Polizeigewalt gegen Flüchtlinge: Gezerrt, getreten, gestoßen

Ein Video, das Polizeigewalt gegen Flüchtlinge in Calais zeigt, ist aufgetaucht. Hilfsorganisationen sind schockiert, die Polizeigewerkschaft verteidigt die Beamten.

Ein französischer Polizist verfolgt Flüchtlinge, hier Ende April 2015. Bild: ap

CALAIS afp | In einem Video dokumentierte Polizeigewalt gegen Flüchtlinge in der Hafenstadt Calais hat in Frankreich Empörung ausgelöst. Die Generaldirektion der französischen Polizei leitete polizeiinterne Ermittlungen ein und erklärte am Dienstag, jede Verletzung der Dienstregeln werde bestraft. Der Umgang mit Flüchtlingen, die von Calais aus nach Großbritannien gelangen wollen, sorgt seit Jahren immer wieder für erregte Debatten.

Die Hilfsorganisation Calais Migrant Solidarity (CMS) filmte laut eigenen Angaben Anfang Mai im Hafenbereich Polizeieinsätze gegen Flüchtlinge und machte die Aufnahmen jetzt öffentlich. Zu sehen ist unter anderem, wie Beamte in Lastwagen versteckte Flüchtlinge herauszerren, sie treten, mit dem Knie auf den Boden drücken, sie über die Leitplanke stoßen oder Tränengas gegen sie einsetzen.

Die aus der Ferne gemachten Aufnahmen entstanden offenbar auf der Zufahrtsstraße zum Hafen von Calais. Flüchtlinge etwa aus afrikanischen Staaten versuchen in Lastwagen versteckt über den Ärmelkanal nach Großbritannien zu gelangen, wo sie sich mehr Chancen ausrechnen als in Frankreich.

„Die genauen Umstände dieser Handlungen werden schnell untersucht“, kündigte die Generaldirektion der Polizei mit Blick auf das Vorgehen der Beamten an. „Jeder erwiesene Verstoß gegen die Dienstregeln wird bestraft.“ Der Staatsanwalt von Boulogne-sur-Mer, Jean-Pierre Valensi, sagte der Nachrichtenagentur AFP, er habe unabhängig von den polizeiinternen Ermittlungen eine eigene Untersuchung der Vorfälle eingeleitet. Wenn sich der Verdacht einer unangemessenen Gewaltanwendung durch Polizisten bestätige, seien dies strafrechtlich relevante Verstöße.

Ein „Katz-und-Maus-Spiel“

Die Organisation SOS Racisme äußerte sich „schockiert“ über das Video. Sie forderte das Innenministerium auf, „die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, damit diese ungerechten Übergriffe aufhören“.

Die Polizeigewerkschaft Unsa-Police warnte hingegen vor einer Vorverurteilung. Gewerkschaftsvertreter Ludovic Hochart erklärte, in dem Video seien die Szenen aus dem Zusammenhang gerissen, so dass unklar sei, ob Angriffe der Migranten vorausgegangen seien. Wenn es sich allerdings um willkürliche Gewalt der Beamten handele, müssten diese bestraft werden.

Zugleich verwies Hochart auf die problematischen Einsatzbedingungen für die Polizisten in Calais. „Das ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Wenn wir die Migranten aus einem Lastwagen herausholen, dann steigen sie in den Lkw dahinter, und das jeden Tag.“

Nan Suel von der Hilfsorganisation Terre d'errance betonte aber, die zugegebenermaßen „unmögliche Situation“ der Polizisten sei keine Rechtfertigung für Gewalt. „Die ersten französischen Wörter, die die Flüchtlinge lernen, sind 'Hau ab'.“

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Die französische Polizei ist in Calais im Dauereinsatz gegen Flüchtlinge, die nach Großbritannien gelangen wollen. Nach Angaben der örtlichen Behörden waren in den vergangenen Tagen mehr als 300 Flüchtlinge und damit doppelt so viele wie bislang üblich auf den Zufahrtsstraßen zum Tunnel unter dem Ärmelkanal unterwegs. Streit gibt es immer wieder auch über die Unterbringung der Flüchtlinge, die unter prekären Bedingungen in improvisierten Lagern rund um Calais leben.

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