Postenvergabe in der EU: Von wegen Frauenquote
Das Ziel Ursula von der Leyens, die Männerdomäne EU-Kommission zu knacken, könnte verfehlt werden. Die Regierungen spielen nicht mit.
„Wir sind die Hälfte der Bevölkerung“, erklärte die CDU-Politikerin bei ihrer Bewerbungsrede im Europaparlament. „Wir wollen unseren gerechten Anteil.“ Um ihr Ziel zu erreichen, hat sie die EU-Staaten aufgefordert, nicht nur je einen Mann für die neue Kommission zu nominieren, sondern einen Mann und eine Frau. Doch kurz vor Toresschluss zeigt sich: Die Regierungen spielen nicht mit.
Nur Portugal und Rumänien haben, wie erbeten, zwei Anwärter für das Team von der Leyen nominiert. Alle anderen legten sich auf einen Kandidaten fest – und die Männer sind immer noch in der Mehrheit. Unter den bislang 24 Nominierten sind nur 11 Frauen. Kurz vor dem Ende der Anmeldefrist am Montag zeichnet sich damit eine – wenn auch knappe – Niederlage für die Gleichberechtigung in de EU ab.
Die letzte Klatsche kam aus Brüssel. Belgien nominierte am Wochenende den früheren Außenminister Didier Reynders. Zwar hatten die Sozialisten ihre Vizepräsidentin Laurette Onkelinx ins Spiel gebracht. Doch die Liberalen schoben Reynders vor. Zuvor hatte Belgien mit Charles Michel einen weiteren Mann nominiert – er soll EU-Ratspräsident werden.
Doppelmoral der Chefs
Es steht also nicht gut um die Frauenquote. Nur wenn die beiden Nachzügler Frankreich und Italien zwei Frauen nominieren, könnte von der Leyen ihr Ziel noch erreichen. Schuld sind die Staats- und Regierungschefs, die in Sonntagsreden und auf EU-Gipfeln gern Gleichberechtigung predigen, in der Praxis aber immer noch Männer bevorzugen.
Die Doppelmoral der Chefs ist schon lange ein Aufreger in Brüssel. Schließlich hatten sie sich nach der Europawahl auch über das Demokratieversprechen hinweggesetzt und keinen Spitzenkandidaten ausgewählt, sondern von der Leyen auf den Schild gehoben. „Europa spricht nicht nur über Frauen, Europa wählt Frauen“, tönte EU-Ratspräsident Donald Tusk nach dem Coup. Das klingt heute ziemlich hohl.
Doch von der Leyen schweigt. Von ihr und ihrem Vorbereitungsteam in Brüssel sind weder Klagen noch Erfolgsmeldungen zu hören. Nicht einmal eine Liste der bisher nominierten Kommissare beziehungsweise Kommissarinnen wurde veröffentlicht. Offenbar hat man die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass die versprochene Parität doch noch erreicht werden könnte.
Und wenn nicht? Dann könnte Ursula von der Leyen Nachbesserungen fordern – oder sogar einzelne (männliche) Bewerber zurückweisen. Doch dazu müsste sie sich mit den Staats- und Regierungschefs der EU anlegen – also genau jenen, denen sie ihre umstrittene Wahl verdankt. Es wäre die erste Machtprobe, kaum acht Wochen nach dem letzten EU-Gipfel.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?