Pressefreiheit in der Türkei: Fragen unerwünscht
Deniz Yücel, Ex-tazler und „Welt“-Korrespondent, steht in der Türkei unter Beschuss. Er hatte Merkel zu der Lage der Menschenrechte im Land befragt.
Der Anlass: Deniz Yücel wagte es, während der gemeinsamen Pressekonferenz von Angela Merkel und dem türkischen Premier Ahmet Davutoğlu am Montagnachmittag eine kritische Frage zu stellen. Unter anderem wollte er völlig zu Recht von Merkel wissen, warum sie von ihrer noch vor gut einem Jahr geäußerten Kritik an mangelnder Meinungsfreiheit und der Lage der Menschenrechte in der Türkei heute nichts mehr wissen wolle und zu dem brutalen Vorgehen von Armee und Polizei gegen die Kurden im Land schweige.
Merkel redete sich heraus. Sie sagte, die Situation im deutsch-türkischen Verhältnis habe sich nun mal geändert. Davutoğlu hingegen griff Yücel an: Das sei ja überhaupt keine Frage, sondern ein politisches Statement. Aber der Umstand, dass Yücel eine solche Frage überhaupt stellen könne, sei doch der Beleg dafür, dass es in der Türkei durchaus Pressefreiheit gebe.
Am Dienstagvormittag legte Davutoğlu in einer Ansprache an seine Fraktion nach. Er gab bekannt, dass Yücel neben der deutschen auch die türkische Staatsbürgerschaft hat. „Dieser Journalist versuchte zu provozieren und Schuldzuweisungen gegen die Türkei zu betreiben. Gut, jeder kann fragen, aber er bekommt dann auch die Antwort, die er verdient.“
Die Antwort ist eine Hetzkampagne der regierungsnahen Medien gegen Yücel. „Schaut mal, wer dieser PKK-Journalist ist, den Davutoğlu so souverän zurechtgewiesen hat“, schrieb Sabah und verwies auf ein Interview, dass Yücel im letzten Jahr mit einem PKK-Führer im Nordirak geführt hatte. Ein anderes Onlineportal nannte ihn einen Religionsfeind, was schon fast einer Drohung gleichkommt.
Türkische Regierung gegen ausländische Korrespondenten
Die Angriffe auf Yücel sind ein weiteres Indiz dafür, dass die türkische Regierung, nachdem die inländische Oppositionspresse nahezu mundtot gemacht wurde, jetzt auch gegen ausländische Korrespondenten schärfer vorgeht. Als Erstes werden dabei Journalisten, die die türkische Staatsbürgerschaft haben und für ausländische Medien arbeiten, angegriffen.
Vor Yücel waren das Selin Girit, Mitarbeiterin der BBC und schon vor längerer Zeit Dilek Zaptçıoğlu, die damals für die Financial Times Deutschland arbeitete. Im letzten Jahr wurde aber auch Hasnain Kazim vom Spiegel in der Regierungspresse attackiert, weil er angeblich Präsident Erdoğan angegriffen habe.
Allerdings bleibt es nicht bei Kampagnen. Erstmals seit mehr als zwanzig Jahren deutete die türkische Regierung in diesem Jahr an, dass man möglicherweise einigen Korrespondenten die Presse-Akkreditierung verweigern könnte.
Die norwegische Kollegin des Aftenposten, die erst im Herbst in die Türkei gekommen war, musste jetzt ausreisen und wird zukünftig von Amman aus über den Nahen Osten berichten. Drei deutsche Journalisten, darunter auch Yücel, warten immer noch auf ihre Akkreditierung, die sie bereits im letzten Jahr beantragt haben.
Deniz Yücel selbst wollte die Kampagne nicht kommentieren. Auf seiner Facebook-Seite schrieb er, dass es vielen Kollegen in der Türkei weit schlimmer ergehe als ihm.
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