piwik no script img

PortraitNoch einmal Konsensfinder

Jürgen Trittin, grüner Kommis­sions-Kovorsitzender Foto: Boness

Um starke Sprüche ist der Grüne Jürgen Trittin nie verlegen – so auch kürzlich auf einem Anti-Atom-Kongress in Zürich. Die Pläne, den Reaktor Hinkley Point in Großbritannien durch massive staatliche Garantien zu ermöglichen, nannte er da süffisant „neoliberalen Staatskommunismus“. Und im Zusammenhang mit der desolaten Lage der europäischen Nuklearfirmen wandelte er genüsslich den bekannten Satz um: „Wer nicht auf die Anti-AKW-Bewegung hört, den bestraft der Markt.“

Heute müsste er wohl hinzufügen: ... und den rettet am Ende die Politik. Denn nichts anderes besagt der Plan, den die von Trittin mitgeleitete Atomkommission gestern vorstellte. Die Tatsache, dass das Votum einstimmig erfolgte, zeigt, wie sehr die Kommission sich unter Erfolgsdruck sah. Dagegen konnte offenbar auch der erfahrene Grüne Trittin, der nach Regierungsübernahme unter Kanzler Gerhard Schröder ab 1998 maßgeblich am ersten Atomausstieg mitwirkte, wenig ausrichten.

Vielmehr scheint er sich in der schwierigen Rolle durchaus zu gefallen. Es sei ihm erneut gelungen, „in einer einst spaltenden Frage einen Konsens zu erreichen“, sagte er sichtlich zufrieden bei der Vorstellung des Berichts.

Die Berufung des heute 61-Jährigen, der politische Konflikte und Provokationen nie scheute, zugleich aber immer auch Kompromissbereitschaft zeigen konnte, kam im vergangenen Herbst durchaus überraschend. Denn obwohl er noch immer der wohl profilierteste aktive grüne Bundespolitiker ist, war es nach der Abwahl der zweiten rot-grünen Bundesregierung 2005 ruhiger um ihn geworden.

Vielleicht hätte ihm jedoch schon der offizielle Name der im Oktober 2015 vom Kabinett eingesetzten Gruppe aus Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft (von Gewerkschaft bis Kirche) zu denken geben müssen: „Kommission zur Überprüfung der Finanzierung des Kernenergieausstiegs (KFK)“.

Der Name ist insofern skurril, als dass die Kosten der Atommüllverwahrung eher Folge des Atomeinstiegs als des Atomausstiegs sind. Vielleicht konnte bei einem solchen Titel auch ein Jürgen Trittin nicht Besseres rausholen. Bernward Janzing

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen