piwik no script img

Pressefreiheit in UsbekistanBloggerin auf der Flucht

Der usbekische Präsident Mirziyoyew gilt als Reformer. Doch oppositionelle Stimmen werden verfolgt – wie die von Bloggerin Nafosat Olloschukurowa.

Gilt als Reformer – verfolgt eine Bloggerin, der neue Präsdient Mirziyovev Foto: reuters

Berlin taz | Jedes Jahr verleiht die britische Wochenzeitung The Economist einen Fortschrittspreis namens Improvement Prize. Er geht an ein Land, in dem die meisten positiven Veränderungen zu verzeichnen sind. 2019 fiel die Wahl auf die zen­tralasiatische Republik Usbekistan.

Ein Grund dafür war, dass die Beschäftigung von mehrheitlich Kindern in der Baumwoll­ernte unter sklavenähnlichen Bedingungen endlich abgeschafft wurde. Der usbekischen Bloggerin Nafosat Olloschukurowa muss diese Ehrung zynisch vorkommen. Sie hat sich vor Kurzem in die Ukraine abgesetzt und will jetzt in einem westlichen Land politisches Asyl beantragen.

Unter anderem berichtete sie über eine Demonstration von Frauen gegen Polizeigewalt sowie den einsamen Protest eines Geschäftsmannes, der ein Plakat mit der Aufschrift „Ich fordere meine Rechte!“ hochgehalten hatte. Im vergangenen September wurde die 32-jährige Englischlehrerin und Mutter in ihrer Heimatprovinz Chorezm festgenommen.

Sie hatte auch Nachrichten über den Protestmarsch eines Dichters und Bloggers gepostet. Dieser wurde beschuldigt, Bücher des im Exil lebenden usbekischen Oppositionspolitikers Muhammad Salih ins Land gebracht zu haben. Zunächst wurde Olloschukurowa wegen Vandalismus zu einer zehntägigen Arreststrafe verurteilt. Dort sei sie geschlagen und in den Bauch getreten worden. Zudem habe sie sich vor einer Gruppe männlicher Polizisten ausziehen müssen, und ihr sei mit Vergewaltigung gedroht worden, sagte sie dem Sender Radio Freies Europa.

Im September wurde Nafosat Olloschukurowa in ihrer Heimatprovinz Chorezm festgenommen Screenshot: privat

Olloschukurowa trat aus Protest gegen die brutale Behandlung in einen Hungerstreik. Am 30. September 2019 erging ein Gerichtsbeschluss, wonach sie „mental instabil“ sei und in eine Psychiatrie eingewiesen werden müsse. Dort blieb sie drei Monate und kam dann auf freien Fuß. Auch in dieser Zeit wurde Olloschukurowa mehrfach bedroht.

Sollte sie öffentlich über die Misshandlungen sprechen, werde man dafür sorgen, dass sie wirklich psychisch krank und für immer in der Psychiatrie verschwinden werde, soll ein Polizeioffizier gesagt haben. Präsident Shavkat Mirziyoyew, der seit 2016 im Amt ist, lässt sich im Westen gerne für seinen angeblichen Reformkurs feiern. Der Fall Olloschukurowa zeigt, dass derzeit wenig von seinen Versprechen zu halten ist.

„Mirziyoyew ist ein Pseudoreformer, dessen populistische Schritte die Anzahl der Dissidenten weiter vergrößert“, sagt ein usbekischer Journalist der taz. Auch er wurde mehrfach Opfer von Repressionen und befindet sich derzeit im Ausland. „Olloschukurowa wird nicht der letzte politische Flüchtling sein, der Usbekistan verlässt.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!