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Polnisch-deutsche FreundschaftEin Brief mit fatalen Folgen

Nach dem Beschwerdebrief einer Historikerin entlässt Polen seinen Deutschland-Beauftragten Ruchniewicz. Schuld ist aber auch Stimmungsmache in rechten Medien.

Hat gelitten: die deutsch-polnische Freundschaft Foto: Steinach/imago

Warschau taz | Manche Briefe wären wohl besser nie geschrieben worden. Das muss nun auch Historikerin Hanna Radziejowska (45) erkennen, die gerade gefeuerte Leiterin der Berliner Außenstelle des Pilecki-Instituts, eine Forschungseinrichtung für Geschichte des 20. Jahrhunderts mit Sitz in Warschau.

Vor ein paar Tagen hatte Radziejowska einen Beschwerdebrief über ihren Chef, den Historiker Krzysztof Ruchniewicz verschickt. Ruchniewicz war neben seinem Posten als Vorsitzender des Pilecki-Instituts auch der polnische Deutschland-Beauftragte und sollte für eine engere Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern sorgen, genauso wie sein deutscher Gegenpart Knut Abraham.

Radziejowska schickte ihren Beschwerdebrief an die polnische Kulturministerin und informierte auch Polens Außenminister. In dem Schreiben protestierte sie gegen eine von Ruchniewicz initiierte Seminarreihe im Pilecki-Institut. Diese zielte angeblich darauf, dass „Polen Kulturgüter an Deutschland, die Ukraine, Belarus und Litauen“ sowie auch „Privateigentum von Personen jüdischer Abstammung“ an diese zurückgeben sollte, wie die Rzeczpospolita aus Radziejowskas Brief zitierte.

Seltsamerweise war der Brief mit detaillierten Informationen aus dem Innenleben des Pikecki-Instituts auch in der Redaktion dieser rechtskonservativen Tageszeitung gelandet, die die Verdächtigungen gegen Ruchniewicz sofort publizierte. Polens rechte Politiker und Medien stürzten sich auf das gefundene Fressen und hetzten gegen einen angeblichen „diplomatischen Verrat“ des Historikers.

Daraufhin löste Polens Außenminister Radosław Sikorski das Amt des Deutschland-Beauftragten kurzerhand auf und entließ dadurch automatisch auch Ruchniewicz. Seine Entscheidung begründete er mit keinem Wort. Auf deutscher Seite fiel man aus allen Wolken. Den Brief von Radziejowska, der in Polen so große Kreise gezogen hatte, hatte hier kaum jemand auf dem Schirm. Abraham, der Koordinator auf deutscher Seite, stand plötzlich ohne Partner da. Die deutsch-polnischen Beziehungen nahmen gravierenden Schaden.

Ruchniewicz sollte das Pilecki-Institut entpolitisieren

Hanna Radziejowska, die seit 2019 die Berliner Zweigstelle des Pilecki-Instituts leitete, kam mit dem von der Mitte-Links-Regierung unter Donald Tusk neu eingesetzten Generaldirektor Ruchniewicz nicht zurecht. Im Auftrag des Kulturministeriums soll er das stark von der nationalpopulistischen Ideologie der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) geprägte Institut entpolitisieren und es auf Wissenschaft und Forschung ausrichten, so wie es auch in den Statuten von 2017 steht.

Ihrem Protest gegen Ruchniewicz sprang sofort eine Phalanx von PiS-Politikern bei und forderte die sofortige Entlassung des Generaldirektors.

Der konnte erst nach einigen Tagen in der Rzeczpospolita klarstellen, dass es bei der international ausgerichteten Seminarreihe lediglich um Provenienzforschung von kriegsbedingt verlagerten Kulturgütern gehen sollte. Ob Eigentum zurückgegeben werde oder nicht, sei eine politische Entscheidung. Er sei aber kein Politiker, sondern Wissenschaftler. Er fordere keine Restitution, aber es müsse erlaubt sein, zu diesem Thema forschen zu dürfen.

