Polizeigewalt gegen Tibeter in Indien: Protest endet in Hungerstreik
Nach gewaltsamen Festnahmen durch die indische Polizei sind rund 100 Exiltibeter in Hungerstreik getreten. Auch in Lhasa kam es zu Protesten von Mönchen.
DELHI taz Rund 100 Exiltibeter sind in den Hungerstreik getreten, nachdem die Polizei sie am Donnerstag bei einem Protestmarsch in Nordindien festgenommen hat. Mehrere hundert von ihnen waren am Montag, genau 49 Jahre nach der Flucht des Dalai Lama aus Tibet, im nordindischen Dharamsala, dem Wohnort des Dalai Lama, aufgebrochen, um bis zur chinesischen Grenze zu marschieren. Fünf Monate vor den Olympischen Sommerspielen in Peking wollten sie auf die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen im von China besetzten Tibet aufmerksam machen. Nach 56 Kilometern hatte ein großes Polizeiaufgebot ihren Weitermarsch jedoch verhindert.
Die Festgenommenen wurden in bereitstehenden Bussen abtransportiert und in einem Hotel festgesetzt, wo sie in den Hungerstreik traten. Sie sollen binnen 24 Stunden vor Gericht gestellt und angeklagt werden. Die indische Regierung hatte es den Demonstranten untersagt, den Bezirk Kangra zu verlassen. Dem Hungerstreik sollen sich laut Medienberichten auch neun Ausländer aus Deutschland, den USA, Schottland, Polen und Australien angeschlossen haben, die jedoch nicht festgenommen worden waren.
Unterdessen nahm die chinesische Polizei am Dienstag in der Nähe der tibetischen Hauptstadt Lhasa 71 Mönche fest, als mehrere hundert von ihnen gegen die Festnahme von Glaubensbrüdern am Tag zuvor protestierten. Offenbar hatten sie die Forderungen: "Wir wollen Freiheit" und "Wir wollen ein unabhängiges Tibet" skandiert. Mehr als 1.000 Sicherheitskräfte kamen dabei zum Einsatz.
Bereits zuvor hatte Peking Bergsteigern untersagt, von chinesischer Seite aus den Mount Everest zu besteigen. Der höchste Berg der Welt liegt an der Grenze zwischen China und Nepal. Die chinesische Regierung scheint in Sorge, es könne bei dem für Ende April geplanten olympischen Fackellauf auf den Everest zu protibetischen Äußerungen kommen.
Die indische Regierung ihrerseits fürchtet offenbar, die Beziehungen zum schwierigen Nachbarn China könnten unter den Protesten der Exiltibeter leiden. Denn erst seit wenigen Jahren nähern sich Neu-Delhi und Peking durch Verhandlungen, Verträge und Handelsabkommen an. Davor hatte jahrzehntelang Misstrauen vorgeherrscht. 1962 hat China Indien wegen strittiger Grenzfragen militärisch angegriffen und hält seitdem die Gebiete besetzt, die es in dem vierwöchigen Krieg erobert hat. Nach wie vor beansprucht Peking den indischen Bundesstaat Arunachal Pradesh im Nordosten des Landes. Dort kommt es trotz der Annäherung zwischen beiden Staaten in letzter Zeit immer häufiger zu Grenzverletzungen durch chinesische Soldaten.
SASCHA ZASTIRAL
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