Popmusiker Konstantin Gropper: Ganz großes Kino

Auf seinem dritten Album schreibt Konstantin Gropper Musik zum Film. Mit Talent und Kalkül schafft er ein menschliches und spannendes Werk.

Berührt mit seiner Musik auch bei Live-Auftritten: Konstantin Gropper. Bild: screenshot: youtube.com

Bleich, eher brav gekleidet, sehr freundlich und beinahe zurückhaltend sitzt einer der größten Popstars des Landes in einem schmucklosen Kellerraum im bourgeoisen Teil Kreuzbergs hinter einem Teller mit Obst und Schokoladendrops.

Und ringt mit Worten: In welche künstlerischen Gefilde er steuere, was es mit dem sperrigen und arg dramatischen Titel „The Scarlet Beast O’Seven Heads – La Bestia Scarlatta Con Sette Teste“ seines dritten Albums auf sich habe, warum es sich musikalisch und inhaltlich der Welt des Films widme und wie er arbeite, das alles beantwortet Konstantin Gropper so ernsthaft und uneitel, dass man fast meinen könnte, er spräche über einen Fremden.

Hört man die Musik, die Gropper unter dem Namen Get Well Soon im Alleingang komponiert, aber mit befreundeten Musikern auf die Bühne bringt, überrascht diese seltsame innere Distanz umso mehr. Denn die Musik von Get Well Soon ist so gar nicht zurückhaltend, sondern sehr dramatisch, voller Pathos und ganz, ganz großer Gefühle. Wo Gropper im Gespräch bedacht und leise spricht, singt er auf seinen Alben mit aufwühlender, bebender Stimme von Liebe und Tod oder, wie auf dem letzten Werk „Vexations“ von Seneca, Büchner, Homer, Sloterdijk und Sartre.

Als er vor vier Jahren mit seinem ersten Album „Rest Now, Weary Head! You Will Get Well Soon“ auf der Bildfläche der Popmusik erschien, war erst das Staunen groß und dann das Lob. Denn während das Album nach David Bowie, Beirut, Sufjan Stevens und Arcade Fire klang, stammte Gropper, heute 29, aus dem schwäbischen Biberach. Einem nun wirklich jedes Glamours und jeder Exzentrik unverdächtigem Ort.

Statt sich, wie das die üblichen Pop-Mythen vorsehen, mit großer Geste aus der Provinz in die Kaschemmen der wilden Großstadt zu flüchten, studierte Gropper sein Handwerk ausgerechnet an einer unter Musikromantikern eher verpönten Popakademie im ebenfalls kaum glamourösen Mannheim.

Für Gropper kein Nachteil, im Gegenteil: „Das Mannheimer Nachtleben“, sagt er, „macht es schon eher einfach, sich auf die Musik zu konzentrieren.“ Der Prozess des Komponierens sei für ihn „schon sehr emotional. Ich bin dann auch kaum ansprechbar. Und muss mich fast schon zwingen, meine Lieder irgendwann auch mal jemandem vorzuspielen.“

Eigenbrötler

Anders als fast alle anderen erfolgreichen deutschen Bands der vergangenen Jahre, entstammt Konstantin Gropper keiner Subkultur, keiner Szene. Eine Coverversion für die Band Hundreds, eine Zusammenarbeit mit Mikroboy, Musik für eine Aufführung von Bulgakows „Der Meister und Margarita“ am Schauspiel Frankfurt und ein paar musikalische Beiträge für das bald erscheinende Debüt des Heidelberger Krypto-Rappers Muso – ansonsten erscheint Gropper als veritabler Eigenbrötler.

Neben dem Studium an der Popakademie werkelte Gropper über drei Jahre an seinem Debütalbum und wurde dafür sogar vom englischen NME mit freundlichen Worten bedacht: Ein Baby-Nick-Cave sei er, stand im Olymp in Sachen Popkritik zu lesen, und seine Musik sei „anrührender Stoff“. Die Tour war ausverkauft und „Rest Now Weary Head!“ stieg auf Platz 28 der deutschen Charts ein.

Wenn sich Konstantin Gropper nun mit seinem dritten Album der Filmemacherei und Filmmusik zuwendet, dann ist das gleichzeitig eine logische Weiterentwicklung wie auch eine Rückkehr auf sicheres Terrain, wie er selbst einräumt: „In gewisser Weise kann man das neue Album schon als Reaktion auf das letzte verstehen, das sehr klassisch recherchiert war, mit klassischen Zitaten und klassischen Themen. Auch wenn es immer etwas unsexy ist, selbstreferenziell zu sein: Mit dem neuen Album widerspreche ich mir auf eine Art schon selbst.“

Schon lange vor der Arbeit an „The Scarlet Beast O’ Seven Heads“ besang er in „Werner Herzog gets shot“ den Tod des Regisseurs und steuerte Lieder zu Soundtracks bei – etwa für „Palermo Shooting“ von Wim Wenders und „Same Same But Different“ von Detlev Buck. Zudem veröffentlichte Gropper die Bonus-CD „Songs For/From Films“, auf der er unter anderem Bowies „ I’m Deranged“ aus David Lynchs „Lost Highway“ sowie den durch den Film „Junikäfer“ bekannt gewordenen Stevie-Wonder-Song „Harmour Love“ covert.

