Pro und Contra Bürgerschaftspöstchen: AfD ins Präsidium der Bürgerschaft?

SPD, Grüne, CDU und Linke haben in Hamburgs Bürgerschaft die Zahl der Vizepräsidenten verringert. Die AfD sieht ihre Rechte beschnitten.

Vier Frauen und zwei Männer hinter einem Tresen vor dem Hamburger Wappen mit zwei Löwen

Noch ohne AfD und in üppiger Besetzung: das Bürgerschaftspräsidium 2015 Foto: Axel Heimken/dpa

Ja, bei der AfD muss gleiches Recht für alle gelten

Sie ist nicht verboten. Die AfD wird nicht einmal vom Verfassungsschutz beob­achtet – das gilt nur für ihren rechtsnationalen „Flügel“. Und solange das nicht der Fall ist, sollten für sie grosso modo die gleichen Regeln gelten wie für die anderen Fraktionen.

Der Verweis auf 1933, den der AfD-Abgeordnete Krzystof Walczak für angebracht hielt, ist zwar geschmacklos – aber von einem „Tiefpunkt der demokratischen Kultur und einer Schande für die Kultur der Bürgerschaft“, wie es der AfD-Abgeordnete Detlef Ehebracht ausdrückte, lässt sich sehr wohl sprechen.

Es ist zu durchsichtig, was SPD, Grüne, CDU und Linke mit ihrem Antrag, die Zahl der Vizepräsidenten von sechs auf vier zu verringern, betrieben haben. Die sechs Posten hätten es bisher ermöglicht, dass in der Praxis jede Fraktion einen Vizepräsidenten stellen konnte. Weil die FDP keine Fraktion mehr stelle, ergebe sich „insoweit ein Anpassungsbedarf“.

Leider scheinen die Antragsteller nicht rechnen zu können: Eine Fraktion weniger würde nach den bisherigen Gepflogenheiten bedeuten, fünf Vizepräsidenten zu wählen. Die Absicht, die AfD draußen zu halten, ist offensichtlich und das ist ein Fehler.

Denn damit setzen sich SPD, Grüne, CDU und Linke dem Vorwurf aus, mit der Geschäftsordnung zu tricksen. Jeder Fraktion einen Präsidiumsposten zuzugestehen, hat tatsächlich etwas mit demokratischer Kultur zu tun. Denn das Präsidium soll die Sitzungen gerecht und unparteiisch leiten und es ist Teil des Ältestenrats, der den Arbeitsplan der Bürgerschaft bespricht. Dass hier alle mitmachen können, ist ein Gebot der Fairness und des Minderheitenschutzes.

Diese Prinzipien aufzugeben, nur weil die Mehrheit mit einer bestimmten Fraktion nicht klarkommt, ist gefährlich. Die Regeln des Parlaments sollten ohne Ansehen der Fraktion oder Person gemacht werden. Es braucht sich nur jeder mal vorzustellen, er wäre selbst die Minderheit. Auszuschließen ist das nicht. Gernot Knödler

Nein, keine Partei wie alle anderen

Es gibt gute Gründe, die AfD ernst zu nehmen. Aber dann eben auch als das, was sie ist – und sie genau deswegen nicht einfach zu behandeln wie irgendeine andere Partei. Die AfD mag Worte wie „bürgerlich“ beanspruchen, sie mag vollmundig behaupten, sie sei die angeblich die bessere Heimstatt für orientierungslose „Konservative“. Beides ist gelogen.

Daran ändert die angekündigte Auflösung der Gruppierung „Flügel“ nichts; auch nicht die demonstrative, aber ebenso durchsichtige Distanzierung des Hamburger Landesverbands von jenem rechten Rand des parteiinternen Spektrums. Ressentiment, Spaltung und scheinbare Antworten, die keine sind: Das ist, was auch Hamburgs AfD ausmacht.

So viel zur moralischen Sichtweise. Strategisch allerdings hat das beinahe ganz breite Bürgerschaftsbündnis am Mittwoch ein Eigentor geschossen: Wer, wenn nicht die AfD, wüsste aus so einer Niederlage politisch Kapital zu schlagen? Wer inszenierte sich berechenbarer als Opfer des bösen Establishments?

SPD und Grüne, CDU und Linke stünden besser da, würden sie sich nicht herumschummeln um eine echte Begründung. Denn dass mit der FDP eine Fraktion nun keine mehr ist, erfordert keine Änderung der Geschäftsordnung. Und dass es andere Landtage auch so (oder so ähnlich) handhaben, wie es sich nun der hiesige auferlegt: Sachzwang sieht anders aus.

Es ist noch nicht lange her, da traten auch schon mal alle Fraktionen außer der AfD zusammen für etwas ein; damals noch mit der FDP. Als sie dem Senat auftrugen, er solle die Synagogen-Pläne der Jüdischen Gemeinde unterstützen, da hatten sie die AfD nicht hinzugebeten, und das war kein Versehen. Auf Nachfrage erklärten da die „Altparteien“, dazu habe schlicht kein Anlass bestanden – nicht mit diesen Leuten.

Bei aller Sympathie für die jüngste antifaschistische Aufwallung: Das wäre auch jetzt der bessere, weil der ehrlichere Weg gewesen – politisch argumentieren, nicht mit Formalkrams. Alexander Diehl

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