Pressefreiheit in Palästinensergebieten: Autonomiebehörde erlässt Sendeverbot für Al-Jazeera
Dem katarischen Sender Al Jazeera wird Verbreitung von „Falschinformationen und Hetze“ vorgeworfen. Auch Israel hat schon ein Sendeverbot erlassen.

Die Autonomiebehörde von Palästinenserpräsident Mahmud Abbas begründete den Schritt demnach mit der Verbreitung von „aufrührerischen Inhalten und Berichten, die durch Falschinformationen, Aufwiegelung, Hetze und Einmischung in die inneren Angelegenheiten Palästinas gekennzeichnet sind“.
Zudem sei beschlossen worden, „alle Aktivitäten des Senders und seines Büros in Palästina einzufrieren“, berichtete Wafa weiter. Der Schritt sei erfolgt, nachdem der Sender auf dem Ausstrahlen der als „aufrührerisch“ eingestuften Inhalte und Berichte „beharrt“ habe.
Das Verbot umfasst demnach auch den vorübergehenden Stopp der Arbeit „aller Journalisten, Mitarbeiter, Crews und angeschlossenen Kanäle, bis ihr rechtlicher Status geklärt ist, da Al Jazeera gegen die in Palästina geltenden Gesetze und Vorschriften verstößt“.
Ein von der Nachrichtenagentur AFP kontaktierter Al-Jazeera-Mitarbeiter bestätigte, dass das Büro des Senders in Ramallah am Mittwoch eine Aussetzungsanordnung erhalten habe. Auf später von Al-Jazeera ausgestrahlten Aufnahmen war zu sehen, wie palästinensische Sicherheitsbeamte das Büro des Senders in Ramallah betreten und die Anordnungen übergeben. Der Sender äußerte sich jedoch zunächst nicht dazu.
Die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas und die mit ihr verbündete militante Palästinensergruppe Islamischer Dschihad verurteilten den Schritt scharf. Die Hamas forderte die Regierung im Westjordanland auf, die Entscheidung „unverzüglich rückgängig zu machen“.
Spannungen nach Bericht über Jenin
Die Spannungen zwischen Al Jazeera und der säkularen Fatah-Partei von Abbas hatten in den vergangenen Wochen zugenommen, nachdem der Sender mit Sitz in Doha über gewaltsame Zusammenstöße zwischen palästinensischen Sicherheitskräften und bewaffneten Palästinensern in Jenin berichtet hatte.
Anfang Dezember war es in der als Hochburg der islamistischen Hamas und weiterer radikaler Palästinensergruppen geltenden Flüchtlingssiedlung zu heftigen Schusswechseln zwischen militanten Palästinensern und palästinensischen Sicherheitskräften gekommen, nachdem Fahrzeuge der Palästinensischen Autonomiebehörde gestohlen worden waren. Bei den gewaltsamen Auseinandersetzungen wurden elf Menschen getötet, unter ihnen auch Sicherheitskräfte.
Al Jazeera hatte kurz darauf angegeben, dass bei der Berichterstattung „über die tragischen Ereignisse in Jenin alle Stimmen“ zu Wort gekommen seien. Der Sender verurteilte damals eine „Aufwiegelungskampagne“ gegen seine Berichterstattung seitens der Fatah.
Sendeverbot auch in Israel
Auch in Israel besteht gegen Al Jazeera inzwischen ein Sendeverbot. Ermöglicht worden war dies durch ein im April beschlossenes Gesetz, das das Verbot ausländischer Medien vorsieht, die als schädlich für die Sicherheit Israels angesehen werden. Israels Kommunikationsminister Schlomo Karhi hatte den Sender als „ein Sprachrohr des Terrorismus im Dienste der Hamas“ bezeichnet. Der Sender weist die Anschuldigungen zurück.
Israel befindet sich seit 14 Monaten im Krieg mit der im Gazastreifen herrschenden Hamas. Den Krieg hatten die Hamas und mit ihr verbündete militante Palästinensergruppen, darunter der Islamische Dschihad, am 7. Oktober 2023 mit einem Großangriff auf Israel ausgelöst. Dabei wurden nach israelischen Angaben 1208 Menschen getötet. 251 Menschen wurden als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. 96 der Geiseln sind demnach noch immer in der Gewalt der Hamas. 34 von ihnen wurden von Israel offiziell für tot erklärt.
Israel geht seit dem Hamas-Überfall massiv militärisch im Gazastreifen vor. Dabei wurden nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bislang mehr als 45.500 Menschen getötet. Die Angaben können nicht unabhängig überprüft werden.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?