Polizeioperation gegen Kriminalität: Südafrikas Migranten in Angst
In Südafrika hat die „Operation Fiela II“ gegen Kriminalität in den Großstädten begonnen. Sie richtet sich nicht nur gegen Kriminelle.
Das Leben in Hillbrow, einem mehrheitlich von afrikanischen Migranten bewohnten Innenstadtviertel, sei unerträglich geworden, sagt Monica Ndlovu, eine Simbabwerin im Township Soweto unter Berufung auf Gespräche mit Freunden.
Die Migrantenorganisation ADF (African Diaspora Forum) schlägt Alarm: „Es hat viele Menschenrechtsverletzungen gegeben. Frauen und Kinder müssen miterleben, wie mitten in der Nacht ihre Türen eingetreten werden. Manche haben ihren Besitz verloren“, sagt ADF-Vorsitzender Marc Gbaffou im Interview.
Die Polizeikampagne geht auf eine Initiative des frischgewählten oppositionellen Bürgermeisters von Johannesburg zurück, Herman Mashaba. Die Wahl des Unternehmers an die Spitze von Südafrikas größter Stadt 2016 für die Oppositionspartei DA (Demokratische Allianz) war ein Signal für das Ende der Dominanz der einstigen Befreiungsbewegung ANC (Afrikanischer Nationalkognress) unter der schwarzen Wählerschaft Südafrikas gewesen.
Mashaba hatte versprochen, mit Korruption und Kriminalität in Johannesburg aufzuräumen.
2017 zog Mashaba vor Gericht, um das Innenministerium der südafrikanischen Regierung von Präsident Jacob Zuma zu verpflichten, gegen papierlose Migranten vorzugehen. Seine Bemerkungen in dieser Hinsicht wurden damals vom ANC als ausländerfeindlich kritisiert. Es gab eine Welle xenophober Gewalt in Johannesburg und auch in der Hauptstadt Pretoria, die sich gegen Migranten aus Nigeria, Simbabwe, Mosambik, Malawi, Somalia, Äthiopien und Pakistan richtete.
Südafrikas Polizeiminister Fikile Mbalula rechtfertigt die Einsätze
Einen Gerichtstermin dafür gibt es noch nicht, aber jetzt arbeiten Stadtverwaltung und Innenministerium offenbar zusammen, wobei vieles im Unklaren bleibt. Bürgerrechtsgruppen trafen sich vergangene Woche mit Mitarbeitern des Bürgermeisters, um zu klären, wie weit die Polizeioperation geht – und erfuhren, die Stadt Johannesburg an sich sei daran nicht beteiligt, sagt der simbabwische Exilpolitiker Ngqabutho Mabhena.
Keine No-go-Gebiete, sagt die Polizei
Die laufende Operation Fiela II knüpft an die Erfolge der ersten solchen Operation im Jahr 2015 an. Südafrikas Polizeiminister Fikile Mbalula sagt, es gehe darum, in ganz Johannesburg Verstecke von Verbrechern auszuräuchern. Es dürfe nirgendwo No-go-Gebiete geben, so der Minister. Die Razzien richteten sich gegen kriminelle Gangs und ein paar papierlose Einwanderer.
„Die Operationen müssen das Vertrauen der Gemeinschaft in die Polizei wiederherstellen“, so Mbalula weiter. „Die Gemeinschaften tendieren dazu, Kriminelle zu schützen, indem sie keine Informationen über sie weitergeben und indem sie Polizisten angreifen. Wir wollen die Gemeinschaften zurückholen und illegalen Vigilantismus zu beenden.“
Die Erfahrungen der Betroffenen sind andere. „Eigentlich haben die Gemeinschaften sich doch dazu verpflichtet, Verbrechensbekämpfung gemeinsam mit ihren afrikanischen Brüdern zu leisten. Es ist nicht gut, wenn Kampagnen gegen Kriminalität dazu benutzt werden, gezielt gegen Ausländer vorzugehen“, so Aktivist Gbaffou.
Kritik kommt auch von Organisationen, die sich für Sexarbeiterinnen einsetzen. „Polizeiaktionen, um Gemeinschaften drogenfrei zu machen, sind bloß Werbegags, die Stigmatisierung und Diskriminierung gegen Sexarbeiterinnen und Ausländer festigen“, sagt Lesego Tlhwale, Sprecherin von Sweat2 (Sex Workers Education and Advocacy Taskforce“).
Immer wieder würden Anwohner Prostitution für Zunahme von Kriminalität verantwortlich machen. „Und dann werden Sexarbeiterinnen zu Zielscheiben für die Polizei, weil man sie auch mit Drogenschmuggel in Verbindung bringt.“
Manche Betroffene haben auch einfach Angst. Der 36-jährige Nickson Dube aus Simbabwe erinnert sich an die Zeiten vor gut zehn Jahren, als Migranten damit rechnen mussten, auf offener Straße aufgegriffen und in blau-weißen Lieferwagen in das verrufene Abschiebelager Lindela gefahren zu werden.
„Jedes Mal, wenn ich ein Polizeifahrzeug sah, musste ich taktisch vorgehen: in die andere Richtung laufen, ohne dass irgendein Passant denkt, dass ich davonlaufe“, erinnert er sich. Diese Zeiten will er kein zweites Mal erleben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen