Pressefreiheit in Spanien: 600 Euro und Kamera weg
In Spanien müssen JournalistInnen Geldstrafen fürchten, wenn sie von Demos berichten. Ändert sich das unter der Linksregierung?
Mit einem Kommuniqué unterstützte die Organisation vergangene Woche Berufsverbände und Journalistengewerkschaften, die mehr Meinungs- und Pressefreiheit sowie eine Reform des staatlichen Radios und Fernsehens verlangen. Auch unter Sánchez, der 2018 ins Amt kam, liefen ihre Forderungen bislang ins Leere.
Ganz oben auf der Liste der Reformwünsche steht die sofortige Abschaffung des „Gesetzes zur Bürgersicherheit“, das die damalige absolute Mehrheit unter dem konservativen Premier Mariano Rajoy vor fünf Jahren im Zuge der Proteste gegen die Eurokrise verabschiedete. KritikerInnen nennen es „Knebelgesetz“, denn es schränkt die Demonstrations- und Meinungsfreiheit erheblich ein. Auf Werbung für spontane Proteste im Internet, die Teilnahme sowie die Verbreitung von Fotos und Videos von Polizeieinsätzen sieht es Bußgelder von bis zu 30.000 Euro vor.
Die Polizei kann diese Bußgelder ohne richterliches Urteil verhängen, was sie in den letzten fünf Jahren regelmäßig getan hat – laut Innenministerium bisher in einem Umfang von knapp vier Millionen Euro. „Gegen zahlreiche Beschäftigte der Medien wurden Bußgelder verhängt“, schreibt Reporter ohne Grenzen. Meist sind es Strafen von 600 Euro, darüber hinaus wird die Film- und Fotoausrüstung beschlagnahmt. Das Gesetz habe „eine Willkür geschaffen, die so in der Europäischen Union ungewohnt ist“, schreibt die Organisation.
Kritik an Verschleppung
No Somos Delito („Wir sind kein Verbrechen) heißt eine spanische Organisation, die sich um die Abschaffung dieses Gesetzes bemüht. „Die beiden Regierungsparteien haben bisher eine völlig ambivalente Haltung an den Tag gelegt“, beschwert sich ihr Vertreter Daniel Fernández. Beide hätten gegenüber der Öffentlichkeit im Wahlkampf versprochen, das Gesetz ersatzlos zu streichen. Jetzt nähmen sie das Vorhaben nicht in Angriff.
„Meine größte Sorge ist, dass sie das Gesetz nur leicht beschönigen“, so Fernández. „Aus reiner Müdigkeit redet kaum noch wer über das Gesetz, aber es wird nach wie vor angewandt“, sagt Alfonso Armada, Sprecher der spanischen Sektion von Reporter ohne Grenzen.
Auch bei der Reform des staatlichen Rundfunks RTVE lassen entscheidende Schritte auf sich warten. Zwar hat das Parlament 2017 noch unter Rajoy und unter Enthaltung der Konservativen beschlossen, die Führungsebene von RTVE künftig mittels öffentlicher Ausschreibung zu besetzen statt mit einfacher Parlamentsmehrheit. Nach dieser neuen Bestimmung müssen sich Bewerber für leitende Posten einem Expertenkomitee vorstellen, bevor die beiden Parlamentskammern das letzte Wort haben. Zwar wurde das Komitee gebildet, 95 Bewerbungen wurden gesichtet und 20 zugelassen. Ausgeschiedene Bewerber legten aber Beschwerde ein. Seither lässt das Parlament die Sache schleifen.
Roberto Mendes ist einer der 20 Personen, die die Vorauswahl überstanden haben. Von der Regierung verlangt der Musikredakteur: „Sie muss sich raushalten und die Souveränität des Parlaments und die Unabhängigkeit der Sendeanstalt respektieren.“ Vor knapp zwei Jahren hat Sánchez mit Rosa María Mateo per Dekret „eine vorübergehende“, weitgehend parteiloyale Verwaltungsrätin für die öffentlich-rechtliche Rundfunkgesellschaft RTVE eingesetzt. Mendes wirft den Volksvertretern der beiden aktuellen Regierungsparteien vor, sich damals darauf beschränkt zu haben, „abzusegnen, was die Regierung vorlegte“. Und seither hat Sánchez keine Eile, etwas am Status quo zu ändern.
Ohnehin macht der aktuelle Ministerpräsident wenig Hoffnung darauf, dass die neue Linksregierung die Pressefreiheit stärken könnte: Immer wieder lässt Sánchez keine Fragen von JournalistInnen zu, oder es werden nur FotografInnen zu Presseerklärungen zugelassen, etwa zur Unterzeichnung des Koalitionsvertrags.
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