Pressefreiheit in Usbekistan: Die Zelle wartet schon

Ein Blogger wird wegen Erpressung und Verleumdung zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Er berichtete über Korruption. Das passt dem Regime nicht.

Portrait des usbekischen Präsidenten Mirsijojew

Präsident Mirsijojew möchte wiedergewählt werden, Berichte über Korruption sind unerwünscht Foto: Valery Sharifulin/ITAR-TASS/imago

BERLIN taz | Die Strafe ist hart: Ein Gericht in der süd-usbekischen Region Surxondaryo hat den Blogger Otabek Sattoriy wegen Erpressung und Verleumndung zu sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte elf Jahre gefordert. Sattoriys Anwalt kündigte an, in Berufung gehen zu wollen.

„Das ist wohl die längste Haftstrafe, die ein Blogger im modernen Usbekistan jemals bekommen hat. Absolut verrückt“, schrieb der bekannte Taschkenter Journalist Nikita Makarenko auf Twitter. Und Nawbahor Imamova, usbekische Reporterin für die Stimme Amerikas, merkte an: „Das System benutzt diesen Fall, um kritische Stimmen zu warnen und zum Schweigen zu bringen. Bedient Euch der Meinungsfreiheit, aber dann wartet eine Zelle auf Euch“, schrieb sie auf Twitter.

Sattoriy war am 30. Januar festgenommen worden. Der 40jährige, der zwischenzeitlich in einem weiteren Verfahren wegen Verleumdung und Verunglimpfung zu einer Geldstrafe von 9,8 Millionen Som (umgerechnet rund 770 Euro) verurteilt wurde, hatte stets davon gesprochen, der Prozess gegen ihn gründe auf „Lügen“.

Diese Behauptung ist alles andere als abwegig. Sattoriy hatte sich vor allem als scharfer Kritiker eines Provinzgouverneurs einen Namen gemacht. Die Gemeinderegierung überziehe Blogger mit fabrizierten Verfahren, er aber werde nicht nachlassen und Korruptionsfällen unter Staatsbediensteten dort auch weiter nachgehen, schrieb er auf seinem Video-Blog Halq Fikiri (Meinung des Volkes).

Sofortige Freilassung

Das kommt ihn jetzt offensichtlich teuer zu stehen. Die US-Nichtregierungsorganisation Committee to Protect Journalists (CPJ) forderte in einer ersten Stellungnahme die sofortige Freilassung von Sattoriy. Allen Journalisten solle ermöglicht werden, frei und ohne Frucht vor Repressionen zu arbeiten.

Die fabrizierten Anschuldigungen gegen den Blogger zeugten von dem Wunsch, lokale Korruptionsskandale zu verschleiern und kritische Stimmen einzuschüchtern, heißt es in einer Mitteilung von Reporter ohne Grenzen (ROG). Angaben der Organisation zufolge seien Anfang April auch gegen zwei Journalisten der unabhängigen Webseite Effect.uz strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet worden. Diese hatten versucht, am Rande des Prozesses gegen Sattoriy mit dem zuständigen Richter zu sprechen. Das wurde als Widerstand gegen einen Behördenvertreter sowie Einmischung in eine laufende Ermittlung gewertet.

Ein anderer Blogger war am 2. April 2021 von Unbekannten entführt, vier Stunden lang festgehalten und geschlagen worden. Die Forderung lautete: Er solle aufhören, über Sattoriys Prozess zu berichten. Auf seinem weltweiten Index für Pressefreiheit führt ROG die zentralasiatische Republik Usbekistan im Jahr 2020 auf dem 157. von 180 Plätzen.

Das repressive Vorgehen gegen sogenannte Bürgerjournalisten dürfte auch mit der Präsidentenwahl im kommenden Oktober zusammenhängen. Amtsinhaber Schawkat Mirsijojew, der den Autokraten Islam Karimow 2016 nach 25jähriger Amtszeit ablöste, tritt wieder an. Und da sind kritische Berichte über Korruptionsaffären von Staatsbediensteten eher unerwünscht.

Image des Reformers

Dazu passen auch Gesetzesänderungen, die laut CPJ die Arbeit von Onlinemedien weiter einschränkten. Nunmehr können Diffamierungen des Präsidenten und Aufrufe zu „Massenunruhen“ mit Haftstrafen geahndet werden. Auch wer Menschen im Netz dazu aufruft, das Gesetz zu verletzen und die öffentliche Ordnung zu bedrohen, macht sich strafbar.

Dabei geriert sich Staatschef Mirsijojew immer noch gerne als Reformer. In der Tat schienen einige Hoffnungen, die mit dem Personalwechsel verbunden waren, anfangs gerechtfertigt zu sein. Einige politische Gefangene wurden entlassen.

Auch bemühte sich Mirsijojew um bessere Beziehungen zu den Nachbarstaaten in der Region und unternahm erste Schritte, das bis dahin total abgeschottete Land auch gegenüber der Außenwelt zu öffnen. Allerdings monierten viele Ak­ti­vis­t*in­nen von Anfang an, die Veränderungen gingen nicht weit genug.

Zumindest was die Presse- und Meinungsfreiheit angeht, haben sie bis jetzt recht behalten. Auch Nadeschda Atajewa, in Europa Präsidentin der Vereinigung für Menschenrechte in Zentralasien, sieht sich nach dem Urteil gegen Sattoriy in ihrer Skepsis bestätigt. „Die Zeit für ein Begräbnis der Justizreformen, die Mirsijojew angekündigt hat, ist bereits gekommen“, fragte sie auf Twitter.

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