Polizeieinsatz in Garzweiler: Kritik an Kooperation mit RWE
Der Stromkonzern hat nicht nur die Polizisten massiv unterstützt. Er soll auch einen Vorschlag zur Deeskalation abgelehnt haben.
Berlin taz | Nach der Besetzung des Braunkohle-Tagebaus Garzweiler am vergangenen Samstag wächst die Kritik an der engen Zusammenarbeit der Polizei mit dem Betreiber RWE. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Hubertus Zdebel, der die Proteste vor Ort verfolgt hatte, sprach am Mittwoch von einer „neuen Qualität öffentlich-privater Partnerschaft zur brutalen Durchsetzung von Konzerninteressen“.
Von der rot-grünen Landesregierung Nordrhein-Westfalens forderte Zdebel Aufklärung, „auf welcher Grundlage dieser koordinierte und unverhältnismäßige Einsatz“ erfolgt sei.
Am Samstag waren knapp 1000 Menschen in einer angekündigten Aktion zivilen Ungehorsams in den Tagebau Garzweiler eingedrungen, um gegen die Verursachung von Klimagefahren und Landschaftszerstörung zu protestieren. Beim Versuch, die DemonstrantInnen festzunehmen, hatte sich die Polizei massiv von RWE unterstützen lassen (taz.de berichtete): Polizisten und festgenommene Demonstranten waren in RWE-Fahrzeugen transportiert worden, und Mitarbeiter von RWE halfen der Polizei laut Augenzeugen bei der Festnahme und beim Einkesseln von AktivistInnen. „Hier sind eindeutig Grenzen überschritten worden“, meinte auch Mona Bricke, Sprecherin des Aktionsbündinisses „Ende Gelände“, das zu der Blockade aufgerufen hatte.
Zudem wurde am Mittwoch bekannt, dass RWE sich offenbar früh auf eine harte Linie festgelegt und einen Vorschlag der Polizei zur Deeskalation abgelehnt hatte. Nach Recherchen des WDR hatte die Polizei im Vorfeld der Aktion angeregt, den Betrieb in dem Tagebau an dem Protest-Wochenende ruhen zu lassen. Damit wäre die Besetzung ins Leere gelaufen. Darauf ließ sich der Konzern nicht ein.
Ein Unternehmenssprecher bestätigte inzwischen, dass RWE nicht der Anregung der Polizei gefolgt sei, den Betrieb der Braunkohlebagger schon vor Beginn der Proteste einzustellen. Das hätte nicht geholfen, weil die Gefahr in dem Gelände für Betriebsfremde nicht allein von den Baggern ausgehe, sagte er.
Polizei will RWE Kosten erstatten
Die Polizei hat die enge Zusammenarbeit mit RWE zwar als „unüblich“ bezeichnet, in diesem speziellen Fall aber gerechtfertigt. Ohne die Fahrzeuge des Unternehmens wären einige Bereiche des Tagebaus nicht zu erreichen gewesen. Man werde dem Unternehmen alle Kosten erstatten, die für die Benutzung der Fahrzeuge entstanden seien, sagte eine Sprecherin.
Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) wollte die Vorwürfe am Mittwoch nicht kommentieren. „Der an dem Einsatz geäußerten Kritik wird derzeit vom Innenministerium sorgfältig nachgegangen“, teilte die Pressestelle mit. „Eine fundierte Bewertung können wir erst vornehmen, wenn alle Sachverhalte geprüft sind.“ Das Innenministerium werde in der kommenden Woche im Innenausschuss des Landtags ausführlich berichten.
Leser*innenkommentare
738 (Profil gelöscht)
Gast
Herr Zdebel erhebt tatsächlich den Vorwurf, man habe die Polizei unterstützt? Ist er Angehöriger der Mafia oder eines Rockerclubs? Gibt es einen Ehrenkodex bei den Linken, dass man nicht mit den "Bullen" kooperiert?
