Preiserhöhung beim Deutschlandticket: Investiert in die Verkehrswende!
Das Deutschlandticket wird teurer. Statt 49 Euro kostet es bald 58 Euro. Dabei gäbe es so viele bessere Wege, das Ticket weiterhin zu finanzieren.
N eun Euro mehr im Monat. Das sind doch nur drei Cappucino im Café, in Großstädten eher zweieinhalb. Oder sechs Packungen Sandwichtoast. Oder rund zehn Kilo Karotten, im Angebot. Darauf kann man schon mal verzichten, und sich dann freuen, dass man die neun Euro zusätzlich ins Deutschlandticket stecken darf. Denn, yay!, immerhin gibt es das jetzt ein ganzes Jahr länger, bis Ende 2025.
Liebe Landesverkehrsminister:innen, lieber Bundesverkehrsminister Volker Wissing, habt ihr euch das so vorgestellt? Oder habt ihr gar nicht erst überlegt, was neun Euro bedeuten könnten, als ihr den Preis für das Deutschlandticket auf 58 Euro im Monat erhöht habt? Aktuell kostet es monatlich 49 Euro. Der neue Preis gilt ab Januar 2025. Gut, ein paar der Nutzer:innen werden vielleicht kündigen, gestand euer Kollege aus Nordrhein-Westfalen, Oliver Krischer ein. Aber bei den meisten ist er optimistisch, dass die das Ticket behalten. Und dann soll so viel Geld zusammenkommen, dass die Verkehrsbetriebe ihre Verluste ausgleichen können.
ÖPNV-Betreiber mussten mehr für Energie, Infrastruktur und Personal zahlen. Gleichzeitig spülten die Fahrgäste weniger Geld in die Kassen, weil sie statt teurer Monats- oder Einzeltickets eben das verhältnismäßig günstige Deutschlandticket kauften. Ihr habt früh klar gemacht, dass ihr die Verluste nicht ausgleichen wollt. Also sollen es die Kund:innen richten.
Ihr feiert das Deutschlandticket als Erfolg. Zu Recht – es wird im Durchschnitt von immerhin 11 Millionen Menschen genutzt. Und eine Studie der Fraunhofer-Allianz Verkehr ergab, dass bei Strecken, die durch das Deutschlandticket zusätzlich gefahren wurden, mehr als die Hälfte der befragten Personen angab, sie wären ohne Ticket mit dem Auto gefahren.
Eine Preiserhöhung sei alternativlos
Wenn die klimafreundliche Verkehrswende gelingen soll, müssen die Menschen öfter ihr Auto stehen lassen. Nice also, dass das Deutschlandticket dabei helfen kann. Wirklich nice wäre jetzt noch, liebe Verkehrsminister:innen, wenn ihr bereit wäret, mehr in die Verkehrswende zu investieren. Und nicht nur davon auszugehen, dass die Kund:innen mehr zahlen.
Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.
Einige von euch argumentierten, die Verbraucherpreise seien generell gestiegen. Kein Wunder also, dass auch das Deutschlandticket teurer wird. Es sei alternativlos, dass Menschen mal eben neun Euro mehr im Monat zahlen. Doch zugleich wollt ihr nicht tiefer in die eigene Tasche greifen, um das Deutschlandticket zu finanzieren. Da hängt doch was schief.
Kreative Vorschläge für sozial gerechtere Konzepte lagen auf eurem Tisch: Familienabos, Jahresabos oder Sozialtickets könnten mehr Leute fürs Deutschlandticket begeistern. Ob das die Verluste der Verkehrsunternehmen hätte ausgleichen können – man weiß es nicht! Nur: Wie viele Kund:innen durch eure Preiserhöhung verloren gehen, das weiß man eben auch noch nicht. Da wäre es doch einen Versuch wert gewesen, sozial gerechtere Angebote auf den Markt zu bringen. Stattdessen habt ihr euch entschieden, den Kund:innen mehr Geld abzuzwacken und zu hoffen, dass die Rechnung aufgeht.
Im Jahr 2025 fehlt den Bus- und Bahnunternehmen beim Deutschlandticket voraussichtlich 1 Milliarde Euro. Eine Milliarde, das ist nur rund ein Achtel dessen, was euch durch das Dieselprivileg entgeht. Oder gut ein Siebtel des Betrags, den ihr mit einer Kerosinsteuer einnehmen könntet (im Flugzeug reisen eher Reiche als Arme). Oder das, was der Ausbau der A 5 bei Frankfurt am Main auf zehn Spuren kosten soll. Und da wollt ihr uns wirklich erzählen, dass eine Preiserhöhung beim Deutschlandticket alternativlos sei?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen