Preis von Vanilleeis: Luxus in der Waffel
Vom hohen Vanillepreis sind auch Eisdielen betroffen. Besonders solche, die natürliche Zutaten nutzen. Müssen wir jetzt mehr fürs Eis bezahlen?
Dutzende eishungrige Menschen stehen dieser Tage vor der Eisdiele Fräulein Frost in Berlin-Neukölln. Sie gehört zu den beliebtesten Sommeranlaufstellen im gentrifizierten Kiez. Ihr Versprechen: natürliche Zutaten und exklusive Sorten. Ziegenmilch-Erdbeere und Käsekuchen-Keks etwa. Für diese ausgefallenen Kreationen sind die Kunden bereit, mehr zu zahlen.
Doch nicht nur diese Eiskreationen sind teurer als Zitrone oder Schokolade. Zu Saisonbeginn wurde auch der Einheitspreis für das Vanilleeis aufgehoben. Auch der Klassiker kostet jetzt mehr: 1,50 Euro statt 1,20 Euro pro Kugel. Für Eiskaffee oder Eisschokolade und das Spaghettieis verwendet die Eisdiele nur noch auf ausdrücklichen Wunsch das teurere Vanilleeis. Standardmäßg bekommt man jetzt Fior di Latte, ein Milcheis, das nur wenig Vanille enthält.
„Die hohen Vanillepreise sind für uns als Eisdiele fatal“, sagt Inhaberin Charlotte Pauly. Für ein Kilo Vanilleschoten aus Madagaskar zahle sie diesen Sommer zwischen 400 und 600 Euro – im letzten Jahr seien es noch 240 Euro gewesen, bei Eisdieleneröffnung 2009 nur 75 Euro. „Vanille ist inzwischen ein echtes Luxusgut geworden“, sagt Pauly. Pro Saison benötige sie etwa zwölf Kilo Vanille. „Das entspricht einem kleinen Vermögen.“
Wird Vanilleeis auch in anderen Eisdielen teurer? „Insbesondere Eisdielen, die sich auf die Fahne schreiben, ausschließlich natürliche Zutaten zu verwenden, sind von der enormen Preissteigerung betroffen“, sagt Alexander Friebel von Friebel Eisbedarf. Er beliefere 500 Eisdielen in Berlin und Umgebung mit Vanilleprodukten – „sowohl Gourmet-Eisdielen, als auch Softeisstände auf dem Rummel.“ Durch die Preissteigerung würden Vanilleschoten jetzt insgesamt seltener gekauft, sagt Friebel. Viele Eisdielen verwendeten stattdessen günstiges Aroma. Dort heiße das Eis dann auch nicht mehr Vanilleeis, sondern „Eis mit Vanillegeschmack“.
Preiserhöhung – oder die Kunden wählen lassen?
Für einige Eisdielen kommt eine Umstellung auf Aromen aber nicht infrage. Christian Günzel von der Eismanufaktur Berlin will bei echter Vanille bleiben. Schon im vergangenen Jahr hat er sich mit Vanilleschoten eingedeckt. Unfair fände er es, unterschiedliche Preise für Eissorten zu verlangen. Er hat eine andere Strategie: Günzel will künftig zwei Sorten Vanilleeis anbieten. Eine günstigere aus Mexiko wird er testen und Kunden dann zwischen Madagaskar- und Mexikovanille entscheiden lassen.
Die Pressesprecherin des italienischen Eisdielenverbandes Uniteis hält die Preisdifferenz zwischen Vanilleeis und anderen Sorten für eine Randerscheinung. Preisschwankungen bei Zutaten seien normal, erklärt Annalisa Carnio. Viele Eisdielen setzen deshalb auf eine Mischkalkulation. Oder sie erhöhten die Preise insgesamt, wie der Eisladen Hamburg. Weil viele Zutaten teurer würden, hat die Eisdiele die Preise in diesem Sommer gleich für alle Sorten um 10 Cent erhöht – von 1,10 Euro auf 1,20 Euro. „Auch Preise für Biomilch und andere hochwertige Rohstoffe wie Zucker steigen“, sagt Inhaberin Julia Frevel.
Adriano Colle vom Eiscafé Venezia in Kempten im Allgäu hält unterschiedliche Preise für Quatsch. Er legt viel Wert auf hochwertige Zutaten und wurde mit der Sorte „Gewürze des Orients“ 2014 Deutscher Eismeister. „Würde ich anfangen, manche Kugeln teurer zu machen, müsste ich fast für alle 140 Sorten verschiedene Preise einführen“, sagt er.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Abschiebung erstmal verhindert
Pflegeheim muss doch nicht schließen
Künstler Mike Spike Froidl über Punk
„Das Ziellose, das ist doch Punk“
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Negativity Bias im Journalismus
Ist es wirklich so schlimm?