Pop-Linke zur Brit-Wahl: Generation Grime wählt Labour
Die Kultur- und Pop-Szene schöpft Hoffnung nach Jeremy Corbyns Wahlerfolg. Die HipHop- und Grime-Szene hat sich für ihn stark gemacht.
Schwierige, aber spannende Zeiten – so ließe sich die Atmosphäre in Großbritannien nach der Wahl vom Donnerstag zusammenfassen. Endlich verspricht die politische Sphäre, wieder aufregend zu werden.
„Das britische Pfund bricht ein, die Hoffnung steigt“, schrieb etwa der britische Musikkritiker Simon Reynolds unmittelbar nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses auf Facebook. Mehr als 72 Prozent aller stimmberechtigten Briten zwischen 18 und 25 Jahren waren zur Wahl gegangen, meldete das Magazin Metro: Es wurde eine lange Nacht, in der die Konservativen dramatische Verluste hinnehmen mussten, ihre absolute Mehrheit ging verloren, selbst in absoluten Hochburgen setzte es Verluste. Labour hatte dagegen massiv aufgeholt.
Und Reynolds drückte mit seinem Post nur das aus, was viele Briten denken: Sie sind nicht mehr bereit, die Austeritätspolitik der Regierung mitzutragen, und sie haben die Arroganz der Eliten satt: „Die unter 30-Jährigen mögen Corbyn, aber sie sind zu faul, um wählen zu gehen“, diktierte ein Tory-Abgeordneter kürzlich siegessicher dem Internetmagazin Huffington Post.
Der Grime-Rapper JME antwortete: „Mischt euch ein, hört genau hin, lernt und wählt diejenigen, die für uns am besten sind.“ Und gerade die Jungen stimmten dann massenweise für Labour.
Zuvor hatten Popstars wie Massive Attack und vor allem junge Grime-RapperInnen, die bei der Jugend Gehör finden, aktiv für eine Wahlbeteiligung der ErstwählerInnen und für die Politik der Labour Party geworben. „My Man Jeremy, I dig what he says“, erklärte etwa der Rapper Stormzy, dessen Album im Frühjahr wochenlang an Nummer 1 der britischen Charts stand.
Man sollte die einende gesellschaftliche Kraft von Pop in Großbritannien nie unterschätzen: In der Solidaritätskampage „Grime4Corbyn“ sammelten sich zahlreiche HipHop-Aficionados, um für Jeremy Corbyn, den alten Mann der Labour Party, zu stimmen, der – anders als im Rest der Welt – in Großbritannien als ein Symbol für die Abkehr von New Labour und der Politik eines Tony Blair steht.
„Ich möchte in einem Land leben, das progressiv ist, offen und frei, aber auch Schutz bietet vor Extremismus und Unterdrückung“, posteten Massive Attack in einem von den Musikern Grantly „Daddy G“ Marshall und Robert „3D“ Del Naja unterschriebenen Eintrag auf ihrer Facebook-Seite, der zigtausendmal geteilt wurde. „Was wir brauchen, ist eine Regierung, die gegen Armut und gesellschaftliche Ungleichheit ankämpft und in die Bildung investiert. Dafür bin ich auch bereit, mehr Steuern zu zahlen.“
Es mag bizarr anmuten, viele Jüngere entdecken gerade ihre staatsbürgerlichen Pflichten: „Als Fußballprofi bin ich privilegiert, ich sollte also für einen niedrigen Steuersatz sein, wie er von den Konservativen vertreten wird, das tue ich nicht. Es geht uns ALLE an, es geht um die ganze Gesellschaft“, twitterte der afrobritische Fußballer Liam Rosenior. Auch sein Tweet stieß auf breite Resonanz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen