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Präsidentenwahl in den USA„Wir werden ihn los!“

Seit Samstag läuft auch in New York die Präsidentenwahl. Schon am ersten Tag stehen dort vor allem Leute an, die Trump aus tiefstem Herzen ablehnen.

Stehen Schlange, um zu wählen: Susan McHenry, Jona Inniss, Angela Howard (v.l.n.r.) Foto: taz / Dorothea Hahn

New York taz | Jona Inniss, Angela Howard und Susan McHenry haben vier Jahre auf diese Gelegenheit gewartet. Nach zwei Stunden in der Warteschlange ist der Eingang zum Brooklyn-Museum mit dem Wahllokal in Sichtweite gerückt, und ihre Vorfreude steigt. „Wir schaffen es“, frohlockt Jona Inniss, „wir wählen ihn ab“.

Mit 19 ist sie die jüngste der drei Frauen. Als Donald Trump sein Amt antrat, war sie noch in der Schule. Seither hatte sie gegen seine Politik demonstriert. Aber dies ist ihre erste Gelegenheit, ihre Meinung an der Urne kundzutun. Sie trägt einen Sticker mit der Aufschrift „No Malarkey“ – kein Quatsch. Das irisch-amerikanische Slangwort gehört zum Repertoire von Joe Biden. Er hat es auch bei seinen beiden tumultuarischen Fernsehdebatten mit Trump benutzt.

Es ist der erste Tag der Vorab-Stimmabgabe bei den Präsidentschaftswahlen im Bundesstaat New York. Die frühe Stimmabgabe, die in New York zehn Tage vor dem eigentlich Wahltermin beginnt, soll das Gedränge in den Wahllokalen am 3. November entzerren und bietet eine zusätzliche Alternative zur Briefwahl.

Vor allem „Risikogruppen“ waren als Frühwähler:innen erwartet worden, Menschen, für die eine Ansteckung mit dem Virus lebensbedrohlich sein könnte. Aber an diesem Samstag strömen in der größten Stadt des Landes mehrheitlich junge Leute zu den 88 Wahllokalen quer durch New York. Unter ihnen sind besonders viele „POC“ – braune und schwarze US-AmerikanerInnen.

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„Vote“ – Wählt! – steht auf Masken von Wartenden. Sie reden von „staatsbürgerlicher Pflicht“, von der „Macht des Volkes“ und von „Veränderung“. Manche sitzen auf Campingstühlen, die sie alle paar Minuten ein paar Schritte näher zum Wahllokal schieben. Alle tragen Masken (das ist Pflicht im Wahllokal), und alle versuchen, die sechs Fuß Sicherheitsabstand einzuhalten.

Auf halber Strecke der Schlange bietet eine Gruppe gratis Getränke und Snacks an. Der gewählte Ombudsmann der Stadt, Jumaane Williams, preist das frühe Wählen als eine Garantie, dass die Stimme „ins System kommt und schon am Wahltag mitgezählt wird“.

Die Briefwahl ist riskanter. Erstens ist die Post personell unterbesetzt. Zweitens führt Trump eine Kampagne gegen die Briefwahl, von der er behauptet, sie sei eine Einladung zur Wahlfälschung. Und drittens zählen die meisten Bundesstaaten die Briefwahlstimmen erst nach allen anderen Stimmen. Vielerorts wird das dazu führen, dass die Ergebnisse der Briefwahl erst Tage nach der Abstimmung am 3. November bekannt werden.

Die einen halben Kilometer lange Schlange vor dem Brooklyn Museum ist eine Demonstration gegen Trump. Auf T-Shirts steht „Black Lives Matter“. Auf manchen prangt auch das Bild von Bidens Vizepräsidentschaftskandidatin Kamala Harris. New Yorker:innen kannten den Immobilienspekulanten Trump, seine Türme, seinen Rassismus und seine Eitelkeit schon lange vor seiner Wahl ins Weiße Haus. Aber nie waren sie so motiviert gegen ihn.

