Preisabsprachen für Pestizide: Agrarkartell gegen Bauern

Großgenossenschaften haben zu hohe Preise für Pestizide durchgesetzt. Gezahlt haben ausgerechnet die Bauern, denen diese Unternehmen gehören.

Ein roter Traktor mit großen Auslegern fährt über einen Kartoffelacker

Wie viel er wohl bezahlt hat? Landwirt spritzt Ackergift auf ein Kartoffelfeld Foto: Thoams Warnack/dpa

BERLIN taz | Große Agrargenossenschaften haben ein Kartell gegen ihre eigenen Kapitalgeber gebildet und von Bauern überhöhte Preise für Pestizide kassiert. Wegen verbotener Preisabsprachen verhing das Bundeskartellamt nun Bußgelder in Höhe von fast 155 Millionen Euro gegen sieben Pflanzenschutzmittel-Großhändler und deren Verantwortliche. „Unsere Ermittlungen haben gezeigt, dass die Unternehmen seit dem Jahr 1998 bis zum Zeitpunkt unserer Durchsuchung im März 2015 jeweils im Frühjahr und Herbst ihre Preislisten für Pflanzenschutzmittel miteinander abgestimmt haben“, berichtete Kartellamtspräsident Andreas Mundt am Montag. Dies habe weitgehend einheitliche Preislisten für Einzelhändler und Endkunden zur Folge gehabt.

Besonders pikant an dem Fall ist, dass vor allem Unternehmen aus dem genossenschaftlichen Bereich betroffen sind, allen voran Deutschlands größter Agrarhändler, BayWa. Er gehört größtenteils Tochterunternehmen von Genossenschaften, deren Mitglieder Landwirte sind. Das gilt auch für den Konkurrenten Agravis Raiffeisen. Dieses Unternehmen hatte bereits mitgeteilt, eine Geldbuße der Wettbewerbshüter in Höhe von fast 44 Millionen Euro akzeptiert zu haben.

BayWa akzeptierte nach eigenen Angaben eine Geldbuße in Höhe von fast 69 Millionen Euro. Die BayWa erklärte, „dass die Kunden im Zusammenhang mit diesem Verfahren keinen wirtschaftlichen Schaden gehabt haben.“ Aber das Ziel von Kartellen ist ja gerade, dass Kunden – in diesem Fall Landwirte – höhere Preise zahlen als unter ordnungsgemäßen Bedingungen.

„Die Händler haben sich auf Kosten der Bauern bereichert“, sagte Ulrich Jasper, Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der taz. „Das sollten die Bauern sich nicht gefallen lassen.“ Sein Verband überlege, ob er mit einer Rechtsanwaltskanzlei zusammenarbeiten soll, die Schadenersatzklagen für Landwirte einreichen könnte.

Bauernaktivisten kritisieren Genossenschaften

Genossenschaften gelten oft als eine sozialere und demokratischere Unternehmensform, weil jeder Anteilseigner bei Entscheidungen nur eine Stimme haben darf. Doch der aktuelle Fall zeigt Jasper zufolge: „Große Genossenschaften agieren wie normale Unternehmen. Die verfolgen nicht die wirtschaftlichen Interessen der Bauern, sondern ihre eigenen als Unternehmen“, sagt der Aktivist. „Bei örtlichen Genossenschaften ist das immer noch anders.“ Aber wenn die Firmen so groß sind, dass Mitarbeiter und Genossen nicht mehr regelmäßig persönlich Kontakt hätten, „verselbständigen sich die einzelnen wirtschaftlichen Interessen“.

Dieses Problem sieht Jasper auch bei großen Molkereien. Branchenführer ist das Deutsche Milchkontor, das letztendlich Bauern gehört. Dennoch zahlt das Unternehmen seinen Landwirten regelmäßig einen der niedrigsten Preise für Rohmilch, so dass die Höfe ihre Kosten nicht decken können. Das Bundeskartellamt stellte in einer Untersuchung fest, dass Molkerei-Genossenschaften ihre Mitglieder im Preis mindestens genauso hart drückten wie Konkurrenten mit anderen Unternehmensformen.

Im Verfahren zum Pestizidkartell wurden nun weitere Bußgelder gegen die Unternehmen Agro Agrargroßhandel, BSL Betriebsmittel Service Logistik, die Getreide AG, die Raiffeisen Waren GmbH, Kassel, und die ZG Raiffeisen eG, Karlsruhe, ausgesprochen. Die Beiselen GmbH profitierte von der Kronzeugenregelung. Ihr wurde das Bußgeld erlassen. Gegen zwei weitere Unternehmen werde noch ermittelt, berichtete die Behörde.

In der Anfangszeit des Kartells trafen sich die Unternehmen nach den Ermittlungen des Kartellamts mehrmals im Jahr, um sich auf Listenpreise zu verständigen. In den späteren Jahren sei die Abstimmung dann überwiegend schriftlich und telefonisch erfolgt. Die vier führenden Großhändler im Markt hätten dabei die Vorabstimmung der Kalkulation übernommen. Erst die Durchsuchungen des Bundeskartellamts im März 2015 hätten die kartellrechtswidrigen Praktiken beendet.

Die Bußgelder sind noch nicht rechtskräftig. Die betroffenen Unternehmen und ihre Verantwortlichen können dagegen Einspruch beim Oberlandesgericht Düsseldorf einlegen. Die größten Firmen haben jedoch schon öffentlich davon Abstand genommen. Sechs hätten bereits gestanden, teilte die Behörde mit. Die ZG Raiffeisen dagegen kündigte an, Widerspruch einzulegen, „da man eine andere Rechtsauffassung als das Bundeskartellamt vertritt.“ (mit dpa)

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