Radziejowska, die durch ihren seltsamen Brief ihre Stelle verloren hat, ist in Berlin gut vernetzt. Vor ihrem Umzug war sie in verschiedenen Warschauer Museen und Kultureinrichtungen als Historikerin und Kulturmanagerin angestellt und wird sicher rasch einen neuen Posten finden. Doch wer entschuldigt sich bei Ruchniewicz und den Deutschen für den Schlag gegen die deutsch-polnische Freundschaft? Die Botschafter-Konferenz Polens verurteilte unlängst in einem offenen Brief die Entlassung von Ruchniewicz als Koordinator und erwartet eine Entschuldigung.

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4 Kommentare

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  • "Doch wer entschuldigt sich bei Ruchniewicz und den Deutschen für den Schlag gegen die deutsch-polnische Freundschaft?" Einer Freundschaft kann man nur einen Schlag versetzen, wenn es eine Freundschaft gibt. Dass sich Polen für irgend etwas bei "den" Deutschen entschuldigt, werden wir kaum erleben. In diesem speziellen Fall handelt es sich zunächst um eine innerpolnische Angelegenheit. Die politischen Verhältnisse im Nachbarland sind viel polarisierter als in Ditschl. Da genügt ein relativ harmloser Vorgang wie eine falsch interpretierte wiss. Seminarreihe, um eine Art Entlassungswelle ins Rollen zu bringen.



    Die deutsch-polnischen Beziehungen sind ja leider sehr vom jeweiligen politischen Personal abhängig. Während Fr. Merkel es in ihrer Zeit meist mit einer hartnäckigen PiS-Regierung zu tun hatte, die ggf. mit Reparationsforderungen auftrumpfte, ließ Hr. Scholz den Regierungswechsel in Polen verstreichen anstatt mit allen Mitteln den Dialog neu zu befeuern.



    Anstatt von "Freundschaft" zu träumen wäre schon viel getan, die ganz pragmatische Zusammenarbeit zu fördern z. B. im Verkehrs- und Energiesektor, im militärischen Bereich bzgl. Nato-Ostgrenze, bei Umweltschutz oder Migration.

    • @Vigoleis:

      Merkel wusste um ihre polnischen Vorfahren und war auch aus dem Ostblock. Die Wessis Scholz wie leider jetzt auch noch Merz haben Polen nur bedingt verstanden. Auch hier helfen Geschichte, Kultur weiter - Sprache ist bei uns Deutschen leider über 'Nie rozumiem' zumeist nicht hinausgekommen, da sind Polen oft deutlich weiter.



      (Man kann übrigens die PiS und ihre Manöver nicht mögen, um doch die enormen Schäden Polens und seiner Menschen 1939-45 durch Deutsche zu benennen.)

      Merz' Manöver mit der Grenze zu Polen empfand ich als einen frühen schweren Fehler, der den Falschen zum dortigen Präsidenten gemacht haben könnte. Wenigstens bis nach der dortigen ersten Wahl warten bzw. ostentativ Polen irgendwie einbeziehen hätte er können.

  • Wie konnte Merz damals mit seinem sinnarmen Grenzpopulismus nicht wenigstens bis nach der Präsidentschaftswahl in Polen warten?!



    Westeuropa versteht der alte Sauerländer noch, Ost- und Mitteleuropa sollte er aber so langsam doch auch mal in der Zeitung mitlesen.



    Was mit Frankreich unter anderen Umständen gelang, ist bei Polen noch immer nicht gut auf Spur. Das ist keine Frage von Beauftragten oder nicht, sondern allgemeinem Austausch und Zuhören.

    • @Janix:

      "...Das ist keine Frage von Beauftragten oder nicht, ..."

      Es ist vor allem ein Resultat von acht Jahren antideutscher Hetze aus den PiS- und Kirchen-Kanälen (Rydzyk).

      Dieses Gift aus der Dauerberieselung durch die früheren ÖR-Medien (PiS-TV) muss erst wieder abgebaut werden. Die neuen "Privat"-PiS-Sender (TV Republika etc) arbeiten fleißig daran, dass neues Gift produziert wird.



      Da ist es dann kein Zufall, dass Herr Tusk immer wieder als "Deutscher" verteufelt wird und die Deutschen als EU-Herrscher, welche ein "IV. Reich" errichten wollen.

      Und nun ist die akt. poln. Regierung gar gezwungen, dieses Narrativ durch scheinbar antideutsche Aktionen zu widerlegen.