Produkte aus israelischen Siedlungen: Aus Boykott mach „Buy-cott“
Manche Europäer freuen sich über Etiketten, die Aufschluss über in den Siedlungen gefertigte Produkte geben. Sie kaufen diese Waren ganz gezielt.
![Weinflaschen stehen in einem Regal. Weinflaschen stehen in einem Regal.](https://taz.de/picture/795805/14/14747585.jpg)
Die Europäische Union hat am Mittwoch eine Vorschrift verabschiedet, nach der auf den Etiketten von Importwaren aus den von Israel vor 48 Jahren eroberten Gebieten präzise Herkunftsangaben stehen müssen – „Made in Israel“ reicht nicht mehr. Israel sieht sich dadurch diskriminiert.
Die Genfer Konvention verbietet es einer Besatzungsmacht, die eigene Bevölkerung in eroberten Gebieten anzusiedeln und dort Bodenschätze auszubeuten. Nationalreligiöse unter den inzwischen rund 400.000 jüdischen Siedlern im Westjordanland sehen die Palästinensergebiete dagegen als integralen Bestandteil Israels.
Einige von ihnen haben deshalb trotzig und selbstbewusst schon in den vergangenen Jahren begonnen, den genauen Herkunftsort auf ihre Verpackung zu schreiben. Und manche Europäer kaufen sie dann gezielt. Viele machen dafür religiöse Gründe geltend – neben Juden vor allem evangelikale Christen.
Wein aus dem Heiligen Land
Auch für die Erzeuger, die schon von sich aus die Herkunft aus Siedlungen auf ihren Etiketten vermerken, „spielt Religion eine ganz wichtige Rolle“, erklärt Miri Maoz-Ovadija, Sprecherin des Benjamin-Regionalrats, dem 40 israelische Siedlungen im Gebiet um Ramallah angehören. „Da Israel das Heilige Land ist, bedeutet es für diese Leute viel, wenn sie Wein oder Früchte aus Judäa und Samaria genießen.“
Andreas Boldt ist einer von rund tausend europäischen „Partnern“ der Stiftung Lev Haolam (“Herz der Welt“), die die Pakete vertreibt. Arjanne Kloos leitet den niederländischen Zweig, der derzeit hundert Mitglieder zählt. „Das jüdische Volk hat soviel durchgemacht, gerade hier in Europa“, begründet die 31-Jährige ihre Unterstützung der Siedler.
„Herz der Welt“-Gründer Nati Rom führte kürzlich 20 niederländische „Partner“ über die Felder in seinem Wohnort Esch Kodesch, einem Außenposten radikaler Siedler im Norden des Westjordanlands, der auch nach israelischem Recht illegal errichtet wurde. Auf dem Weg zu einer Seifenfabrik den Hügel herunter kamen die Besucher an der palästinensischen Ortschaft Duma vorbei.
Kaum wirtschaftliche Bedeutung
Hier war Ende Juli ein Brandanschlag auf zwei Wohnhäuser verübt worden, dem ein Kleinkind und seine Eltern zum Opfer fielen. Israels Armee und Geheimdienst sind sich sicher, dass die Täter aus den umliegenden Siedlungsaußenposten stammen.
Die Entscheidung der EU, Herkunftsbezeichnungen auf den Siedlerprodukten durchzusetzen, soll angesichts des fortgesetzten Siedlungsausbaus und der nachträglichen Legalisierung „wilder“ Außenposten politischen Druck ausüben. Wirtschaftlich hat sie wenig Bedeutung, weil nur rund zwei Prozent der Exporte in die EU aus den Palästinensergebieten oder von den Golanhöhen stammen. Die Palästinenser begrüßen die neue EU-Vorschrift, fänden ein völliges Importverbot aber angemessener.
Die pro-israelischen Aktivisten dagegen wollen die Etikettierung für ihre Zwecke nutzen. Claudia Schille, „Partner“ von Lev Haolam in Norwegen, die sich ebenfalls als Christin in der Pflicht sieht, freut sich über die Chance, die Siedlerwaren nun leichter zu erkennen. Sie sagt: „Wir machen aus dem Boykott einen Buy-cott“.
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