Pressefreiheit in Österreich: Die Blockierer im Amt
Die rechte Regierung Österreichs erschwert die Arbeit von investigativen Journalisten – durch professionelle Inszenierung und „Message Control“.
Die Vorwürfe gegen mehrere Beamte, mit denen die Aktion gerechtfertigt wurde, erwiesen sich bald als heiße Luft – aus der Razzia ist längst eine Staatsaffäre geworden. Mitarbeiter des Verfassungsschutzes werden mittlerweile überwacht, die Verantwortlichen verstricken sich in Lügen und Halbwahrheiten. Kaum verwunderlich, dass diese Geschichte Stoff für Journalisten bietet.
Die Regierungsparteien FPÖ und ÖVP arbeitet daran, Journalisten ihre Arbeit erheblich zu erschweren. Das Nachrichtenmagazin profil hatte Ende Juni berichtet, dass Kickl in einem Aktenvermerk dem Generalsekretär des Innenministeriums den Auftrag gegeben haben soll, „das BMI aufzuräumen“, weil das Ministerium „korrupt wie nie“ sei. Der Verdacht, der schon lange besteht und durch die profil-Recherche erhärtet wurde: Kickl versucht unliebsame Ministeriumsmitarbeiter loszuwerden und das Haus auf Linie zu bringen.
Kickl widersprach der Recherche, im Gespräch mit der Report-Redakteurin Susanne Schnabl ging der Innenminister zum Gegenangriff auf Medien über, die „irgendwelche Dingen, die als geheim eingestuft sind“, an die Öffentlichkeit brächten. Konkret griff er einen profil-Redakteur an, gegen den offenbar geheimdienstlich ermittelt wurde: „Ja, das muss man nur vielleicht einmal irgendwo auch dazusagen, um auch den Menschen zu erklären, dass auch Medien teilweise hier sozusagen im Fokus des Interesses stehen, ja. Dann wird das eine oder andere klarer.“
Klar wurde, dass Kickl ein Problem mit der Presse, speziell mit dem investigativen Journalismus hat. Christian Rainer, Chefredakteur des profil, hält es für möglich, dass der Innenminister demnächst Hausdurchsuchungen in Redaktionen anordnen werde. Auch andere Chefredakteure hätten aus dem Innenministerium Warnungen gehört. Entsprechend scharf antworten die Chefredakteure des Landes in ihren Zeitungen.
Vorgefertigte Erklärungen
Rainer Nowak von der konservativen Tageszeitung Die Presse, die der Regierung sonst eher freundlich gegenübersteht, will den Anfängen wehren: „Eine Hausdurchsuchung in einer Redaktion oder Ermittlungen gegen investigative Journalisten würden wir niemals akzeptieren. Das ist Österreich“, schrieb er. Esther Mitterstieler vom Magazin News stellt sich die Frage, „ob wir jetzt ernsthaft Zuständen wie in Polen oder Ungarn entgegengehen. Also ob Politiker entscheiden, was in die Öffentlichkeit gehört und was nicht.“
Standard-Chefredakteur Martin Kotynek ging auf den Vorwurf ein, durch Veröffentlichung geheimer Akten würde „Verunsicherung betrieben“: „Was der Minister als „Verunsicherung“ bezeichnet, nennen Journalisten gemeinhin Aufklärung. Bald werden diese Erkenntnisse einen Untersuchungsausschuss des Parlaments beschäftigen – wie es in einer Demokratie üblich ist.“
Seit die rechte Regierung an der Macht ist, stehen Medien verstärkt unter Druck. Im Stiftungsrat, dem Kontrollgremium des öffentlich-rechtlichen ORF, haben FPÖ und ÖVP bereits eine große Mehrheit und wollen den Sender umbauen. Zuletzt gab es eine Maulkorb-Verordnung, mit der ORF-Redakteuren politische Äußerungen in den sozialen Medien verboten werden sollte. Die Regierung unterscheidet sich von ihren Vorgängern durch professionelle Inszenierung und strikte „Message Control“. Den Medien werden vorgefertigte Erklärungen serviert, von unangenehmen Entscheidungen lenkt man ab.
Bundeskanzler Kurz, der sonst seinen Koalitionspartner eher in Schutz nimmt, hat sich mittlerweile gegen die Drohungen von Kickl ausgesprochen: „Jede Form der Unterdrückung oder Einschüchterung von Journalisten und deren Tätigkeit ist scharf zu verurteilen und zu unterbinden.“ Kickl allerdings hat darauf bis heute nicht reagiert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste