Präsidentschaftswahl im Iran: Fällt die Tür wieder zu?
Präsident Rohani steht unter Beschuss der konservativen Kleriker und Hardliner. Er will die Wahl gewinnen – doch die Wirtschaft schwächelt.
Im Vordergrund steht die wirtschaftliche Situation des Landes: Rohani hatte bei seinem Amtsantritt vor vier Jahren einen Aufschwung versprochen, doch nun sind viele Iraner tief enttäuscht: Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, mangelnde gesundheitliche Versorgung und Umweltverschmutzung gehören nach wie vor zu den akuten Problemen des Landes.
Dabei hatte das Ende des Atomstreits und der Abschluss eines Abkommens – mit den ständigen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats plus Deutschland – 2015 in der Bevölkerung große Hoffnungen geweckt, dass sich ihr Leben deutlich bessern würde. Damals wurden Rohani und sein Außenminister Mohammed Dschawad Sarif als Helden gefeiert.
Dass der ersehnte Aufschwung dann jedoch ausblieb, hatte mehrere Gründe: So waren nach dem Abkommen zwar einige wichtige Sanktionen wie der Ölboykott aufgehoben worden. Andere internationale Strafmaßnahmen aber – wegen Verletzung der Menschenrechte im Iran und der Unterstützung des Terrorismus – sind weiterhin in Kraft.
Verhinderter Aufschwung
Sie behindern nach wie vor die Geschäfte mit dem Iran. Ausländische Unternehmen und Banken, vor allem jene, die auch in den USA aktiv sind, befürchten bei Geschäften mit der Islamischen Republik von den Amerikanern sanktioniert zu werden. Der US-Präsident hat das Atomabkommen, das unter seinem Vorgänger zustande kam, als das „schlechteste aller Zeiten“ bezeichnet. Bislang haben es die USA – anders als Trump es im Wahlkampf immer wieder propagiert hat – nicht aufgekündigt. Stattdessen gab Washington jetzt am Mittwoch bekannt, dass die seit 2015 erfolgten Erleichterungen für Geschäfte mit iranischen Firmen weiterbestehen. Zugleich verhängte Washington jedoch andere Sanktionen wegen des iranischen Raketenprogramms.
Aber nicht nur solche Strafmaßnahmen, sondern auch hausgemachte Probleme, behindern einen wirtschaftlichen Aufschwung: Das Rechtssystem und die Privatwirtschaft sind zu schwach, die staatliche Einflussnahme bleibt zu stark. Zu alledem kommen der Klientelismus und weit verbreitete Korruption.
Gegen diese Schwachpunkte richten sich die Pfeile der Hardliner und Konservativen. Kein Geringerer als der Revolutionsführer Ali Chamenei erklärte kürzlich, die Regierung habe zwar einige Schritte unternommen, aber das Volk sei unzufrieden – und: „ich auch“.
Der Kandidat der Konservativen, Ebrahim Raisi, sprach von sechs Millionen Slumbewohnern, deren elendes Dasein eine Schande für die Islamische Republik sei. Die Regierung kümmere sich nicht um soziale Gerechtigkeit. Es müsse dringend etwas getan werden.
Zum Gegenangriff übergegangen
Rohani nennt das Schwarzmalerei. Er hat lange Zeit versucht, die Anwürfe staatsmännisch zu ignorieren. Inzwischen ist er aber zum Gegenangriff übergegangen. Er beschuldigte seine Gegner, jahrzehntelang Schrecken verbreitet zu haben: „Die Ära der Gewalt und des Extremismus ist ein für allemal vorbei“, sagte er. „Die Iraner sollen erneut verkünden, dass sie nicht jene billigen, die seit 38 Jahren für Hinrichtungen und Gefängnis eintreten. Wir gehen in diese Wahl, um jenen, die Gewalt und Extremismus predigen, zu sagen, dass ihre Ära vorbei ist.“ Die Jugend wolle das alles nicht mehr, sie habe sich für die Freiheit entschieden.
Rohani sprach auch von Bürgerrechten und Gleichberechtigung und warnt vor einen Rückfall in weit zurückliegende Zeiten: „Sie wollten sogar auf den Bürgersteigen Mauern bauen, um die Geschlechter zu trennen“, warf er seinen Gegnern in einer TV-Debatte vor. Zum Teheraner Bürgermeister Mohammad Bagher Ghalibaf, der inzwischen seine Kandidatur zurückgezogen hat, sagte er: „Sie waren es doch, der in den Stadträten eine Geschlechtertrennung vornehmen wollte.“ Er sei es auch gewesen, der damit geprahlt habe, protestierende Studenten innerhalb von zwei Stunden „plattmachen“ zu können.
Hassan Rohani
Außenpolitisch beschuldigen Rohanis Gegner ihn, mit seiner Politik der Öffnung nach außen die hart erkämpfte Unabhängigkeit des Landes aufs Spiel zu setzen. Manche nennen den Präsidenten gar einen „Mann der Amerikaner“.
Anstatt die „Widerstandswirtschaft“ zu stärken, kritisierten sie, setze er seine Hoffnung auf Unterstützung von außen. Dieser Kurs sei nicht nur ökonomisch und politisch falsch, er leiste auch der kulturellen Einflussnahme des Westens Vorschub. Es werde eine ideologische Unterwanderung stattfinden und damit ein „samtener Regimewechsel“.
Rohani konterte: Seine Gegner wollten „zu alten Zeiten zurückkehren. Ohne Freiheit kann man keinen Fortschritt erzielen.“ Jetzt liege es an den Bürgern, mit ihrer Stimme dafür zu sorgen, dass der Weg der Öffnung fortgesetzt werde, sonst drohe eine erneute Isolation.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Prozess gegen Letzte Generation
Wie die Hoffnung auf Klimaschutz stirbt
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner