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Presserat rügt Bild-BerichterstattungSchmusezahmer Raubtier-Teppich

Die Bild betitelte drei Wis­sen­schaft­le­r*in­nen als „Lockdown-Macher“. Nun rügt der Presserat.

Im März bekommt die Bild-Zeitung Post vom Tiger, dem zahnlosen Presserat Foto: Dmitry Feoktistov/imago images

W em ist eigentlich der zahnlose Tiger zuerst eingefallen? Gesehen hat so ein Tier noch niemand, nicht mal als Bettvorleger. Sogar die Teppich-Großkatze, über die Butler James übernächste Woche zu Silvester wieder x-mal stolpern wird, zeigt Gebiss. Trotzdem taucht das merkwürdige Bild vom zahnlosen Tiger in den Medien immer wieder auf. Dort steht es dann neben anderen Floskeln wie dem berühmten Scheideweg, an dem die Nerven gerne mal blank liegen.

Gerade stehen Bild und der Wissenschaftsbetrieb genau an diesem Scheideweg. Das Blatt hat vorletztes Wochenende drei Wis­sen­schaft­le­r*in­nen höchstpersönlich dafür haftbar gemacht, dass in Sachen Corona auch Weihnachten 2021 noch nicht alles wieder plietsch ist. Garniert mit den Fotos der renommierten Fachleute lautete die Schlagzeile „Experten-Trio schenkt uns Frust zum Fest“.

„Immer neue Corona-Regeln, immer neue Strafen“, empörte sich das Blatt, das sonst doch so gerne Sheriff spielt und auf Law and Order pocht. Solche Stimmungsmache ist angesichts wachsender fackelziehender Gewaltbereitschaft fatal. Völlig zu Recht haben diverse Wissenschaftsorganisationen, andere Medienschaffende und viele Po­li­ti­ke­r*in­nen Bild massiv kritisiert.

Und natürlich wurde der Deutsche Presserat eingeschaltet, bei dem sich jedeR über Verstöße gegen den Pressekodex beschweren kann. Liegt ein Verstoß vor, kann der Presserat Rügen aussprechen, die von den betroffenen Medien veröffentlicht werden müssen. Der zuständige Beschwerdeausschuss des Presserats will in seiner nächsten Sitzung über den Fall sprechen. Weil die allerdings erst nächsten März stattfindet, gilt der Presserat jetzt mal wieder als zahnloser Tiger. Zumal Bild ja seine Arbeit regelmäßig unterläuft.

Die Kol­le­g*in­nen von Übermedien, denen der Presserat schon lange zu zahm ist, haben eben wieder darauf hingewiesen. Bild hat einen ganzen Schwung Rügen aus dem Jahr 2020 erst diesen Oktober abgedruckt. Der damit beabsichtigte Effekt ist damit futsch.

Doch nicht der Presserat ist dafür verantwortlich. Das paritätisch aus Verlagschefetagen und Redaktionen besetzte Gremium ist ein ehrenamtliches Selbstkontrollorgan und kein fliegendes Schnellgericht. Der klassische Rechtsweg steht allen Beteiligten offen. Sie sollten ihn nutzen.

„Boah, wie langweilig!“, meint die Mitbewohnerin: „Ob das auch nur eine zahnlose Minka hinterm Ofen vorlockt?“ Vermutlich schon. Denn der lahme Tiger ist in diesem Fall Bild, wo der neue Chefredakteur Johannes Boie nahtlos an die Diffamierungskampagnen seines Vorgängers Julian Reichelt anschließt. Auch wenn sie bei Bild so tun, als ob dort keine Nerven blank liegen. Das war ein sauberes Eigentor. Und nächstes Jahr kommt auch noch Post für den Tiger vom Presserat.

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Steffen Grimberg
Medienjournalist
2000-2012 Medienredakteur der taz, dann Redakteur bei "ZAPP" (NDR), Leiter des Grimme-Preises, 2016/17 Sprecher der ARD-Vorsitzenden Karola Wille, ab 2018 freier Autor, u.a. beim MDR Medienportal MEDIEN360G. Seit Juni 2023 Leitung des KNA-Mediendienst. Schreibt jede Woche die Medienkolumne "Flimmern und rauschen"
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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Ich dachte da eher an Rabenvögel und Sehorgane.



    Der Presserat ist die Selbskontrolle einer Branche, die die Fischbeleidigung hofiert, zitiert, akzeptiert und mit Preisen bedenkt.



    Selbsternannte Qualitätsprodukte geben dem jüngst gefeuerten Grabenkämpfer Raum zur Selbstdarstellung.

    Symbolisches Du-Du des Presserates bleibt folgreichtig ohne Konsequenzen, nicht einmal die Einhaltung der Abdruckselbstverpflichtung wird durchgesetzt.



    Nimmmt irgendwer dieses welke Feigenblättchen noch ernst?

  • "Experten-Trio schenkt uns Frust zum Fest"

    Ob es da --vielleicht-- dunkle, unterirdische Kanäle gibt, die wir nicht sehen? Zwischen den muffig-konservativen Bildianern und den reaktionär-stinkenden, revanchistischen Reichs-Quer-Nicht-Denk-Pepe-The-Froggies...?

    Undenkbar!

    Vielleicht sollten wir Wissenschaftler*Innen auf diese Frage ansetzen. Vielleicht kommt ja was bei raus.

    Vielleicht aber auch nicht.

  • Bild, wenn man das so sagen darf, ist das Zentralorgan der "Impfskeptiker" und "Verschwörungsideologen", insbesondere auch Bild-TV. Jedenfalls behauptet ein mir bekannter "Verschwörungsideologe", dass er die mainstreet-Medien nicht mehr sehen kann (wegen Übelkeit), außer Bild. Dass man außerdem mit ihm nicht mehr vernünftig reden kann, sei nur am Rande erwähnt. Ich mag ihn trotzdem. Auch die Welt tendiert in die gleiche Richtung wie die Bild, nur nicht so scharf. Es ist halt das Döpfner-Imperium und als solches die ideale Vorlage für Verschwörung überhaupt.

    • @shitstormcowboy:

      Die WELT war immer schon der gleichen Richtung, bedient sich nur einer gehobeneren Sprache mit mehr Vokabular und wendet sich an eine gebildetere Leserschaft.

  • Die BILD-"Zeitung" füttert die Querschießer. Ist irgendwie wie 68, nur das der Mob dieses Mal gegen Wissenschaftler und nicht gegen Studenten mobilisiert wird. Mal sehen, wie der Kurras dieses Mal heisst. Warum geht mir gerade das Zitat von Max Liebermann durch den Kopf?

    • @Kaboom:

      Kaboom, an das genau hatte ich auch schon gedacht. Übrigens: wäre BILD ein Mensch, würde man sagen "der hat einen schlechten Charakter". Und er hat sich nie geändert, wird leider viel zu alt und stirbt nicht.