Am Broadway sind viele arbeitslos

Ariel Samara hat in den zurückliegenden Jahren oft befürchtet, dass Trump noch einmal gewinnen könnte. Das änderte sich mit der ersten Fernsehdebatte, bei der er eineinhalb Stunden lang vor Millionen Fernsehzuschauer:innen gepöbelt, beleidigt und die Wahrheit verdreht hat. Seither ist sie „hoffnungsvoll“, dass Biden gewinnt.

Jill und Ira Mont sind Bühnenarbeiter:innen vom Broadway. Sie gehören zu den mehr als 30 Millionen Menschen in den USA, die in der Pandemie ihre Jobs verloren haben. Sie sind seit Monaten arbeitslos. Seit Ende Juli haben sie auch die staatliche Hilfe zum Arbeitslosengeld verloren. Weil Trump in der Virus-Krise versagt hat, sind sie zuversichtlich, dass Biden und Harris es schaffen werden. Die Monts glauben sogar, dass die Demokrat:innen die Mehrheit im Senat zurückerobern können.

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Ein Wahlhelfer kommt zum hinteren Ende der Schlange vor dem Brooklyn Museum. Er lädt die ältesten Wartenden ein, mit ihm nach vorn zu kommen, und er informiert die anderen, dass nur jene, die den Eingang bis 16 Uhr erreichen, an diesem Tag wählen können. „Kommt an einem anderen Tag wieder“, rät er. Aber niemand geht. Und am Ende können alle ihre Stimme abgeben.

Ähnliche Szenen gibt es an diesem Samstag in allen fünf New Yorker Bezirken. Die Wahlhelfer waren auf Andrang vorbereitet. Aber niemand hat am ersten Tag weit über 90.000 FrühwählerInnen in New York City erwartet. Sehr viele von ihnen haben vier oder fünf Stunden angestanden.

Der Tod George Floyds hat sie aufgerüttelt

Landesweit haben in den USA bis zum Sonntag bereits über 57 Millionen Menschen gewählt. Wenn dieser Trend bis zum 3. November anhält, wird diese Präsidentschaftswahl die höchste Wahlbeteiligung seit mehr als einem Jahrhundert erreichen.

Erstwählerin Jona Inniss ist schon seit 2016, als die Älteren ihr Trump vorgesetzt haben, politisch aktiv. Aber dieses Jahr hat das Engagement der Afroamerikanerin noch intensiviert. Ein Auslöser dafür war der Tod von George Floyd unter einem Polizistenknie in Minneapolis. Ein anderer die Wählerunterdrückung quer durch die republikanisch kontrollierten Südstaaten. In der Warteschlange, in der sie mit ihrer Mutter, Angela Howard, in der Reihe steht und sich mit Susan McHenry ins Gespräch vertieft hat, versichert sie: „Wir werden ihn los“.

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15 Kommentare

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  • Wir wissen über die USA und ihre Menschen und jeweiligen geografisch unterschiedlich ausgeprägten Lebensumstände viel zu wenig, um uns nur annähernd ein verlässliches Bild über die jeweiligen Aussichten der Kandidaten machen zu können.



    Es wird zwar vielfach aus Städten berichtet, aber Berichte aus der ländlichen Provinz sind dünn gesät.



    Mich würde bspw. interessieren, was Landwirte von Trump bisher an Unterstützung bekommen haben und / oder was sie zukünftig von ihm erwarten (Fleischbetriebe aber auch reine Ackerbauern). Immerhin sollte man die "Ernährer" der USA nicht aus den Augen verlieren.



    Auch was die Bevölkerung in strukturschwachen Gebieten so über die Politik denkt, fände ich interessant. Welches sind denn überhaupt die strukturschwachen Gebiete, mal abgesehen vom rust belt (Karte?)?

    • @Alfonso el Sabio:

      Oder spielt das bei der m.E. sonst so in den USA herrschenden Irrationalität und Unaufgeklärtheit gegenüber den Medien gar keine Rolle, weil wir das als Randeffekt einschätzen?

