Private Investitionen im Straßenbau: Rendite mit der Autobahn
Dem Staat fehlt das Geld für Investitionen in Straßen. Die „Bodewig-II-Kommission“ ebnet dem massiven Einstieg privater Geldgeber den Weg.
Herausgekommen ist ein fast 100 Seiten dickes, inhaltlich aber dünnes Papier. Vor allem der zentralen Frage der künftigen Finanzierung werden nur magere Zeilen gewidmet. Der Bericht ebnet den Weg für einen massiven Einstieg von privaten Kapitalgebern in den Autobahn- und Bundesstraßenbau.
Die Verkehrsinfrastruktur ist an vielen Stellen marode, allein für die Sanierung müssten nach Berechnung der Bodewig-Kommission bis 2030 jährlich 3 Milliarden Euro aufgewandt werden. Hinzu kommt, dass der lange Wunschzettel von Politikern nach neuen Autobahnkilometern dazu geführt hat, dass an vielen Stellen stetig ein bisschen gebuddelt wird, um das Planungsrecht aufrechtzuerhalten. Um die Bauwerke ganz zu vollenden, fehlt das Geld. Viele Baustellen ziehen sich so über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hin. Die Schuldenbremse aber verhindert, dass der Staat die niedrigen Zinsen nutzt und selbst investiert.
Als Lösung schlug die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) eingesetzte Fratzscher-Kommission im vergangenen Frühjahr die Gründung einer zentralen Bundesfernstraßengesellschaft vor. Die Planung und Verwaltung der Straßen, die laut Grundgesetz den Ländern obliegt, sollte auf den Bund übertragen werden. Das Gremium, in dem auch zwei Vertreter der Versicherungswirtschaft und ein Banker saßen, sinnierte auch über einen Ausbau sogenannter Öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP) und einen Fonds für private Anleger.
Kapitalgeber erwarten hohe Renditen
Kritiker sehen genau darin das eigentliche Ziel der geplanten Verwaltungsreform. „Es geht um Autobahnprivatisierung. Versicherungskonzerne haben in der aktuellen Niedrigzinsphase ein Problem. Nun soll ihnen erlaubt werden, dem Staat hochverzinsliche Kredite zu geben“, sagt Carl Waßmuth von „Gemeingut in BürgerInnenhand.“
Zwar enthält der Bericht der Bodewig-II-Kommission den Hinweis, dass private Kapitalgeber hohe Renditen erwarten und privates Kapital maximal zur Finanzierung von Einzelprojekten herangezogen werden sollte. Auch mehrere Landesrechnungshöfe haben bereits die hohen Kosten von ÖPP-Projekten kritisiert. Doch die von der Kommission vorgeschlagene Konstruktion schiebt die Entscheidung darüber dem Bund zu.
Er soll die Rolle des Bauherrn übernehmen und die Straßen bestellen, finanzieren und das Ergebnis kontrollieren. Dafür könne eine „Kapitalsammelstelle“ eingerichtet werden, so der Bericht. Dagegen sollen Straßenverwaltung und Auftragsverantwortung für Neubauten bei den Ländern angesiedelt sein. „Eine Grundgesetzänderung ist hierfür entbehrlich“, so die Schlussfolgerung.
Gegenwärtig ringen die Länder mit der Bundesregierung um die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs. Bereits im Dezember versuchte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vergeblich, die Zusatzgelder für die Länder an die Einrichtung einer Bundesfernstraßengesellschaft zu koppeln. Sollten die Länder heute den Bodewig-II-Vorschlägen zustimmen, würde die Bundesregierung dem eigentlichen Ziel der Verwaltungsreform jedoch näher kommen: Anlagemöglichkeiten für privates Kapital zu schaffen.
Die Länder hoffen offenbar, ihre Finanzierungsprobleme bei den Landes- und Kommunalstraßen dadurch zu lösen, dass der Bund ihnen künftig die Planungskosten für Autobahnen und Bundesstraßen vollständig ersetzt; gegenwärtig müssen sie die zu einem erheblichen Teil selbst stemmen. Entscheidend ist im Bodewig-II-Bericht das, was nicht darin steht und so zur Verhandlungsmasse wird.
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