Fragwürdige Reform beim NDR: Mit Hashtag in die Zukunft

Der Norddeutsche Rundfunk baut die Hierarchie­ebenen um. Mit­ar­bei­te­r*in­nen fürchten, dass der Journalismus darunter leidet.

Aufnahmetechnik und ein Mikrofon des NDR liegt auf einem blauen Hallenboden

Ist die NDR-Reform inhaltlicher Natur oder geht es um eine Machtverteilung? Foto: Gabor Krieg/imago

One Direction ist eine Boygroup, die zu Beginn der 2010er Jahre erfolgreich war. Zu deren Fans gehören möglicherweise Joachim Knuth, der Intendant des NDR, und seine Pro­gramm­di­rek­to­r*in­nen Frank Beckmann und Katja Marx. Jedenfalls werben die Hierarchen gerade intern mit dem Hashtag #OneDirection für eine von ihnen ausgetüftelte Strukturreform.

Die sieht vor, die Direktionen für Fernsehen und Hörfunk aufzulösen. Künftig soll es nur eine Direktion mit zwei „Geschäftsbereichen“ geben, für deren Zuschnitt nicht der Verbreitungsweg, sondern Programm­inhalte entscheidend sind.

Allerdings wirkt die geplante Aufteilung erratisch: Für Information und damit auch Nachrichten ist demnach die bisherige Hörfunkdirektorin Marx zuständig, für die beim NDR beheimatete Redaktion „ARD-aktuell („Tagesschau“)“ aber der jetzige TV-Direktor Beckmann. Den Bereich Kultur hat sich Marx gesichert, die Zuständigkeit für die Arte-Redaktion im NDR Beckmann. Und die Magazine „Panorama“ und „Panorama 3“ sind bei Marx angesiedelt, während „Panorama – die Reporter“ und „STRG_F“, der „Panorama“-Ableger für das Onlinenetzwerk „funk“, in Beckmanns Reich fallen.

Viele Mitarbeiter haben daher den Eindruck, dass die Reform keiner inhaltlichen Strategie folgt, sondern dass es darum ging, den Machtkuchen so zu verteilen, dass beide Di­rek­to­r*in­nen gleich viele Stücke abbekommen.

NDR ist Nachzügler

Im NDR-Intranet artikuliert nun der Redaktionsausschuss die „Sorgen und Ängste, aber auch die Verärgerung der Kolleg*innen“. Nicht verstehen würden diese etwa, dass die „Panorama“-Familie auseinandergerissen wird. Die sei für einige „Leuchtturmprojekte“ verantwortlich: Für die Berichterstattung zu G20 bekamen „Panorama“, „Panorama 3“ und „Panorama – die Reporter“ 2018 den Grimme-Preis.

Und der Dokumentarfilm „SeaWatch 3“, der 2020 den Grimme-Preis gewann, fußt auf Beiträgen, die vorher unter diversen „Panorama“-Marken liefen. Erfolge, die, so der Redaktionsausschuss, möglich waren, „weil die Verantwortung für Geld und Personal in einer Hand liegen“.

In Sachen crossmediale Direktion ist der NDR ein Nachzügler, andere ARD-Anstalten haben längst eine – mit unterschiedlichen Zuschnitten. NDR-Intendant Knuth sagt: „Crossmedialität ist eine Haltung.“ Manchmal verbrämt das Modewort aber auch inhaltliche Verschlechterungen.

Offenlegung: Der Autor war in beiden Preisjahren Mitglied der zuständigen Grimme-Nominierungskommission.

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