Washingtontaz | Hätten nur die amerikanischen Frauen die Entscheidung in ihren Händen. Dann wäre längst klar, wer am 20. Januar 2017 ins Weiße Haus einzieht. Mit einem historisch einmaligen Vorsprung von 33 Prozent führt hier Hillary Clinton vor Donald Trump. Die Farmer wiederum stehen weitgehend geschlossen hinter Donald Trump.
An Zahlenmaterial mangelt es kaum. Aber wer am Dienstag wirklich als Sieger die Nacht beendet, darauf wollen sich die profiliertesten Analysten nicht festlegen. Die Unwägbarkeit ist das große Kennzeichen der US-Präsidentschaftswahlen 2016. Bei den Wahlen 2008 hatte Nate Silver den Sieger in 49 der 50 Bundesstaaten korrekt vorausgesagt, 2012 gelang ihm das in allen. Seitdem gilt der Statistiker mit seinem Blog FiveThirtyEight als Prophet unter den US-amerikanischen Wahlforschern.
Live-Ticker US-Präsidentschaftswahl
Wir bleiben wach! Die taz begleitet die Präsidentschaftswahl am 8. November ab 22.00 Uhr mit einem Live-Ticker bis in die Morgenstunden.
Am Sonntag hat Nate Silver nun eine 64-prozentige Chance dafür prognostiziert, dass Hillary Clinton die Wahlen gewinnt. 2:1 für Hillary. Das klingt besser, als es ist. Nach einer großen Zahl von Rechenmöglichkeiten, die Silver darlegt, führt Clinton mit knappen 3 Prozent in der Gesamtschau aller Umfragen. Drei Prozentpunkte liegen noch im Bereich der statistischen Fehlertoleranz. Obamas Sieg fiel im Jahr 2012 drei Prozentpunkte höher aus, als die Zahlen vorhergesagt hatten. Und angesichts der vielen Wählerinnen und Wähler, die sich als noch unentschieden bezeichnen, gibt selbst einer wie Nate Silver in diesem Jahr kein eindeutiges Votum ab.
Die Frage ist: Haben mehr US-Amerikaner vor, für Donald Trump zu stimmen, als es die Umfragen widerspiegeln? Zwei Statistikexperten, der Ökonom Stuart Gabriel und der Big-Data-Forscher Seth Stephens-Davidowitz, haben für die New York Times eine zusätzliche Plattform zur Abschätzung des Wahlausgangs ausgewertet: Suchanfragen bei Google. In normalen Zeiten schließen Experten von der reinen Anzahl der Suchanfragen zu einem Kandidaten auf den Sieger der Wahl. Es gewinnt der, den die meisten Leute googeln. „Sie googeln dich, also wählen sie dich“, das Motiv habe bei George W. Bush und den letzten beiden Obama-Wahlen zugetroffen. Ginge es danach, dann stünde es jetzt gerade 2:1 für Donald Trump.
Hispanoamerikanische Community wichtig für Clinton
Die Forscher haben jedoch zwei spezifische Indikatoren ausgemacht, die möglicherweise mehr über den Wahlausgang erzählen können. Das eine ist die Suchanfrage „Wie wähle ich?“ (How to vote). In der Gegend, in der diese Frage häufig gestellt wurde, war in der Vergangenheit auch die Wahlbeteiligung hoch. In den USA ist die Information darüber, wer wählen geht, wichtiger als in Deutschland.
Die Gesellschaft ist sehr in ethnische, kulturelle und soziale Unterschiede gespalten, Parteizuordnungen verlaufen vielfach entlang von Kommunengrenzen. Clinton müsste zwar von der afroamerikanischen Bevölkerung besonders unterstützt werden, doch die Datenforschung sagt hier eine geringe Wahlbeteiligung voraus.
Worst Of Trump – Extended
Am Freitag, 20. Januar, wird Donald Trump als 45. Präsidenten der USA vereidigt. Was soll man dazu sagen? Lassen wir „The Donald“ doch selber reden. Hier ein „Worst Of“ seiner schlimmsten Sprüche.
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Zuletzt boten die „Bild“-Zeitung und die britische „Times“ Trump eine Plattform für seine verbalen Rundumschläge. Dort sagte Trump: „Schauen Sie, ich bin kein Politiker, ich gehe nicht raus und sage: 'Ich werde dies tun, ich werde das tun'. Ich muss tun, was ich tun muss. Wer spielt Karten schon so, dass er jedem zeigt, was er auf der Hand hat, bevor er ausspielt.“
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Trump sagte „Bild“ und „Times“ über Twitter: „Und das Twittern? Ich dachte, ich würde es zurückschrauben, aber die Presse berichtet so unehrlich über mich – so unehrlich –, dass ich mich über Twitter äußere. Und es sind nicht 140 Zeichen, es sind jetzt 140, 280 – ich kann bing, bing, bing machen und mache einfach weiter, und sie veröffentlichen es, sobald ich es twittere.“
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In der US-Fernsehsendung „Saturday Night Live“ verarschte Alec Baldwin vor kurzem Trumps Vorliebe für den schnellen Tweet. Vielleicht auch als Reaktion auf diesen Trump-Post: „Habe gerade versucht Saturday Night Live zu schauen – unguckbar! Total einseitig, nicht lustig und dieser Baldwin-Auftritt könnte nicht schlechter sein. Traurig.“
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Mit ihrer Golden-Globe-Rede erzürnte Meryl Streep den künftigen US-Präsidenten. 2015 war Streep noch eine von Trumps Lieblingsschauspielerinnen, nun tippte er: „Meryl Streep, ist eine der überschätztesten Schauspielerinnen in Hollywood, sie kennt mich nicht, hat mich aber gestern bei den Golden Globes attakiert. Sie ist eine ....“
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Gehen wir weiter zurück in die Vergangenheit und sehen, was der US-Präsident von sich gab. Im Jahr 1987 sagte er beispielsweise: „Ich habe nicht die Absicht, Präsident zu werden.”
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Trump über sich selbst 1980-2017: „Ich bin wirklich reich.“
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„Mein IQ ist einer der höchsten – und ihr alle wisst das! Bitte fühlt euch nicht dumm oder unsicher, es ist nicht eure Schuld.“ (@realDonaldTrump auf Twitter, Mai 2013)
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„Ein Mann wurde in einer Polizeistation in Paris erschossen. Sie haben gerade die höchste Sicherheitsstufe ausgerufen. In Deutschland ist jetzt die Hölle los!“ (Trump glaubt, Paris liegt in Deutschland, Januar 2016)
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„Wenn Mexiko seine Leute schickt, schicken sie nicht ihre besten. Sie schicken nicht dich. Und sie schicken nicht dich. Sie schicken Leute mit vielen Problemen und die bringen ihre Probleme zu uns. Sie bringen Drogen mit. Sie bringen Kriminalität mit. Sie sind Vergewaltiger. Und einige, nehme ich an, sind gute Menschen.“ (Trump im Juni 2015)
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„Die besten Tacos gibt es im Trump Tower Grill. Ich liebe Hispanics!“ (@realDonaldTrump auf Twitter, Mai 2016)
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„Hier im Publikum haben vielleicht einige Tomaten dabei. Wenn ihr jemanden seht, der im Begriff ist, eine Tomate zu werfen, prügelt ihm die Scheiße aus dem Leib. Ernsthaft. Ich versprech's euch, ich zahle für das Anwaltshonorar.“ (Donald Trump ermutigt seine Anhänger auf einer Wahlkampfveranstaltung in Iowa, Gewalt anzuwenden, Februar 2016)
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„Schaut euch diese Hände an, sind das kleine Hände? Und (der republikanische Kontrahent, Anm. d. Red.) Marco Rubio sagte zu meinen Händen: 'Wenn sie klein sind, muss auch etwas anderes klein sein.' Ich garantiere euch, da gibt es kein Problem. Das garantiere ich euch.“ (Donald Trump über seinen Penis, März 2016)
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„Sie fängt an, mir alle möglichen absurden Fragen zu stellen. Da tropfte Blut aus ihren Augen, Blut aus ihrer ... wo auch immer.“ (Trump über Fox-News-Moderatorin Megyn Kelly, August 2015)
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„Wenn du ein Star bist, dann lassen sie dich. Du kannst alles machen. Ihnen an die Muschi fassen. Alles.“ (Donald Trump über Frauen, 2005 auf einer Busfahrt für die Unterhaltungsshow „Access Hollywood“, im Bild: Pussy-Power-Protest vorm „Trump Tower“)
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„Wenn Hillary Clinton nicht ihren Ehemann befriedigen kann, warum glaubt sie dann, sie könne Amerika befriedigen?“ (@realDonaldTrump auf Twitter, 2015, wurde gelöscht)
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„Die einzige Karte, die Hillary Clinton spielen kann, ist die 'Frauenkarte'. Sie hat nichts anderes zu bieten und sicher, wenn Hillary Clinton ein Mann wäre, würde sie nicht mal fünf Prozent der Stimmen bekommen. Sie hat nur die 'Frauenkarte'. Das Schöne ist, Frauen mögen sie nicht.“ (Trump über Hillary Clinton, April 2016)
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„Russland, wenn du zuhörst. Ich hoffe, ihr könnt die 30.000 Mails finden, die noch fehlen. Ich denke, unsere Presse wäre euch extrem dankbar.“ (Trump bittet russische Spionagedienste um Hilfe bei der Suche nach Clinton-Mails, die als „persönlich“ eingestuft werden, Juli 2016)
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„Ich kenne Hillary und ich denke, sie wird eine großartige Präsidentin oder Vizepräsidentin.“ (Donald Trump zur Präsidentschaftswahl 2008)
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„Keine Gruppe in den USA wurde mehr von der Politik Hillary Clintons vernachlässigt als die Afroamerikaner. Keine Gruppe. Wenn es Hillary Clintons Ziel war, der afroamerikanischen Community zu schaden, hat sie einen guten Job gemacht. Ich will die Stimme jedes einzelnen Afroamerikaners in diesem Land, der sich eine bessere Zukunft wünscht.“
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„Faulheit ist ein Wesenzug der Schwarzen.“ (1991)
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„Ich würde Waterboarding wieder einführen, und ich würde zur Hölle noch mal Schlimmeres als Waterboarding wieder einführen.“ (Republikanische Debatte, 2016)
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„Präsident Obama ist der Gründer des IS.“ Den Präsidenten nannte er zudem bei seinem vollen Namen Barack Hussein Obama. (Trump bei einem Wahlkampfauftritt in Florida, August 2016)
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„Ich glaube nicht, dass ich verlieren werde. Aber wenn doch, werdet ihr mich wohl niemals wiedersehen, Leute. Ich denke, ich gehe nach Turnberry (Luxus Golf Club in Schottland) und spiele Golf oder so.“ (Trump über die Wahl im April 2016)
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Die Ablehnung Trumps unter afroamerikanischen Amerikanern motiviert diese Gruppe möglicherweise nicht in demselben Maße zur Wahl wie ein Barack Obama im Weißen Haus. Clinton aber ist angewiesen auf die Koalition einer bunten Gesellschaft.
Auch ein zweiter Faktor deutet auf einen leichten Vorteil für Trump im Vergleich zu den Umfragen hin. Offenkundig spielte in der Vergangenheit eine Rolle, in welcher Reihenfolge Kandidaten in einer Suchanfrage auftauchen. Trump-Unterstützer würden demnach stets „Trump gegen Clinton“ eingeben und vice versa. Gabriel und Stephens-Davidowitz haben für die Wahlen 2008 die entsprechenden Google-Erkenntnisse mit den Zahlen von Nate Silver verglichen.
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In Staaten, in denen der damalige Obama-Gegner Mitt Romney mehr Erstnennungen hatte, schnitt er besser ab als von Nate Silver vorhergesagt. Die Statistiker wagen keine Festlegung, sagen aber, es gebe „eine Reihe von Indikatoren, dass Mister Trump in einigen Staaten besser abschneiden könnte, als es die Umfragen nahelegen“.
Eine Gruppe könnte demnach für Hillary Clinton wahlentscheidend sein: die hispanoamerikanische Community, mehrheitlich eine demokratische Klientel. In Florida, einem der zwischen Clinton und Trump hart umkämpften Bundesstaaten, ist schon der Anteil der Latinos, die früh ihre Stimme abgegeben haben, überproportional hoch gemessen am Bevölkerungsanteil. Und nach Daniel Smith vom Wahlblog electionsmith waren 36 Prozent von ihnen im Jahr 2012 noch gar nicht zur Wahl gegangen.
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