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Pressefreiheit in PolenErneuter Schlag gegen freie Medien

Die Regierungspartei PiS knöpft sich ein großes unabhängiges Medienhaus vor. Der Bürgerbeauftragte Adam Bodnar verliert sein Amt.

Der polnische Bürgerrechtsbeauftragte Adam Bodnar Foto: Kacper Pempel/reuters

Warschau taz | Viele JournalistInnen und LeserInnen der Polska Press-Medien hatten ihre letzte Hoffnung in den polnischen Bürgerrechtsbeauftragten Adam Bodnar gesetzt. Sie befürchten, dass der Verkauf von rund 20 Regionaltageszeitungen, Hunderten Lokalwochenblättern und noch mehr Internetportalen an den staatlich kontrollierten Mineralölkonzern PKN Orlen politisch motiviert sein könnte.

Auch Bodnar sah das so und intervenierte vor Gericht gegen die Entscheidung des Amts für Konkurrenz und Verbraucherschutz (UOKiK), das im Februar den Weg frei gemacht hatte für einen der größten Mediendeals in Polens Geschichte. Am 12. April gab das Warschauer Gericht für Konkurrenz und Verbraucherschutz Bodnars Antrag statt und forderte Orlen auf, bis zum endgültigen Urteil auf Änderungen im Verlag zu verzichten.

Am 15. April nahm der Fall eine ganz andere Wendung. Das von der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kontrollierte Verfassungsgericht enthob Bodnar seines Amtes. Ein Passus des Gesetzes sei verfassungswidrig, wonach der Bürgerrechtsbeauftragte auch nach dem Ende seiner regulären Amtszeit bis zur Ernennung eines Nachfolgers seine Funktion auszuüben hat.

Bodnars fünfjährige Amtszeit endete im September 2020. Da sich aber die beiden Kammern des Parlaments, Sejm und Senat, auf keinen Kandidaten einigen konnten, blieb der Juraprofessor im Amt. Als Bürger- und Menschenrechtler ist er aber einer der schärfsten Kri­ti­ke­r*in­nen der PiS und ihrer oft minderheiten-, frauen- und ausländerfeindlichen Politik.

Umbau nach dem Geschmack der PiS

Innerhalb von drei Monaten soll das Parlament nicht etwa endlich einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin finden, sondern ein Gesetz verabschieden, das es erlauben würde, einen kommissarischen Bürgerrechtsbeauftragen zu ernennen. Da dieser kein „richtiger“ Bürgerrechtsbeauftragter wäre, hätte er „wesentlich weniger Kompetenzen“, erläuterte ein PiS-Abgeordneter nach dem Urteil.

Ob der Sejm, das Abgeordnetenhaus, Bodnar mit einem Blitzgesetz die Kompetenzen beschneiden wird, ist offen. Sicher ist aber, dass der Kommissar, der ihm nachfolgen wird, die meisten Gerichtsinterven­tio­nen Bodnars zugunsten der Po­l*in­nen zurückziehen wird. Darunter wäre dann auch die Beschwerde Bodnars gegen den Verkauf der Polska Press-Medien an PKN Orlen.

Daniel Obajtek, Orlen-Chef und PiS-Mitglied, scheint davon auszugehen, dass die Intervention Bodnars gegen den Verkauf bislang unabhängiger Medien an einen von der PiS-Regierung kontrollierten Konzern keine rechtlichen Folgen haben wird. „Die einstweilige Anordnung des Gerichts ist gegenstandslos“, kommentierte er auf Twitter. „Der Anteilskauf an Polska Press wurde am 1. März erfolgreich abgeschlossen.“ Sie habe daher weder Einfluss auf die Aktivitäten von PKN Orlen noch auf die Endgültigkeit des Erwerbs den Medienhauses Polska Press.

Dass Richter im Normalfall ihre Urteile nach einer Tat sprechen, in diesem Fall nach der Entscheidung des Amts für Konkurrenz und Verbraucherschutz und der Anzeige Bodnars, scheint unerheblich.

Nur mit eigenen Medien kann Polen seine Freiheit verteidigen

Jarosław Kaczyński, PiS-Chef

Obajtek hat Rückendeckung von Jarosław Kaczyński, PiS-Chef und Vizepremier. Den Kauf des Medienhauses von den Deutschen hatte der 2020 als „beste Nachricht der letzten Jahre“ gefeiert. „Wir müssen eigene Medien haben.“ Nur so könne Polen seine Freiheit und Souveränität verteidigen. Der Umbau des Verlagshauses im PiS-Sinne hat begonnen: An die Stelle von Pawel Fafara, Chefredakteur aller Re­gio­nal­blät­ter, ist Dorota Kania getreten – eine Frontfrau des PiS-Journalismus.

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1 Kommentar

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  • Inzwischen dürfte klar sein, dass die Polen - genau wie die Ungarn - nicht etwa die sowjetische / russische "Umarmung" beenden wollten, um frei zu sein, sondern um selbst einen totalitären Staat aufzubauen. Da sieht man mal wieder, wie unfassbar naiv "der Westen" war.