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Programmreform beim NDRSparen wie nie zuvor

Der NDR muss sparen. Lieb gewonnene Sendungen sollen wegfallen. Das wirft viele Fragen auf, die die Hamburgische Bürgerschaft allerdings nicht stellt.

Viele Fragen offen: NDR-Mikrofon Foto: Ole Spata/dpa

Hamburg taz | Das Timing hätte nicht besser sein können – und erwies sich zugleich als fatal. Am Dienstagnachmittag hatte der Bürgerschaftsausschuss für Kultur und Medien den NDR-Intendanten Joachim Knuth und die Direktorin des Landesfunkhauses Sabine Rossbach eingeladen, um sie zu den 300 Millionen Euro schweren Einsparungen beim Sender zu befragen. Dann stellte sich heraus, dass Sachsen-Anhalt die Erhöhung des Rundfunkgebührenbeitrages platzen lässt.

Dem Sparprogramm sollen viele lieb gewonnene Sendungen zum Opfer fallen. Im Fernsehen trifft es Sendungen wie „Inselreportagen“ oder „Lieb und teuer“; das Medienmagazin „Zapp“ und das Auslandsmagazin „Weltbilder“ müssen mit weniger Geld auskommen und es sollen weniger Spielfilme wie der Tatort produziert werden.

Im Radio sollen die Kindersendung „Ohrenbär“ wegfallen und das „Zeitzeichen“, obwohl dieses zu einem großen Teil vom WDR bezahlt wird. Außerdem will der NDR auf Veranstaltungen draußen verzichten wie die „Sommertour“.

Doch der NDR wolle nicht nur sparen, sondern auch umschichten und andere Prioritäten setzen, sagte Knuth. So solle es in Zukunft eine ARD-Infonacht geben, in der aus Lokstedt durchgehend halbstündig Nachrichten gesendet werden. Die Villen, in denen heute noch produziert wird, könnten verkauft werden. Dafür Radio, Fernsehen und Online in einem „Hamburg-Haus“ in Lokstedt zusammengeführt werden.

Nonlinear und zeitsouverän

„Wir müssen ein Angebot für alle Generationen machen“, sagte Knuth, „nonlinear, zeitsouverän“. Es soll mehr Geld in das digitale Angebot fließen. Interessant wäre gewesen zu hören, an welcher Stelle eigentlich in welcher Größenordnung Geld gespart wird, warum der Ohrenbär billiger wird, wenn er ins Netz wandert, oder wer nachts halbstündig sich schon tagsüber ständig wiederholende Nachrichten anhören mag.

Doch die Fragen kamen ein wenig zu kurz: Wegen der Blockade durch CDU und AfD in Sachsen-Anhalt sahen sich die Abgeordneten zunächst einmal veranlasst, Bekenntnisse zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk und dessen Bedeutung für die Demokratie abzugeben. Selbst der AfD-Vertreter Krzysztof Walczak stimmte ein, stellte aber klar: „Wir sind dafür, dass die Rundfunkbeiträge auf freiwilliger Basis bezahlt werden.“

Knuth und Rossbach hatten nur eine gute Stunde Zeit, die zum großen Teil von den Statements aufgefressen wurde. Lediglich Norbert Hackbusch von der Linken stieg mit Fragen ein. „Wieso braucht der NDR ein besonderes Kürzungsprogramm im Gegensatz zu allen anderen ARD-Anstalten?“, wollte er wissen. Zuvor hatte Intendant Knuth eingeräumt: „Das ist das größte Kürzungspaket in der Geschichte des Hauses.“

Sparvorgaben

300 Millionen Euro muss der NDR von 2020 bis 2024 einsparen. 280 Millionen Euro sind schon gestrichen.

Sollten die 87 Cent monatlicher Erhöhung beim Rundfunkbeitrag wegfallen, müssten weitere 35 Millionen Euro gespart werden.

Dass der NDR besonders viel tun muss, erklärte Knuth unter anderem damit, dass der Sender 60 Millionen Euro mehr ausgegeben habe, als er an Einnahmen hatte. Zudem sei der NDR von der Rundfunkbeitragsbefreiung für Zweitwohnungen mit 35 Millionen Euro überproportional betroffen. Bei seiner Wahl zum Intendanten sei er nur von einem Sparvolumen von 120 bis 140 Millionen für die Jahre 2020 bis 2024 ausgegangen.