  • Man sollte aber auch ein bedenken, Trump bisher in kein anderes Land einmarschiert ist. Obama in Libyen, Bush im Irak. Jimmy Carter war glaube ich der letzte vorher. Davor dann Herbert Hoover.

    • @Prokyon:

      Man kann Konflikte nicht nur durch ein "Einmarschieren" herbeiführen oder anheizen, sondern auch durch ein Unterlassen, ein Im-Stich-Lassen, Streuen von irritienden bzw. widersprüchlichen Aussagen, fehlendem diplomatischem Gespür oder Aufkündigen von langjährigen bzw. aufwändig erreichten internationalen Vereinbarungen.



      Und bei diesen Negativ-Charakteristika fällt mir kein US-Präsident, der Trump da das Wasser reichen könnte!

  • Zitat: „Wir werden ihn los“

    Nichts gegen pfeifen im Walde, aber sicher ist das noch keineswegs.

    Wenn in New York eine Mehrheit aller Leute gegen Trump votiert, nützt das noch niemandem etwas. Es gibt immerhin 56 Bundesstaaten. Und das US-amerikanische Wahlsystem sorgt dafür, dass jede (fehlende) Stimme zählt. Wenn also alle Leute, die sich für progressiv halten, ihr Glück in New York oder anderen großen Hochburgen der Demokraten suchen, wird Trump garantiert wieder Präsident. Einfach deswegen, weil alle, denen er mit seinen verbalen Ausfällen aus der gedätschten Seele spricht, „daheim“ wählen. Und zwar den Mann ihres Bauches, nicht den ihres Gehirns.

    Wenn Bühnenarbeiter:innen vom Broadway nun „zu den mehr als 30 Millionen Menschen in den USA [gehören], die in der Pandemie ihre Jobs verloren haben“, begreifen sie offenbar noch nicht, wie sich ein Autobauer gefühlt hat, als er vor Jahren in Detroit auf die Straße gesetzt wurde. Da hin, wo er seither darauf wartet, dass einer wie Trump, der angeblich „Wirtschaft kann“ und gegen „das Establishment“ keift, ihm einen neuen Job vorbei bringt. Auch, was es für gerade neu Eingestellte heißt, wenn ihm mit Verweis auf die (von Trump und Co. verharmloste) Pandemie erneut der Boden unter den Füßen wegbringt, raffen sie scheinbar nicht. Sieht aus, als wären (auch) viele vermeintlich demokratische Amerikaner:innen jeden Geschlechts, jeder Hautfarbe und jeder sozialen Herkunft in einer Krise vor allem sich selber die Nächsten. Solidarität üben sie, wenn überhaupt, ausschließlich mit Leuten, die ihre Ansichten teilen. Identität schlägt offenbar Bewusstsein. Angst essen Seele auf.

    Schade, finde ich. Für die Betroffenen als Individuen und auch für die USA als Nation. Von der Idee von Freiheit und Demokratie ganz zu schweigen.

  • Ich weiß nicht, ob Biden der bessere US-Präsi für Europa wäre, aber wenigstens hoffe ich, dass sich in der Kommunikation einiges verbessern könnte. Gewonnen hat er jedenfalls noch nicht.

  • Die einen halben Kilometer lange Schlange vor .... einem Wahllokal!...



    ... steht im krassen WIDERSPRUCH zu dem was die "U-SA" bzw. deren Politiker immer wieder behaupten zu sein:



    Ein demokratischet Staat!



    In welchem hochentwickltem Land dieser Welt muss man/Frau bei vorgezogener Stimmabgabe, bei Briefwahl & am Wahltag mehrere Stunden warten um Wählen zu gehe!



    Brummt Sikasuu

    • @Sikasuu:

      Jo, (eigentlich unfassbar)



      Und dabei dürfte NY noch die weitaus beste Wahl-Infrastruktur haben.



      Ehrlich vor dem Hintergrund liebe ich Deutschland, wo wir in jedem Kuhdorf zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen ein Wahllokal organisiert kriegen. Wo der Wahlablauf für wirklich jede Stimmabgabe und wo auch die Auszählung der Stimmen öffentlich und von /Jedermensch/ kontrollierbar sind.

