Polizeiruf aus München: Unverwechselbar gut
Vor Saisonende noch ein Highlight: Der zweite Fall der Münchner Ermittlerin Bessie Eyckhoff strotzt vor großartigen filmischen Ideen.
Seit September dieses Jahres ist Polizeioberkommissarin Elisabeth „Bessie“ Eyckhoff die neue Diensthabende in den Beiträgen des Bayerischen Rundfunks zur ARD-Reihe „Polizeiruf 110“. Sie löste Hauptkommissar Hanns von Meuffels ab, nachdem dessen Darsteller Matthias Brandt sich verabschiedet hatte.
Eine weise Entscheidung, denn Meuffels letzte Auftritte bestärkten den Eindruck, dass Autoren, Regisseure und der Hauptdarsteller selbst dieser Figur nichts mehr abgewinnen konnten.
„Der Ort, von dem die Wolken kommen“, der erste Fall der österreichischen Schauspielerin Verena Altenberger als Münchner Ermittlerin, brachte neue Verve in die Sonntagskrimis. Die Auftaktfolge stammte vom Autorenteam Thomas Korte und Michael Proehl, den Nachfolger schrieb Günter Schütter. Unter Dominik Grafs Regie geht es noch fiebriger zu als bei der Premiere. Bessie Eyckhoff und ihre Dienstgruppe belauern eine Firma, die des illegalen Börsenhandels verdächtigt wird.
Schnell ist klar, dass nicht alles nach Vorschrift läuft bei dieser Aktion. Zu Beginn befindet sich Eyckhoff selbst in einer Verhörsituation. Rückblenden erzählen von der Gruppendynamik, von Machenschaften, Misstrauen, Manipulationen. Bessie Eyckhoff wird ausgegrenzt, dann von der Abteilung für interne Ermittlungen auf die Kollegen angesetzt und gerät in Loyalitätskonflikte, zumal sie Gefallen findet am BaFin-Fahnder Lukas Posse (Wolf Danny Homann), der ihr als Finanzexperte zur Seite gestellt wurde.
Altenberger ist Ausnahmetalent
Der lupenreine Polizeikrimi von Schütter und Graf ist ein kleines Meisterwerk, birst förmlich vor Ideen. Die Annäherung von Eyckhoff und Posse gehört zu den originellsten Liebesszenen weit und breit. Filmgeschichtliche Verweise gibt es auch, längst nicht so plump wie kürzlich in dem vor Logik- und Inszenierungspatzern strotzenden Zitatebrei „Angriff auf Wache 08“, der unter dem „Tatort“-Deckmantel ausgestrahlt worden war.
Kameramann Martin Farkas entschied sich für eine Low-Key-Ausleuchtung und zusätzliche Vignettierungen, die den Noir-Charakter des Geschehens verbildlichen. Verena Altenberger erweist sich einmal mehr als Ausnahmeschauspielerin, die jede Rolle mit einer eigenen Anmutung versieht. Darum macht es auch nichts, dass sie vor zwei Wochen erst im Tatort „Baum fällt“ zu sehen war. Sie spielt so gut, dass niemand auf die Idee kommen wird, die Figuren zu verwechseln.
Leser*innenkommentare
90118 (Profil gelöscht)
Gast
der plot, die charaktere, die musik - alles belanglos, unansehnlich und nervig.
dagegen war die im artikel als negativbeispiel erwähnte john-carpenter-adaption "angriff auf wache 08" mit ulrich tukur die reinste wohltat.
die ahnungslosigkeit des betrachters ist durch interesse und wahrnehmung unter umständen kompensierbar. hier führt wahrnehmung jedoch lediglich zu unwohlsein.
Rufus
Harald Keller hat einen sehr sonderbaren Geschmack - ich war nach 10 Minuten dieser Zumutung weg von der Glotze!
Eimsbüttler
Sorry aber ich bevorzuge in der Regel, Ausnahme Rostocker und frühere Hallenser 110er, Tatorte. Dieses Stück war eine handwerkliche Zumutung. Kaum ein Dialog war akustisch verständlich, die Handlung wirr!