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Polizeieinsätze im Görlitzer ParkSpranger rechnet besser als ihr Chef

Kai Wegner will den Görli einzäunen – und begründet das mit falschen Zahlen. Die Innensenatorin hat den Regierenden nun widerwillig korrigiert.

Alles für einen Zaun: Der Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auf Görli-Safari am 23. Januar Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin taz | Kai Wegner hat die Absicht, einen Zaun zu errichten – um den Görlitzer Park. Das hat der Regierende Bürgermeister (CDU) in der vergangenen Woche bei einem skurrilen Mini-Spaziergang durch den Park bekräftigt und Kritik an dem Plan mit falschen Zahlen abgeschmettert, wie nun ausgerechnet Innensenatorin Iris Spranger (SPD) einräumen musste.

Wegner hatte versichert, den Park nachts abzuschließen werde sich nicht negativ auf die umliegenden Kieze auswirken, denn: „Die Polizei verzeichnet 72.000 Einsatzstunden im Jahr im Park. Wenn ich diese Stunden nachts aus dem Park rausnehme und damit die Wohngebiete schütze, verhindern wir die Verdrängung in die umliegenden Wohngebiete.“

72.000 Arbeitsstunden pro Jahr im Park, die in Zukunft teils in die angrenzenden Kieze verlegt werden könnten? Klingt übertrieben. Und ist es auch. Tatsächlich entfielen in den vergangenen Jahren jeweils zwischen 6.000 und 12.000 Arbeitsstunden von Po­li­zis­t*in­nen auf den eigentlichen Park, wie aus einer Antwort der Innensenatsverwaltung auf eine Grünen-Anfrage vom vergangenen Herbst hervorgeht.

Diese Zahlen bestätigte Spranger am Montag im Innenausschuss und wies darauf hin, die von Wegner genannten 72.000 Stunden bezögen sich auf den gesamten „kriminalitätsbelasteten Ort Görlitzer Park und Wrangelkiez“. Der aber umfasst nicht nur den Park, sondern auch angrenzende Gebiete. Hier darf die Polizei jederzeit sogenannte verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen.

Wegners Argument macht keinen Sinn

Spranger versuchte noch, alles als ein Missverständnis darzustellen: Der Regierende habe eben den „kriminalitätsbelasteten Ort“ gemeint und nicht den Park allein. Sie wagte es auch nach mehrfacher Nachfrage nicht, das Offensichtliche auszusprechen: dass das Argument ihres Chefs Kai Wegner keinen Sinn ergibt.

Schließlich entfällt der Großteil der Einsatzstunden bereits auf die Umgebung des Parks, die Wegner durch die nächtliche Schließung „entlasten“ will. Das Einsparpotenzial bei den Arbeitsstunden ist also um ein Vielfaches geringer, als Wegner behauptet hat.

So oder so stößt die Vorstellung von noch stärkerer Polizeipräsenz in den betroffenen Kiezen auf wenig Begeisterung. Das Bündnis „Görli zaunfrei!“ etwa kritisiert eine „populistische law-and-order-Politik“ des Senats auf dem Rücken der Anwohner*innen. Anstatt Millionen für den Zaun zu verpulvern, brauche es nachhaltige Antworten auf die Drogenkrise.

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4 Kommentare

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  • Selten genug, dass mal die lieben Politiker mal so direkt beim dreisten Schwindeln erwischet.

    • @Bolzkopf:

      Wirklich geschwindelt ist das nicht.

      Ohne den Görlitzer Park wäre der Wrangelkiez wahrscheinlich Berliner Durchschnitt.

      Vor dem Bau des Görlitzer Parks war der Wrangelkiez noch harmlos.

      Bei jedem Problem würde man sich immer auch das Umfeld ansehen, nicht nur das Zentrum.

      Wer das nicht tut, müsste sich ebenfalls Vorwürfe gefallen lassen.

      • @rero:

        Äh... Woher haben Sie Ihr Wissen? Je nachdem, wieweit Sie zurück gehen wollen, war vor dem Görlitzer Park an dieser Stelle ein Bahnhof, und drumherum ein Bahnhofsviertel...

        Dann war Krieg, dann war da eine Ruine, später eine Brachfläche in einem Stadtteil, der an drei Seiten von der Berliner Mauer begrenzt war und in dem der "Berliner Durchschnitt" nicht wohnen wollte, in Teilen war der Boden der Brachfläche Ölverseucht. Dann sollte eine Zeitlang durch die Brachfläche und die umliegenden Wohngebiete ein Stück Autobahn gebaut werden, ein harmloser Abriss also, und dann, endlich, wurde dort ein Park gestaltet.

        Ähnliche Probleme (Müll, Drogendealerei - Drogenabhängige - Obdachlosigkeit), wie in den letzten Jahren im Görlitzer Park gibt es auch in anderen Grünflächen der Großstadt Berlin, nur ist der Görlitzer Park sehr klein, und die umliegende Gegend sehr dicht besiedelt. Und dann kommen im Görli noch die Party-Touristen dazu.



        Drogenabhängige und Obdachlosigkeit nehmen aber auch unabhängig von Grünflächen in Berlin zu. Zumindest soweit ich das im Straßenbild wahrnehme.

        Also ja, schauen Sie sich doch bitte das Umfeld und die Zusammenhänge an.

        • @J. H.:

          Ich würde einfach nach 1945 anfangen.

          Sie finden nirgendwo, dass der Wrangelkiez extrem kriminalitätsbelastet war.

          Auch nach eigenem Erleben nicht.

          Trotz der Entwicklung, die Sie völlig richtig aufzählen.

          Gerade weil wir das Umfeld betrachten, reden wir doch über den Wrangelkiez.

          Dieses Umfeld hat Wegner ja gerade mit drin, in dem er den Wrangelkiez miteinrechnet.

          Deshalb ist das nicht sauber von ihm dargestellt, aber auch nicht wirklich geschwindelt.