Der AfD-Abgeordnete Walczak wollte wissen, ob die Chefetage des NDR selbst zu den Sparbemühungen beitragen wolle. „Wir ziehen einen Verzicht in Erwägung“, sagte Knuth. „Wir werden das kommunizieren, wenn es um die nächste Gehaltserhöhung geht.“ Im Übrigen strebe er eine flache Hierarchie mit weniger hoch bezahlten Stellen an. Mit Blick auf die vielen freien Mitarbeiter beim Sender sagte er, auch bei den Festangestellten würden Stellen gekürzt.

Der SPD-Abgeordnete Hansjörg Schmidt mahnte: „Zum Vollprogramm gehört auch Unterhaltung.“ Der AfDler Walczak monierte, der öffentlich-rechtliche Rundfunk sei nicht neutral, sprich zu links.

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3 Kommentare

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  • Es sieht in der Tat aus, als wollten die Öffentlich-Rechtlichen eher die private Konkurrenz kopieren, als ihrem gesetzlich verankerten Auftrag zu folgen. Allein das Werbeverbot lässt sie noch in gewissem Maß wie eine Alternative zum Dudel-Funk wirken.

    Dabei hat das Bundesverfassungsgericht schon 1987 festgestellt, dass eine Grundversorgung keine Minimalversorgung ist. Wenn allerdings nun auch noch alle 30 Minuten für jeweils 5 Minuten „Nachrichten“ gesendet werden, die wer auch immer nach was auch immer für Kriterien zusammengestellt hat und die mich ob ihrer unterirdischen Qualität regelmäßig zum Abschalten veranlassen, ist für mich selbst die Minimalversorgung nicht mehr gewährleistet.

    Dass die Rundfunkfreiheit als „dienende Freiheit“ zu verstehen ist, die eine „freie und umfassende Meinungsbildung“ garantieren soll, ist jedenfalls aus Nutzersicht kaum noch zu erahnen. Mag ja sein, dass sich der Rundfunkrat (der schon länger nicht mehr die gesamte Gesellschaft abbildet) derzeit mit Ach und Krach noch auf die Wichtigkeit von Sportberichten (vor allem über Fußball) verständigen kann. Aber können Brot und Spiele allein (ggf. ergänzt durch Aufrufe zur Massenimpfung) in einer modernen Demokratie wirklich das Ziel sein? Wäre der Blick über den Tellerrand und/oder in die Tiefe nicht auch wichtig?

    Übrigens: Schon 1994 in seinem 8. von bisher 14 Rundfunk-Urteilen hat das Bundesverfassungsgericht beklagt, das KEF-Verfahren würde gerade keine Staatsunabhängigkeit garantieren. Geändert hat sich seither wenig. Bis heute werden die 16 Mitglieder der KEF von den Ministerpräsidenten der Länder bestimmt. Nach welchen Gesichtspunkten auch immer.

    Und: Obwohl nicht zuständig für Sendeinhalte weist die KEF alle Jahre wieder darauf hin, dass der Sport mit Abstand die höchsten Kosten verursacht (z.B. 27,7 % bei der ARD 2010). Den Rundfunkrat lässt das offenbar kalt. Er glaubt wohl, Sport wäre per se staatsfern und damit außer Reichweite der Kritiker*innen.

  • Die Rundfunkgebühr wurde vor gar nicht langer Zeit beim Übergang zum Beitrag glatt verdreifacht. Der Fernsehzuschlag war vorher nie Teil der Gebühr und nie Zwang für alle. Und jetzt nimmt man uns ohnehin gebeutelten Rundfunkhörern den Ohrenbär und das Zeitzeichen weg, so ziemlich das einzige, was es nicht auch und nicht in mindestens gleicher Qualität vom privaten Rundfunk gibt? So macht man sich dezidierte Gebührenbeförter, wie ich lange Zeit einer war, zu unversöhnlichen Feinden.

    • @Axel Berger:

      Der Fernsehzuschlag war verbindlich für alle Haushalte, die einen Fernseher hatten.



      Also eigentlich für fast alle.

      Diejenigen Haushalte ohne Fernseher sind vermutlich zahlenmäßig nicht relevant.