Präsidentschaftswahl in Kasachstan: Nicht alles beim Alten

Die Wiederwahl des kasachischen Staatschefs Tokajew verlief absolut erwartbar. Doch innen- wie außenpolitisch steht er vor zahlreichen Herausforderungen.

Ein Mann mit weißem Haar und Anzug

Er schon wieder. Kasachstans alter, neuer Präsident Kassim Jomart Tokajew hat viel zu händeln Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

„Neues Kasachstan“ – so nennt Staatschef Kassim-Schomart Tokajew sein ambitioniertes Reformpaket. Doch an der vorgezogenen Präsidentenwahl vom Sonntag war rein gar nichts neu, vielmehr erinnerte die Abstimmung an finsterste Zeiten unter dem autokratischen Langzeitherrscher Nursultan Nasarbajew. Der stand stets schon vorher als sicherer Sieger fest – genauso wie jetzt Tokajew. Die fünf sogenannten Ge­gen­kan­di­da­t*in­nen waren reine Staffage und in der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannt. Von einem Wahlkampf konnte, mangels einer wirklichen Alternative, keine Rede sein. Dass Tokajew solche Veranstaltungen offensichtlich für Zeitverschwendung hält, zeigte die einzige TV-Debatte der Kandidat*innen: Tokajew glänzte durch Abwesenheit und schickte an seiner statt einen Vertreter aus der zweiten Reihe.

Flankiert wurde der Wahlprozess durch Festnahmen dutzender Ak­ti­vis­t*in­nen sowie Druck auf unabhängige Wahlbeobachter*innen. Schließlich wurde am Montagmorgen offiziell vermeldet, dass der Präsident nach vorläufigen Daten mit 81,3 Prozent wiedergewählt worden sei.

Alles beim Alten also? Mitnichten. Für Tokajew, der sich zwar mit einer vermeintlich neuen Legitimität ausgestattet sieht und nach einer Verfassungsänderung bis 2029 im Amt bleiben kann, wird es alles andere als gemütlich. Denn der alte neue Präsident muss liefern.

Eine Inflation bei Lebensmittelpreisen von 20 Prozent und Erschütterungen der heimischen Wirtschaft auch infolge von Russlands Krieg gegen die Ukraine zwingen immer mehr Ka­sa­ch*in­nen in einen Kampf ums tägliche Überleben. Ein paar kosmetische Korrekturen, wie die angekündigte Erhöhung von Mindestlöhnen und Renten, werden da wohl nicht ausreichen. Schließlich war es eine Erhöhung der Benzinpreise, an der sich im vergangenen Januar gewalttätige Massenproteste mit 238 Toten entzündet hatten.

Aber auch außenpolitisch sieht sich Tokajew mit neuen Herausforderungen konfrontiert – allem voran im Verhältnis zu Russland. Seit dem Beginn des Ukrainekriegs versucht Kasachstan zwar weiter eine neutrale Position einzunehmen, erkennt aber die von Russland im Osten der Ukraine besetzten Gebiete nicht an. Auf derartige Absetzbewegungen antwortete Moskau mehrmals mit einer kurzfristigen Sperrung der Kaspischen Pipeline (CPC), über die ein Großteil kasachischen Öls nach Europa fließt. Das macht die Suche für Kasachstan nach anderen Partnern, wie China und die Europäische Union, dringlicher denn je. Keine Frage: Tokajew steht ein Balanceakt in verschiedene Richtungen bevor. Einfach werden dürfte der nicht.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.