piwik no script img

Projekt für barrierefreie ToilettenEin Klo für die Welt

Sitz-Toiletten sind nicht gesund und stellen Menschen aus anderen Kulturen vor Rätsel. Piktogramme und ein Multikulti-Klo sollen helfen.

Sollen Flüchtlingen Klos erklären: Piktogramme in Unterkünften. Foto: Niedersächsisches Landesgesundheitsamt

Hamburg taz | Nicht mit dem Fuß ins Waschbecken, nicht aufs Klo hocken, sondern richtig darauf setzen: Das niedersächsische Landesgesundheitsamt hat eine Serie von Piktogrammen zur Nutzung von Sanitäranlagen veröffentlicht, die bundesweit allen Gesundheitsämtern für den Einsatz in Flüchtlingsunterkünften zur Verfügung stehen.

„Das war ein längerer Prozess. Wir haben das mit einem Grafiker aus Hannover entwickelt“, berichtet Sprecher Holger Scharlach. Man überlege nun, wie die Bilder auf andere Punkte ausgeweitet werden können, „zum Beispiel Krankheitsfragen“.

Die Bildchen beschreiben Missverständnisse, von denen auch Toilettenhersteller Peter Fliegenschmidt zu berichten weiß: So hätten manche Flüchtlinge „einfach nicht“ gewusst, „wie sie Toiletten benutzen sollen“.

In weiten Teilen der Welt sei es üblich, das sprichwörtliche Geschäft im Hocken zu verrichten und sich anschließend mit Wasser sauber zu machen. „Das ist gar nicht abwegig“, sagt der Unternehmer. „Wir kämen ja auch nicht auf die Idee, unser Gesicht mit Papier zu waschen“.

Seine Firma mit Sitz in Sachsen-Anhalt stellt mobile Toiletten her, die Mietfirmen in Notunterkünften aufstellen. Manche Nutzer hockten sich vor oder auf die Toilette und wüssten nicht, wie sie diese sauber machen können. Die Piktogramme von Amts wegen seien schon mal nützlich, lösten aber auch nicht jedes Problem.

Gemeinsam mit Forschern der Technischen Universität Hamburg-Harburg (TUHH) hat Unternehmer Fliegenschmidt deshalb eine neue Toilette entwickelt, die beides ermöglicht: Sitzen und Hocken. Vorbild ist wiederum ein Entwurf der Hamburger Designerin Sabine Schober, die 2012 für ihre „Welt-Toilette“ einen Preis gewann: Links und rechts neben der Spülschüssel sind zwei breite Trittflächen, etwa 20 Zentimeter tiefer liegend als der Sitz. Der Nutzer kann auf die Tritte steigen und hocken – oder er setzt sich auf die Brille.

Nur die Füße haben Kontakt

Die Hock-Position gilt als medizinisch gesünder, weil beim Sitzen schon mal der Darm verklemmt. „Da kommt eine Bewegung aus Amerika“, berichtet Fliegenschmidt. Auch ist es hygienischer, wenn nur die Füße den von vielen Menschen aufgesuchten Ort berühren. Andererseits würden auch andernorts die Menschen immer älter und „wollen lieber sitzen, weil es bequemer ist“.

Seine Firma habe seit Jahren ein „orientalisches Mietklo“ im Angebot, bei dem ein Loch im Boden ist. Das neue Modell sei aber besser, weil treffsicherer. Nächste Woche soll das erste fertig sein. Fliegenschmidt sieht nicht nur Notunterkünfte als Absatzmarkt. Auch auf Baustellen zum Beispiel arbeiteten ja Leute, „die lieber hocken“.

Die Hock-Position gilt als medizinisch gesünder, weil beim Sitzen schon mal der Darm verklemmt

Noch ein Vorteil: Der Sammeltank unter den Tritt-Sitz-Toiletten wird deutlich größer als bei herkömmlichen Mietklos. Im Prinzip sind das Plumpsklos. Gerade dies macht sie für Abwasser-Forscher von der TUHH interessant.

Wissenschaftlich gilt die Spültoilette, mit der Fäkalien ins Abwasser geschwemmt werden, als Fehlentwicklung. Denn bei einer Trockentoilette können Exkremente zu wertvollem Dünger werden. Dank Einsatz von Bakterien, soll das sogar gut riechen.

„In vielen Teilen der Erde macht es keinen Sinn, wertvolles Wasser zum Entsorgen von Fäkalien zu nutzen“, sagt auch Fliegenschmidt. Und die Rohstoffe für Düngemittel seien endlich, aber wichtig für die Welternährung. Mit der TUHH will er deshalb ein Forschungsprojekt starten, bei dem die aus Flüchtlingstoiletten gesammelte Fäkalien zu Humus werden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • So "orientalisch" ist das wohl nicht!

    .

    Oder gehört das südlich, lämdliche Frankreich schon zum Orient!

    .

    Fragt

    Sikasuu

    .

    (Der in vielen Fällen ein "Hockklo" einem Sitzklo vorzieht. Oft gerade auf deutschen Autohahnraststätten und in der Gastronomie:-((

  • Dass Hocken gesünder ist, mag ja stimmen, nur geht es Leuten, die ihr Leben lang nur gesessen haben nicht besser, wenn sie plötzlich mit Hocktoiletten konfrontoert werden, als umgekehrt. Wie es vermeiden, hintüberzukippen und in der eigenen Sch..... zu landen? Wie vermeiden, dass Kleidung irgendwie in Mitleidenschaft gezogen wird? Gewohnheit lässt sich eben auch, was "Geschäfte" angeht, nicht leicht verändern.

    • @Joba:

      Alles eine Frage der Übung. Wenn die Beinmuskulatur erst mal da ist, ist das alles kein Problem. Man kippt schon nicht nach hinten.

       

      Dumm nur wenn es die Kniegelenk nicht mehr mitmachen. Wieder hochzukommen könnte ein größeres Problem sein als die Balance!

       

      ;)