachten Golden Globes? Auf dem Roten Teppich wird statt über Designernamen über Mobbing, Lohngleichheit und sexuellen Missbrauch im Militär gesprochen; bei den Auszeichnungen haben Frauen die Oberhand, die sich ihren männlichen Gegenparts, statt sich unterstützend anzuschmiegen, wehrhaft entgegenstellen; die mitreißendste Rede des Abends kommt von der schwarzen Talkshow-Moderatorin und Schauspielerin Oprah Winfrey, die sich damit in Augen von Vielen als Kandidatin für den US-Präsidentschaftswahlkampf 2020 empfiehlt.
Noch vor wenigen Jahren hätte man so etwas in der Häufung allenfalls auf einem Frauenfilmfestival vermutet. Aber der Zeitgeist machte es offenbar möglich, dass eine ganz auf die Selbstverliebtheit der Filmbranche ausgerichtete Veranstaltung wie die 75. Verleihung der Golden Globes durch den kleinen, versprengten Haufen der Hollywood Foreign Press Association diesmal zu einem einzigartigen Spiegel einer kulturellen Aufbruchsstimmung der Ära Trump, Post-Weinstein und #Metoo wurde.
Dieser Stimmung vielleicht mehr als allem anderen verdankt denn auch Fatih Akin seinen Golden Globe in der Sparte „Bester fremdsprachiger Film“: Sein von der Geschichte der NSU-Morde inspirierter „Aus dem Nichts“ stieß sowohl bei der Premiere in Cannes als auch beim deutschen Kinostart im vergangenen November auf eher zwiespältige, nur zögernd-lobende Reaktionen. Positiv wurde allerdings stets die Leistung von Diane Krüger in der Hauptrolle hervorgehoben; in Cannes war sie mit dem Preis der Besten Schauspielerin ausgezeichnet worden.
Im Kontext einer Preisverleihung, in der es wie selten in Hollywood darum ging, wieder und wieder starke Frauenrollen und -geschichten zu feiern, fügte sich Akins „Aus dem Nichts“ nun besser ins Bild als etwa der Europäische Filmpreis-Gewinner „The Square“. So perfekt, dass in Akins Dankesrede weder der für die Anwesenden unverständliche Hinweis darauf, dass dieser Preis ihm 100.000 weitere Kinobesucher in Deutschland einbringe, noch sein etwas deplatzierter und für amerikanische Ohren mehr als veralteter Wortwitz über Warner Brothers („If you see a cop – warn a brother“) groß störten.
Vorbild: die grausame Realität der NSU-Morde
Diane Krüger spielt in „Aus dem Nichts“ eine Frau, die erleiden muss, wie ihr Mann und ihr kleiner Sohn einem ausländerfeindlichen Attentat zum Opfer fallen und im Anschluss die Justiz versagt. Auch wenn Akin für seinen Film die grausame Realität der NSU-Morde zum Vorbild nahm, setzt er den Akzent mit Krügers kämpferischer Frauenrolle doch ganz ähnlich wie der Ire Martin McDonagh in seinem „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, der mit insgesamt vier Golden Globes der überraschend große Gewinner des Abends war.
Auch in „Three Billboards“ steht eine Frau im Zentrum, die Gerechtigkeit verlangt, wo die Polizei versagt. Frances McDormand erhielt dafür den Preis der besten Schauspielerin, Sam Rockwell als einer jener böse versagenden Polizisten den als bester Nebendarsteller und McDonagh wurde für sein Drehbuch bedacht, das – ganz anders als bei Akin – all seinen Figuren so knapp geschliffene Repliken in den Mund legt, dass der Film mehr durch seine Dialoge Funken sprüht als durch überzeugende Charakterdynamik.
Auf der Fernsehpreis-Seite zeigte sich ganz Ähnliches: Hier wurden mit „The Handmaid's Tale“ und Elizabeth Moss, mit „Big Little Lies“ und Nicole Kidman, Laura Dern und Alexander Skarsgard ebenfalls Serien ausgezeichnet, die von Frauen handeln, die sich gegen Unterdrückung und Missbrauch wehren müssen. Wie noch nie zuvor zieht sich der Frauentrend dabei durch sämtliche Preiskategorien: Sowohl in der Komödiensektion siegte in der Filmsparte Greta Gerwigs weibliches Coming-of-Age-Drama „Lady Bird“ und ihre jugendliche Hauptdarstellerin Saoirse Ronan, und in der TV-Sektion das Amazon-Prime-Drama „The Marvelous Mrs. Maisel“ und deren „wehrhafte“ Hausfrau mit Comedian-Ehrgeiz Rachel Brosnahan.
Und obwohl im Fach Regie einmal mehr nur Männer nominiert waren – worauf Natalie Portman in ihrer Präsentation so neutral wie deutlich mit einem „Hier sind die rein männlichen Kandidaten“ hinwies –, so steht doch selbst in Guillermo del Toros Monsterfilm „Shape of Water“ eine Frau, nämlich Sally Hawkins' stumme Putzfrau, im Zentrum.
Solidarisch schwarz
Man schmälert die Bedeutung der Golden Globes gern damit, dass hier eine unbedeutend kleine Gruppe ihren kapriziösen Vorlieben nachgibt. Aber vielleicht gerade deshalb gelang in diesem Jahr eine stimmige Gesamtinszenierung, die Zeichen setzte: etwa dafür, wie das leere Ritual des Roten Teppichs durch den Verzicht auf bedeutungslose Mode-Interviews – die überwältigende Mehrheit der Stars trug solidarisch schwarz – gewinnen könnte.
Dass einige Stars sich von namhaften Aktivistinnen begleiten ließen, verlieh den Lippenbekenntnissen tatsächlich etwas mehr Gewicht. Und Oprah Winfrey, die als erste schwarze Frau in der Geschichte der Globes für ihr Lebenswerk ausgezeichnet wurde, bewies mit ihrer einschlagenden Rede, in der sie alle virulenten Themen von Rassismus über Missbrauch bis zur freien Presse anschaulich, präzis und überzeugend unterbrachte, für alle, die es noch nicht wussten: dass sie ein echtes politisches Talent ist.
Der Moderator der Preisverleihung, Seth Meyers hatte es in seinem ansonsten nur sparsam mit Trump-Witzen ausgestatteten Einleitungsmonolog schon vorweggenommen: Donald hatte er 2011 die Kandidatur öffentlich abgeraten. Dies würde er wegen des einschlägigen Erfolgs nun für Oprah – und ihren potentiellen Vizekandidaten Tom Hanks – genauso tun.
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