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Postattacken gegen SpielerWaldi und die „echte“ Liebe

Fußballfans dürfen sich im Internet benehmen, wie es nicht mal pubertierende Teenager tun. Jedenfalls, wenn es um die „Liebe“ geht.

Falsches Trikot? Waldemar Anton Foto: reuters

E s ist immer wieder überraschend, wie unangenehm sich Fußballfans benehmen dürfen – und wie groß die allgemeine Bereitschaft ist, ihre mangelhaften Umgangsformen mit „Liebe“ wegzuerklären. Genauer gesagt: mit Liebe zum Verein.

Nehmen wir den Fall Waldemar Anton. Waldemar Anton hatte nach Jahren bei Hannover 96 von 2020 bis 2024 beim VfB Stuttgart gespielt, und dort wohl ein gutes Verhältnis zu dessen Anhängern entwickelt. Und ihnen im Überschwang versichert, niemals zum BVB zu wechseln.

Nun lernt man eigentlich schon mit 13, 14, dass ewige Liebesschwüre nicht wirklich auch ewige Liebe bedeuten. Nach ungefähr zweimal Verlassenwerden hat man das dann auch fürs Leben gelernt und kommt trotz großer Traurigkeit nicht auf die Idee, sich aufzuführen wie ein Fußballfan, also den Schwurbrecher in den folgenden Jahren öffentlich zu verhöhnen, zu beleidigen, zu attackieren, zu stalken und zu hassen.

Fußballfans dagegen halten das, was sie ihrem Verein entgegenbringen, für die einzig wahre Liebe, weswegen sie ohne Scham oder Empathie denken, dass sie das Recht zur Bestrafung von sogenannten Verrätern haben. Wie eben bei Waldemar Anton, der ihrer Meinung nach für alle Zeiten beim VfB hätte bleiben müssen. Wo er im Falle schlechter Leistungen natürlich nach Herzenslust hätte ausgebuht und beschimpft und vielleicht sogar körperlich angegriffen werden dürfen, weil es geht ja um Liebe zum Verein, und da haben Einzelschicksale keine Rolle zu spielen.

Und so…

Und so wurde Waldemar Anton mit dem Beginn der Begegnung zwischen dem BVB und dem VfB von den Stuttgarter Fans ausgepfiffen. Andauernd. Was in diversen Spielberichten eher amüsiert zur Kenntnis genommen wurde, denn in der 50. Minute brachte Anton durch ein Eigentor den VfB Stuttgart in Führung. Höhö.

Auf X wurden derweil ältere Fotos ausgepackt: ein Heckscheiben-Aufdruck „Verräter GmbH Inh. Waldemar Anton“, dazu die Adresse des BVB Dortmund. Und ein Stadionbanner mit der Aufschrift „W. Anton: Geredet wie ein Löwe, gehandelt wie eine ehrenlose Hure“, das auch auf eher als kritisch geltenden Fußball-Seiten gepostet worden war.

Nach dem Spiel veröffentlichte Anton ein bald wieder gelöschtes Instagram-Posting, das in den Medien als „brisant“, „bizarr“ und „mysteriös“ bezeichnet wurde. Es lautete „obsessed“, besessen. Könnte sein, dass es das Verhalten der VfB-Fans beschreiben wollte.

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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3 Kommentare

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  • Beängstigend irre...nur zur Erinnerung, der Mann ist Profi. Außerdem Arbeitnehmer, der sich seinen Arbeitgeber aussuchen darf. Muss mir als Fan nicht gefallen, wenn er weggeht. Trotzdem darf ich mich nicht wie ein Vollidiot aufführen, gilt nicht nur, aber auch für den Fußball.

  • Was will man von Fanatiker auch erwarten. Deren Liebe hält halt ewig.

  • Intelligenz und Fußball sind nicht vereinbar. Daher auch diese Exzesse, verbal, pyromanisch oder gewalttätig.