Michael Heidemann
@ Sommer Gregor:
Eine interessante Sicht auf die Dinge, die Sie da kundtun:
Wer sich anmaßt die Staatsgewalt und einen völlig unverhältnismäßigen und brutalen Polizeieinsatz zu kritisieren, der muss automatisch der organisierten Kriminalität (Mafia, Rocker) angehören, da Kritik an der Obrigkeit schon mal per se verdächtig ist. Dass die Kritik von Herrn Zdebel inhaltlich begründet sein könnte, da er selbst vor Ort war und miterlebt hat, wie Polizei und private Sicherheitskräfte rücksichtslos gegen Demonstrierende vorgegangen sind, um ein Exempel zu statuieren - das kommt Ihnen anscheinend gar nicht in den Sinn. Die simple Tatsache, dass jemand es wagt die Staatsgewalt zu kritisieren, reicht Ihnen schon zur Diffamierung. Eine solche reflexartige Abneigung gegen "Abweichler" zeugt von einem sehr zweifelhaften Demokratieverständnis.
Vielleicht erscheint Ihnen der Vorrang von Konzerninteressen und des bedingungslosen Schutzes von Privateigentum ja als das Normalste auf der Welt. Zugegebenermaßen ist das auch eine weit verbreitete Sichtweise. Umso beeindruckender finde ich das Engagement der Demonstrierenden, die sich gegen die rücksichtslose Durchsetzung von Privatinteressen gegen das Allgemeinwohl und zu Lasten der Umwelt zur Wehr setzen und nicht jeden behaupteten Sachzwang auf dieser Welt unhinterfragt akzeptieren.
Ich glaube nicht, dass Herr Zdebel ganz abstrakt einfach nur so etwas gegen "Bullen" hat, so wie Sie schreiben, sondern dass er sehr konkret kritisiert, welche Interessen von staatlicher Seite aus unterstützt und geschützt werden: das sind allzu häufig private Konzerninteressen und nicht, wie ständig behauptet, das Wohl der Allgemeinheit. Wenn ich Herrn Zdebels Formulierung einer "öffentlich-privaten Partnerschaft" richtig verstehe, dann wendet er sich genau gegen diese Verqickung und das finde ich mehr als legitim.
738 (Profil gelöscht)
Gast
Auch Ihre Sicht ist sehr interessant, offenbar gehen Sie davon aus, dass die Polizei in der Tradition der Pinkerton Detektei von den Konzernbetreibern angeheuert wurde um friedliche Demonstranten vom Platz zu prügeln. Die "erhebliche Gewaltanwendung" wird einfach behauptet, sogar schwere Kopfverletzungen wurden offenbar erkannt. Damit soll natürlich der Eindruck erweckt werden, dass der Staat gewaltsam Konzerninteressen durchsetzt. Das Demokratieverständnis, dass wenn der Rechtsweg ausgeschöpft ist oder erst gar nicht beschritten wird einfach Privateigentum okkupiert werden kann teile ich allerdings wirklich nicht.
Mit der gleichen Argumentation könnte eine kleine Gruppe von "Abweichlern" auch Straßen, Bahnstrecken und Flugplätze blockieren. Offenbar interpretieren Sie das Allgemeinwohl sehr einseitig - wer sich im Recht fühlt darf alles, nur wer Recht hat muss sich alles gefallen lassen?
Ulrich Frank
Zu vermerken ist hier auch daß ein deutlicher Protest von Seiten der Grünen, der angeblichen Umweltpartei, offenbar nicht wahrzunehmen ist.
Selbstdenker
Die Finanz- und Großwirtschaft (entspricht ca. 10% der gesamten Wirtschaft) hat den Staat fest im Griff und agiert immer offener, ohne Skrupel, mit rotzfrecher, asozialer Arroganz.
Ihre Macht resultiert aus ergaunerten Steuergeldern aus dem In- und Ausland, auf Kosten der Gesellschaften, vor allem im Ausland, wie z.B. Griechenland.
Von selbst, oder mit Hilfe "unserer" Staatsmächte wird sich diese Mafia nicht zerschlagen lassen.
Bei dieser hohen, kriminellen Energie dieser Mafia werden sich die Zustände noch verschärfen.
Können und dürfen wir das zulassen?
ottigel
@Selbstdenker Ich danke Dir für Deine Worte.