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Polizeiruf „Dunkler Zwilling“Ekelhaft, aber gut gespielt

Gewalt gegen Frauen als TV-Normalität ist manchmal zum Haareraufen. Der Rostock-Polizeiruf ist sich dessen immerhin bewusst.

Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner beweisen Freude am Spiel Foto: NDR

Wie erfreulich es ist, wenn ein stinknormaler Sonntagabendkrimi auf der Höhe der Zeit ist, wird meist erst klar, wenn man so einen raren Fall vor sich hat. „Wie stehen Sie zu Gewalt gegen Frauen?“, fragt LKA-Kommissarin Katrin König also einen Verdächtigen. „Ich habe den größten Respekt vor dem weiblichen Geschlecht – auch wenn sie Prostituierte sind“, sagt der. „Sie meinen: Auch wenn sie als eine Prostituierte arbeitet“, entgegnet König. Der Typ lässt dann noch rhetorischen Quark à la „Wir sind, was wir tun“ aus seinem Mund fallen, aber das ist dann wurscht.

Allein für solche Sätze, die weder direkt Fall noch Handlung vorantreiben, muss man diesen Rostocker Polizeiruf „Dunkler Zwilling“ lieben – einer der glücklichen Fälle, wenn Drehbuch und Regie aus einer Hand kommen, hier die von Damir Lukačević.

Die Kehrseite der Medaille: Er erzählt eben eine dieser Geschichten, die man als Krimi-Kategorie am liebsten kontingentiert sähe. Mädchen werden ermordet, die Gebärmutter rausgeschnitten, ein Serientäter offenbar. Dass es gleich mehrere Verdächtige für diese Taten gibt, macht die Sache nur ekelhafter. Gewalt gegen Frauen und Kinder als TV-Normalität, es ist manchmal echt zum Haareraufen (Lukačevićs ZDF-Stück „Im Namen meines Sohnes“ 2015 mit Tobias Moretti war auch schon so ein grausamer Fall).

Ignorieren wir dieses Ausschlusskriterium mal gnädig, denn des Guten gibt es mehr. Nicht nur, dass der Plot erst kurz vor Schluss auflöst, wer’s war (samt verquaster Motiv-und-Titel-Erklärung). Mehr noch, es gibt eine Neuentdeckung: Emilia Nöth. Sie spielt Marla, die Teenager-Tochter eines Verdächtigen – und ohne Übertreibung, als ähnlich echte Film-Jugendlichkeit fällt einem da nur die „Tschick“-Version von Fatih Akin ein.

Die Sendung

Rostock-„Polizeiruf“: „Dunkler Zwilling“, So. 6.10.19, 20.15 Uhr, ARD

Die Freude übers Spiel zieht sich übrigens durch, Anneke Kim Sarnau und Charly Hübner als Kommissarsduo sei Dank, und Simon Schwarz als Verdächtiger schadet auch nicht. Mitunter muss man genau diese Qualität fett unterstreichen, größer drucken, idealerweise mit Leuchtpfeilen versehen.

Denn sie alle klingen halt nicht, als läsen sie die Sätze vom Blatt ab, sie holen Luft, stutzen, rumpeln, lachen trocken, zögern wie wir alle, wenn wir reden; und sie spielen auch, wenn sie gerade keinen Text haben (… die große Angela Winkler als Verdächtigen-Gattin dagegen, jaja, Legende, klar, aber – puh, Theater hier, Film da, dazwischen, oh, ein Ozean). Genau darum hier noch mal der Name, der wirklich zählt: Emilia Nöth.

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3 Kommentare

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  • Das man auch beim Rostocker Polizeiruf jetzt ohne Splatter-Movie-Effekte auskommt, schon erschreckend. Warscheinlich wollte man damit vom kruden Drehbuch ablenken. Ein Psycho-Ehepaar dient zur Ablenkung vom Täter, warum der den Schlächter macht, wird mit der Nabelschnur seiner Zwillingssschwester erklärt - billige Effekthascherei einfallsloser Drehbuchautoren. Ja, Emilia Nöth ist wirklich die Entdeckung dieses Streifens. Der Rest des Ensembles überzeugt auch größtenteils - wie auch die optische Umsetzung.

    • @Philippe Ressing:

      heißt natürlich "nicht ohne splatter effekt"

  • Quark und Frauen, die als Prostituierte arbeiten:



    Polizisten - auch nein. Menschen, die als Polizist arbeiten; Politisch-sprachlich voll korrekt und kein bißchen rechts-lastig. Teenager, der ihren Vater deckt, nachdem sie Leichenteile im Keller gefunden hat. Bewußtlos-atonisch nach Suizidversuch durch Pulsaderschnitt, der andernorts als Schnippeln durchgehen würde... Na ja. Aber wer schaut schon TV um sich mit der Wirklichkeit zu konfronierten - eher doch um ihr zu entfliehen.