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Polizeigewerkschaft in Sachsen-AnhaltVon Elektroschockerfirma gesponsert

Laut Presseberichten finanziert das Unternehmen Taser Veranstaltungen der Deutschen Polizeigewerkschaft in Sachsen-Anhalt. Diese macht für Taser kräftig Werbung.

Nicht so harmlos, aber die Deutsche Polizeigewerkschaft will sie unbedingt: die Elektroschockpistole Foto: dpa

BERLIN taz | Die Firma Taser, Hersteller von Elektroschock-Geräten, sponsert offenbar in erheblichem Umfang Veranstaltungen der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) in Sachsen-Anhalt. Die DPolG macht sich gleichzeitig seit langem für eine Ausrüstung der Polizei mit Tasern stark. Das berichtet die in Halle erscheinende Mitteldeutsche Zeitung. Landeschef Wolfgang Ladebeck lehnte eine Auskunft über Vertragsdetails und die Höhe der Zahlungen von Taser an die DPolG ab. Ein Problem in der engen Partnerschaft sehe er nicht, so Ladebeck.

Die Tageszeitung Neues Deutschland verweist in dem Zusammenhang auf Aussagen des stellvertretenden Landesvorsitzenden der DPolG, Stefan Perlbach, wonach der Taser die Lücke zwischen Schlagstock, Pfefferspray und Schusswaffengebrauch schließen solle. Der Griff zur Pistole könne so in vielen Fällen angeblich vermieden werden.

Ungefähr wortgleich äußerte sich laut dem Online-Portal der Mediengruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter Zeitung erst am vergangenen Donnerstag August Janker, der DPolG-Vorsitzende des Bezirks Niederbayern. Bei einer Informationsveranstaltung in der Justizvollzugsakademie in Straubing, auf der zwei Vertreter der Taser-Herstellerfirma Gelegenheit hatten, die Vorzüge des „Distanz-Elektro-Impuls-Geräts“ darzustellen.

Janker assistierte den Unternehmensvertretern: Was sich im täglichen Arbeitsalltag bei den deutschen Sondereinsatzkommandos (SEK) in den vergangenen Jahren bewährt hat, könnte auch bei den niederbayerischen Polizisten für mehr Sicherheit sorgen, erklärte er.

Widerstand auch in den Reihen der Polizei

Beim Taser handelt es sich um eine pistolenähnliche Elektroimpulswaffe, die zwei oder vier mit Widerhaken versehene Projektile abschießt. Über die mit den Projektilen verbundenen, rund sieben Meter langen Drähte werden elektrische Impulse auf den Körper der Zielperson übertragen. Die dadurch ausgelösten Muskelkrämpfe lassen den Getroffenen innerhalb von Sekunden kampfunfähig zusammenklappen.

In den USA werden Elektroschocker von der Polizei routinemäßig verwendet. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat in der Vergangenheit immer wieder die Verharmlosung dieser Waffe kritisiert, die zu einer Herabsetzung der Schwelle ihrer Anwendung führe. Dabei gibt es widersprüchliche Aussagen zur Wirkung des Tasers. Taser International selbst bezeichnet ihr Produkt als „nicht-tödliche Waffe“. Nach einer Amnesty-International-Studie von 2008 starben seit 2001 allein in den USA 331 Menschen während oder nach dem Einsatz der Waffe, wobei in etwa 40 Fällen Gerichtsmediziner den Einsatz der Waffe als Teil der Ursache oder Ursache des Todes auswiesen

Der Einsatz des Elektroschockers stößt auf Widerstand auch in den Reihen der Polizei. Laut Neues Deutschland erklärte der Chef der mit der DPolG konkurrierenden und größeren Gewerkschaft der Polizei, Uwe Petermann, er halte den Einsatz nur für Spezialeinheiten für sinnvoll, weil dafür mehr Personal und Training notwendig sei.

Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht kann sich zwar vorstellen, Spezialeinsatzkommandos mit Elektroimpulsgeräten auszustatten, hat gegen andere Einsatzbereiche jedoch Einwände. Dagegen spräche der deutlich erhöhte Schulungsaufwand. Zudem seien die Geräte rechtlich ähnlich zu behandeln wie eine Schusswaffe. OP

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12 Kommentare

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  • Besser als ne Kugel ist das allemal.

    • @Thomas_Ba_Wü:

      Aber nicht so gut wie ein umsichtig und besonnen agierendes Polizeipersonal.

      • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

        Da haben sie natürlich recht.

        Die Folgen jedoch sind nicht ganz so dramatisch wenn das Polizeipersonal eben mal nicht umsichtig und besonnen ist.

    • @Thomas_Ba_Wü:

      Hamse dazu vll noch eine weitere Steigerung ? Darunter ließe sich noch schöner relativieren.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Naja, wen wundert's?

    Man muss sich aber auch fragen, wer das Zeugs kauft.

    Köln liegt ja ganz woanders...

  • Wie wäre es stattdessen mal mit einem Deeskalationstraining? Die Robocopisierung der Staatsgewalt ist weit genug fortgeschritten.

  • Ist das nicht ein bisschen viel Spielzeug für den stramm rechten Sachsenstaat?

  • "Dabei gibt es widersprüchliche Aussagen zur Wirkung des Tasers. Taser International selbst bezeichnet ihr Produkt als „nicht-tödliche Waffe“. Nach einer Amnesty-International-Studie von 2008 starben seit 2001 allein in den USA 331 Menschen während oder nach dem Einsatz der Waffe, wobei in etwa 40 Fällen Gerichtsmediziner den Einsatz der Waffe als Teil der Ursache oder Ursache des Todes auswiesen"

     

    Die Alternative ist dann der Gebrauch der Schusswaffe. Wie bei dem Nackten mit Messer, der im Berliner Neptunbrunnen erschossen wurde. Das ist dann natürlich die sanftere Methode. Super Taz! Nicht denken, einfach gegen irgendwas sein. Genau wie BILD.

    • @commodore:

      Ich glaube wenn her einer nicht nachdenkt, sind sie das! In dem Amnesty-Bericht steht auch, das bei 90% der Todesfälle, die Personen unbewaffnet waren. Ferner wird vorgeworfen das Taser auch bei Kindern, schwangeren Frauen und verwirrten Menschen mit Altersdemenz

      eingesetzt wurden. http://www.sueddeutsche.de/politik/taser-umstrittene-waffen-toedliche-elektroschocker-1.378331

      Soviel zum Thema einfach gegen irgendwas sein. Lesen sie lieber weiter die Bild, passt schon.

    • @commodore:

      Im Neptunbrunnen lag der Eskalation ein völlig dilettantisches Verhalten der Polizei zugrunde, wie das bekannte Passantenvideo klar belegt. Statt die Eindimensionalität polizeilichen Handelns in Krisensituationen noch mit "nicht tödlichen Waffen" zu festigen, sollte Polizei an den Umgang mit Menschen gewöhnt werden.

    • @commodore:

      Sie machen es sich recht einfach.

      Die Hemmschwelle ein nicht tödliches Gerät überall einzusetzen ist recht gering. Deswegen muss der Einsatz diskutiert werden. Ihr Beispiel ist zwar gut, pauschalisiert aber da der nackte Messermann nicht alltag ist. Wenn die Pistole gegen den Taser "getauscht" wird wäre es was anderes und damit das äusserte Mittel.

       

      Einen neuen Standpunkt in der Diskussion vermittelt ein simpler Selbstversuch dieses harmlosen/effektiven/nicht tödlichen Geräts :)

      • @FriedrichH:

        "Einen neuen Standpunkt in der Diskussion vermittelt ein simpler Selbstversuch dieses harmlosen/effektiven/nicht tödlichen Geräts :)"

         

        In den USA muss jeder Polizist oder Soldat, der einen Taser trägt, sich während der Ausbildung einmal selber damit schocken lassen, um eine Einschätzung für die Wirkung zu bekommen. Da gibt unzählige Berichte und Videos auf YouTube zu.