Polizeiwache am Kottbusser Tor: „Wie auf dem Präsentierteller“
Gewerkschaft der Polizei kritisiert geplanten Standort für die Wache am Kottbusser Tor: Zu klein, zu exponiert, außerdem bedeute das Gentrifzierung.
taz: Herr Jendro, die Innensenatorin Iris Spranger hat am Montag im Innenausschuss offengelegt, wo die neue Polizeiwache am Kottbusser Tor hinsoll: in den ersten Stock der Galerie des Neuen Kreuzberger Zentrums, das die Adalbertstraße überzieht. Ist der Standort gut gewählt?
Benjamin Jendro: Nein. Wir sind der Meinung, dass es für eine neue Wache am Kottbusser Tor einen Neubau braucht.
Warum?
Die avisierten Räume sind zu klein, aber auch Sicherheits- und Gentrifizierungsaspekte sprechen gegen den Standort auf der Galerie.
Benjamin Jendro, 33, ist seit 2016 Sprecher der GdP Berlin. Er hat in Potsdam Germanistik studiert. Von 2015 bis 2016 war er Polizeireporter von BZ und Bild.
Das müssen Sie konkretisieren.
Die Berliner Polizei hat sich auf Wunsch der Politik einzelne Immobilien angeguckt. Es bedeutet immer eine Art der Verdrängung, wenn man sich in Bestandsimmobilien einquartiert. Was die Lage auf der Galerie betrifft, liegt man dort auch ein Stück auf dem Präsentierteller. Es dürfte eine Mammutaufgabe sein, die Wache zu sichern. Wir können wahrscheinlich die Uhr stellen, wann es dort die ersten Attacken gegen die Polizei gibt.
Sie befürchten, dass von unten zum Beispiel Farbbeutel geschmissen werden?
Man muss sich nur den Alexanderplatz angucken. Dort haben wir eine ganz andere Klientel als in Kreuzberg, aber selbst da ist die Wache attackiert worden. Neben der Kritik an den örtlichen Gegebenheiten geht es uns aber auch um die Fläche. Wir brauchen eine Wache von mindestens 300 Quadratmetern, und wir brauchen Sanitäranlagen und eigenständige Parkflächen zum Abstellen der Dienstfahrzeuge. Das alles wird ein bisschen schwierig oben auf der Galerie.
Gäbe es denn Alternativen?
Direkt vorne an der Reichenberger Straße wäre durchaus Platz für einen Neubau, der den Anforderungen entspricht und für Bürgerinnen und Bürger gut zu erreichen ist. Man sollte mal prüfen, ob das nicht grundsätzlich besser wäre.
Haben Sie mal gefragt, warum das nicht in Erwägung gezogen wird?
Die Polizei selbst hat das schon als Ansatz formuliert, aber es ist nicht Aufgabe unserer GdP, die Gründe zu ermitteln. Es ist aber auch klar, dass der rot-grün-rote Senat schnell eine Wache möchte. Etwas in Berlin neu zu bauen dauert bekanntlich einige Jahre. Das passt aber nicht ins politische Konstrukt.
Innensenatorin Spranger hat sich noch nicht zu den Personalvorstellungen für die Kotti-Wache geäußert. Wie groß wäre der Bedarf, um so eine Wache 24/7 zu betreiben?
Das hängt von den Vorstellungen ab, wie die Wache betrieben werden soll. Man könnte es so machen wie am Alex, wo drei Polizeikräfte rund um die Uhr vor Ort sind. Dafür bräuchte man ungefähr 25 bis 30 Leute, Urlaub und Krankenstand inklusive. Wenn wir am Kotti eine Wache installieren wollen, reden wir aber nicht nur davon, die Wache rund um die Uhr zu besetzen.
Sondern?
Wir wollen am Kotti keine Wache, wo die Kräfte nur in der Wache sitzen. Wir brauchen dort Leute, die auch rausgehen, Präsenz zeigen und Kriminalität bekämpfen, es gibt dort ja eine ausufernde Drogenkriminalität mit entsprechenden Begleiterscheinungen. Wir haben ganz klar gesagt: Für die Kotti-Wache braucht man mindestens einen Personalkörper von 65 Leuten. Das wären wohlgemerkt nicht nur Schutzpolizisten, sondern auch Kriminalpolizisten, vor allem auch operative Kräfte.
Was möchte die Polizeiführung, was hören Sie da?
Was wir gespiegelt bekommen, ist, dass die Berliner Polizei die Wache möglichst klein halten möchte, weil man bekanntermaßen nicht irgendwo Personal übrig hat. Das können wir verstehen, widerspricht unserem Verständnis von einer nachhaltigen Kotti-Wache aber diametral. Also ehrlich, wenn wir die Kotti-Wache nur mit einer reinen Wachbesetzung gestalten, dann können wir uns das auch sparen und vor Ort weiterhin nur mit mobilen Wachen arbeiten.
Die Kotti-Wache scheint nun aber das Lieblingsprojekt von Innensenatorin Spranger zu sein. Wie sehen Sie das?
Wenn man ehrlich ist, ist das eines der wenigen Projekte, das bisher im Bereich Inneres wirklich fixiert ist. Darüber hinaus bleibt ja fast nur noch der Polizeibeauftragte, den es geben soll.
Das ist noch ein Projekt aus der letzten Legislatur.
Ja, genau genommen nichts Neues, außer dass man die Stelle eben auch mal besetzen muss (lacht). Aber wenn wir uns die letzte Legislatur anschauen, ist festzustellen, dass der damalige Innensenator Geisel mit Dingen wie der Einrichtung der Wache auf dem Alexanderplatz und den mobilen Wachen durchaus geliefert hat. Daran wird sich auch Frau Spranger messen lassen müssen, die Fußstapfen sind groß.
Im Innenausschuss hieß es, die Kotti-Wache werde eine ganz neue Art von Polizeiwache.
Dass man Polizeiarbeit transparenter in dieser Stadt machen möchte, ist mittlerweile parteiübergreifend Konsens, und damit haben wir auch kein Problem. Polizei muss im Jahr 2022 ansprechbar und bürgernah sein.
Ein Geben und Nehmen werde auf der Kotti-Wache stattfinden, hat Spranger prophezeit. Was könnte sie denn damit gemeint haben?
Es gibt Grenzen, es kann nicht sein, dass dort jeder ein- und ausgeht und auf den Bildschirm der Kollegen sehen kann. Ich glaube aber auch nicht, dass das ein kultureller Treff werden soll. Eher geht es wohl darum, Ansprechpartner zu stellen, auch gerade für die Gewerbetreibenden und Anwohnerinnen und Anwohner. Auch die Wache am Alex wird ja mehr von Touristen frequentiert, als dass da Anzeigenaufnahmen stattfinden: Wo ist der Fernsehturm? Wo finde ich die Galeria Kaufhof?
Polizeikräfte würden sich bereits um einen Job auf der geplanten Kotti-Wache reißen – auch das hat die Innensenatorin gesagt. Stimmt das?
Sie wird ihre Gründe haben. Bei uns haben die sich noch nicht gemeldet (lacht). Ich kenne bisher nur Leute, die sagen: Auf gar keinen Fall!
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