  • Er wird nicht gehen! Sobald die Stimmen soweit ausgezählt, dass es so aussieht als hätte er gewonnen, wird er die weitere Auszählung stoppen. Soviel ich gelesen habe kann er das!



    Dann wird man auf eine ein Parteien Regierung setzen und die Dems weil kommunistisch verbieten. Trump auf Lebenszeit!



    Gute Nacht Welt

    • @Jakob Cohen:

      Na ja, nun lassen sie mal nicht ihre Phantasie mit sich durchgehen.

      Wenn er verliert, geht er, wenn er gewinnt bleibt er.

    • @Jakob Cohen:

      Der Beitrag wurde entfernt.



      Die Moderation

  • Ich glaube nicht, dass Trump geht, selbst wenn er verliert nicht. In dem Augenblick wo er zum ersten Mal mitbekommt dass er vorne liegen könnte wird er die Auszählung der restlichen Stimmen verbieten.



    Dann wird es schnell gehen. Ich denke die Reps werden eine Diktatur aufbauen, die sie dann Demokratie nennen. Die Dems als Kommunisten darstellen und verbieten. Pressefreiheit gibt es nicht mehr. Trump President auf Lebenszeit.



    Der Traum der Reps wird wahr.



    Der Rest der Welt kann zusehen wie die Rassenzrenung wieder eingeführt wird etc



    Zu schwarz gemalt?



    Abwarten,ich traue Tramp u den Reps alles zu,nnur michts gutes oder demokratisches

    • @Jakob Cohen:

      Das ist vielleicht Stoff für einen B-Movie aus Hollywood, aber nicht für die Realität.

    • @Jakob Cohen:

      Ich teile Ihren Pessimismus in dieser Hinsicht nicht. Erstens, weil Trump auch das Militär dermaßen vergrätzt hat, dass es im Falle eines Coups gegen ihn vorgehen würde. Zweitens, weil das Trump-Lager schier zu inkompetent ist, um einen erfolgreichen Putsch durchzuführen.

      Trotzdem gibt es keinen Grund für Optimismus. Tatsache ist, dass die gut 40% der Wähler, die noch fest hinter Trump stehen so ideologsch verblendet und hirngewaschen sind - oder eben handfeste autoritäre Rassisten - dass man davon ausgehen muss, dass sie in vier oder acht Jahren auch einem genuinen Faschisten amerikanischer Prägung hinterherlaufen werden wie jetzt dem narzisstisch gestörten Hanswurst mit seiner handvoll Showbusiness-Tricks. Nicht nur wenn Trump jetzt gewinnt ist die amerikanische Demokratie tot, der Kadaver stinkt längst zum Himmel.

      • @hessebub:

        Hier übrigens eine genaue Analyse, wie Trump 2016 "gewonnen" hat: durch extrem selektive und auf Schlüsseldemographien zurechtgeschnittene Propaganda, mit dem Ziel, diese Gruppen zu überzeugen, dass "Wählen nichts bringt" und dass er und Clinton "gleichschlimm" sind:



        www.mcclatchydc.co...icle246429000.html

        Um das Maß übervoll zu machen: diese Gruppen - unterprivilegierte PoC - sind diejenigen, für die Trumps Regierungszeit regelrecht mörderische Konsequenzen hatte. Nicht genug, dass Rassistencops und faschistische Vigilanten sie als Freiwild behandeln konnten, ohne große Konsequenzen fürchten zu müssen - Kushner hat Trump im Frühling dargelegt, dass diese Gruppen von Covid-19 am stärksten betroffen sein dürften, und daraufhin sabotierte Trump jeden Versuch, die Pandemie einzudämmen, nach besten Kräften.

        Ach ja: UNBEDINGT Borat 2 anschauen! Aber bitte keinen lustigen Film erwarten. Er ist einfach nur bitter. Der (Anti)Abtreibungsberater - es ist wie das Klischee, nur noch schlimmer. Und Rudy Giuliani ist ein pädophiler Lurch.