Kalkuliertes Namedropping

Und schließlich schrieb Gropper die düstere, wunderbar unruhige Musik für die vielgelobte Arte-Bumsfilmsaga „Xanadu“ um das Auf und Ab eines französischen Pornofilmproduzentenclans. „Grundsätzlich waren Film und Filmmusik schon immer Einflüsse für mich“, erklärt Gropper. „Doch durch die Arbeit für Filme wurde das natürlich nochmals konkreter – und ich habe auch Lust bekommen, den Spieß umzudrehen und statt Musik zu einem Film Musik für einen Film, der erst gemacht werden müsste, zu komponieren.“

Die Hinwendung zum Film ist aber auch eine Reaktion auf die Kritik am in der Tat überkandidelten und intellektuell trotz Groppers zeitweisem Philosophiestudium in Heidelberg etwas unausgegorenen zweiten Album „Vexations“. Dieses wurde seinerzeit als Konzeptalbum zum Thema „Stoizismus“ angekündigt und erging sich, wie es Ex-Spex-Chefredakteur Max Dax beschrieb, in „Namedropping der schlimmsten Sorte“.

Dieses Namedropping hatte – und hat auch auf dem neuen Album – allerdings vor allem damit zu tun, wie Gropper arbeitet. So impulsiv und emotional aufwühlend seine Musik wirkt, so sorgfältig komponiert und recherchiert ist sie. „Ich gehe meistens so vor, dass ich einen Fundus anlege, mit Samples, Vorlagen und Ideen, aus dem ich mir dann das rauspicke, von dem ich glaube, dass es im Kontext eines Liedes funktioniert“, erklärt er.

Gropper, der als Student des Pop begann, ist gereift und heute quasi ein Wissenschaftler des popkulturellen Zitats. Seine Lieder sind musikalische Essays, fein komponierte, aber auch etwas verkopfte „Déjà-écoutés“, wie Gropper selbst sie nennt: Collagen aus eingefangenen Musiken und Stimmungen, von denen man glaubt, sie schon einmal gehört zu haben. Bloß: wo?

Verspielt und abwechlungsreich

Etwa das etwas kalauernd betitelte zweite Stück „Let Me Check My Mayan Calendar“ auf „The Scarlet Beast“ beginnt mit einer kurzen Fanfare wie aus einem Detektivfilm der 50er, schwingt hinüber zu einer Easy-Listening-Melodie. Es folgen ein paar seichte Takte Zwischenspiel aus einem Sandalenfilm oder Western, um dann einem süßlich summenden Chor den Weg zu bereiten und in einem zwitschernden Trommelwirbel zu enden – und da sind gerade mal 48 Sekunden Spielzeit vergangen.

Nicht immer sind die Referenzen auf „The Scarlet Beast“ derart dicht und unklar. „Roland, I Feel You“, die erste Single, ist beispielsweise nicht nur ein treibendes, nervöses Stück mit zahlreichen hübschen Ziggy-Stardust-Momenten, sondern auch ein Auseinandersetzung mit dem ebenfalls aus dem Schwäbischen stammenden, ebenfalls der großen Geste zugeneigten sowie unerschrocken zitierenden Roland Emmerich.

Hinter all dem Pomp und der Zartheit offenbart sich auf dem neuen Album letztlich auch Gropper als Grübler, als Bastler und schwäbischer Schaffer, als jemand also, der sich nicht auf sein Genie verlassen mag, sondern im Zweifel auf seinen Fleiß zurückgreifen kann. Und auf einen Ordner auf der Festplatte, in dem all die magischen Momente gesammelt wurden.

Und Gropper erweist sich auch als jemand, für den Musik weniger ein Ventil für Impressionen und Gefühle ist, sondern vielmehr eine Welt, die er selbst schafft: „Ich will Stimmungen erzeugen und nicht einfach nur wiedergeben“, sagt der Sänger. „Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich mich schon eher bei David Bowie als bei Bob Dylan sehen.“

Konstruierte Menschlichkeit

Entsprechend hat Gropper nichts, gar nichts dem Zufall überlassen, wie er erzählt: „Beim letzten Album wollte ich noch, dass die Musik möglichst groß klingt. Dieses Mal war es genau andersherum: Ich wollte die Lieder am Ende wieder schlechter klingen lassen, um der Musik etwas Unperfektes zu geben. Ich wollte mehr Charme und mehr Menschlichkeit. Und dazu habe ich versucht, etwas Staub auf die Lieder draufzulegen.“

Und so verwegen und skurril das klingt, dass ausgerechnet ein doch eher prätentiöses Konzeptalbum über die künstliche Welt des Films das menschlichste Album von Get Well Soon sein sollte – so ist das wohl eben, wenn man die Sache beinahe wissenschaftlich angeht.

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