Private Finanzierung von Infrastruktur: Sorgen mit der Expertenkommission
Verbraucherschützer sind empört über die Mitglieder einer Kommission, die über private Finanzierung von öffentlicher Infrastruktur berät.
BERLIN taz | Versicherungen, Baukonzerne, Kommunalbehörden und Gewerkschaften: Sie alle dürfen derzeit mitreden bei der Frage, auf welche Weise private Investoren künftig an der Finanzierung öffentlicher Infrastruktur beteiligt werden sollen. Seit vergangenen Sommer tagt die von SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel einberufene Expertenkommission, im April soll sie ihren Abschlussbericht vorlegen http://www.taz.de/!155535/(taz berichtete).
Andere wichtige Interessenvertreter wie Verbraucherschützer, der Bund der Steuerzahler oder der Bundesrechnungshof, der öffentlich-private Partnerschaften in der Vergangenheit als finanziell ungünstig beurteilte, seien hingegen nicht vertreten, kritisierte der Vorsitzende des Verbraucherzentrale-Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, am Mittwoch: „Die Kommission treibt uns Sorgenfalten auf die Stirn“, sagte er. Es fehle dort an einer „ausgewogenen Zusammensetzung“ und „kritischem Geist“.
Besonders skeptisch sieht Müller die Beteiligung der Versicherungskonzerne. Zwar begrüßt er mehr Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, „es darf dabei aber keine Vermischung mit den Anlageinteressen der Lebensversicherungen geben“. Aufgrund von deren Renditeerwartungen von mindestens 4,7 Prozent könnte es für die Bürger erheblich teurer werden, fürchtet Müller. Denn der Staat könne sich derzeit fast umsonst verschulden. Bei Investionen von 10 Milliarden Euro bedeute die Finanzierung über Private für die öffentliche Hand deshalb „jährliche Mehrkosten von 450 Millionen Euro.“
Grund für Gabriels Überlegungen ist, dass der Bund sich selbst zu einem ausgeglichenen Haushalt verpflichtet hat und darum zu wenig Geld für die notwendigen Infrastruktur-Investitionen zur Verfügung steht. Deshalb auf erheblich teurere Kredite von privaten Investoren zu setzen, sei aber unsinnig, meint die Verbraucherzentrale. „Die schwarze Null darf nicht konterkariert werden durch hohe Folgekosten in der Zukunft“, sagt Müller. Akzeptabel seien allenfalls Bürgeranleihen, deren Zinsniveau nur wenig über dem Niveau von Staatsanleihen liege und daher die Finanzierungskosten nicht wesentlich erhöhten.
Kritik an den Plänen, private Investoren an der Finanzierung von Infrastrukturprojekten wie Fernstraßen zu beteiligen, äußerte auch der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Klaus Ernst. „Entweder der Steuerzahler oder der Autobahnnutzer wird für diese Kumpanei mit dem großen Geld bluten müssen“, sagte er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei