Pressefreiheit in Thüringen: Bürgermeister greift Journalisten an
Der parteilose Bürgermeister von Bad Lobenstein Thomas Weigelt attackierte einen Journalisten. Nun wird sein Rücktritt gefordert.
Gefilmt hat das Video Peter Hagen, der für die Ostthüringer Zeitung der Funke-Mediengruppe arbeitet und in der Vergangenheit über die Verbindungen des parteilosen Bürgermeisters in die Reichsbürgerszene berichtete. Nach eigenen Angaben wurde Hagen am Ellenbogen verletzt und ließ sich ambulant im Krankenhaus behandeln, sein Equipment sei beschädigt worden. Die Zeitung verurteilte den Angriff, die Polizei ermittelt wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung.
Direkt nach dem Vorfall am Samstag hat sich bereits Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) geäußert: „So etwas geht gar nicht!“ Die inakzeptable Handlung müsse geahndet werden, forderte Ramelow und drückte seine Solidarität mit dem Journalisten aus. Zugleich verwies er auf einen Vortrag des Tischnachbarn Weigelts, eines Manns, der sich offenbar als „Heinrich XIII. Prinz Reuß“ bezeichnet und in dem Beitrag Reichsbürgerideologie verbreitete.
Mittlerweile forderten Lokal- und Landespolitiker sowie der Journalistenverband DJV den Bürgermeister zum Rücktritt auf. Auch Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und der Ostbeauftragte der Bundesregierung Carsten Schneider (SPD) verurteilten den Angriff.
Weigelt spricht von „Fehde“ gegen ihn
Der DJV verwies darauf, dass der Bürgermeister nicht zum ersten Mal durch demokratiefeindliches Verhalten aufgefallen sei. Derzeit läuft ein Verfahren der Kommunalaufsicht gegen Weigelt aufgrund problematischer Facebook-Äußerungen, wo er im AfD-Sound die „systematische Ausplünderung des deutschen Volkes“ beklagte oder schlicht den Buchstaben Q postete, ein Symbol der verschwörungsideologischen QAnon-Bewegung. Erst Mitte Juli hatte der Bürgermeister nur knapp ein Abwahlverfahren überstanden, das an der Mindestbeteiligung scheiterte.
Zu den kruden Einlassungen des Bürgermeisters passt dessen eigene Sicht auf den Vorfall: In einer Stellungnahme erklärt er, den Journalisten nicht berührt zu haben. Auch wenn das Video den gegenteiligen Eindruck erweckt, behauptet Weigelt, dass der Journalist beim Zurückweichen gegen einen älteren Herrn gestoßen sei, wodurch beide zu Boden gingen. Darüber hinaus sprach er von einer „Fehde“ des Journalisten gegen ihn, der seine „persönliche Abneigung“ in die Berichte einfließen lasse. Zuvor habe der Journalist versucht, auf einen nichtöffentlichen Empfang zu gelangen, und dabei angeblich Weigelts Frau bedroht. Auch die AfD stimmte in die Täter-Opfer-Umkehr ein.
Die Funke-Mediengruppe wies das zurück. Der Reporter habe kritische Fragen gestellt. Das zeigt auch ein weiteres Video, in dem der Journalist den Bürgermeister vorm Empfang fragt, welche Verdienste „Heinrich XIII.“ um die Stadt habe. Statt zu antworten, schmeißt Weigelt den Journalisten raus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen