Polizeiaktion in Benelux und Deutschland: Festnahmen bei Anti-Terror-Razzia
Zehn Männer sind in Deutschland, Belgien und den Niederlanden festgenommen worden. Ihre angebliche Absicht: Ein Anschlag in Belgien. Schwarz-Gelb streitet derweil über Anti-Terror-Maßnahmen.
BRÜSSEL/BERLIN dapd/dpa | Bei Anti-Terror-Razzien in Deutschland, Belgien und den Niederlanden sind nach Angaben der belgischen Staatsanwaltschaft am Dienstag zehn Verdächtige festgenommen worden. Ihnen werde vorgeworfen, einen möglichen Anschlag in Belgien geplant zu haben, hieß es in Brüssel. Außerdem sollen Verdächtige als mutmaßliche Anwerber für eine angebliche tschetschenische Terrororganisation aktiv sein.
Bei den Einsätzen am Morgen wurden den Angaben zufolge zehn Wohnungen durchsucht. Bei den Festgenommenen handelt es sich demnach um Belgier, Niederländer und Marokkaner oder Russen.
Vom Bundeskriminalamt gab es zunächst keine Auskunft zu dem Fall. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere hatte in den vergangenen Tagen verstärkt vor Terroranschlägen in Deutschland gewarnt.
Koalitionsdisput um Terror-Abwehr-Maßnahmen
Unterdessen hat die FDP Forderungen aus der Union kritisiert, zur Abwehr von Terror die Bundeswehr auch im Landesinneren einzusetzen. "Die aktuelle Bedrohungslage wird zum Anlass genommen, zum Teil altbekannte Forderungen aus der sicherheitspolitischen Diskussion zu exhumieren", sagte FDP-Generalsekretär Christian Lindner am Dienstag in Berlin. "Für uns ist klar, innere und äußere Sicherheit bleiben getrennt. Für die innere Sicherheit wird die Polizei eingesetzt, für die äußere Sicherheit haben wir die Bundeswehr."
Lindner bezog sich auf einen Vorschlag des niedersächsischen Innenministers Uwe Schünemann (CDU) und stellte einen Zusammenhang mit dem Personalabbau bei den Länderpolizeien her. Dort seien in den vergangenen Jahren 9.000 Stellen gestrichen worden, ein weiterer Stellenabbau im gleichen Umfang sei geplant, während nun nach der Bundeswehr gerufen werde. "Richtig wäre es, die Länderpolizei handlungsfähig zu halten", sagte Lindner. "Der Bund kann nicht haushaltspolitische Erwägungen der Länder ausgleichen."
Auch der neue Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, hat Forderungen nach Anti-Terror-Einsätzen der Bundeswehr im Inland eine strikte Absage erteilt. "Die Bundeswehr hat im Inneren nichts verloren", sagte Witthaut am Dienstag am Rande eines GdP-Bundeskongresses. Er bezog damit ausdrücklich Stellung gegen entsprechende Wünsche des Bundes der Kriminalbeamten (BDK). "Wir brauchen keine Feldjäger vor dem Reichstag oder in anderen Bereichen. Das ist Aufgabe der Polizei." Witthaut betonte, "Panikmache und Hysterie" seien jetzt nicht hilfreich.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner bekräftigte zudem die Ablehnung der Vorratsdatenspeicherung, obwohl die Union zunehmend dringlich deren Wiedereinführung fordert. Eine Speicherung ohne Anlass komme mit den Liberalen nicht in Frage, für eine anlassbezogene Datenkonservierung erarbeite das Bundesjustizministerium einen Vorschlag.
FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wird wiederum aus den Reihen der Union vorgehalten, Anti-Terror-Ermittlungen zu behindern. Bei Ermittlungen gegen vier Terrorverdächtige seien von Landesbehörden zwei Personen mit der sogenannten Quellen-Telekommunikationsüberwachung ("Quellen-TKÜ") abgehört worden, sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich am Dienstag in Berlin. Nachdem das Verfahren wegen seiner Bedeutung an die Bundesanwaltschaft gegangen sei, habe das Justizministerium mit Hinweis auf eine fehlende Rechtsgrundlage das Abhören der beiden weiteren Verdächtigen untersagt.
"Das ist natürlich in einer akuten Bedrohungssituation kein Spaß", kritisierte Friedrich, der keine Details nannte. Er forderte Leutheusser-Schnarrenberger auf, dringend ihre Entscheidung zu überdenken. Bei der Quellen-Telekommunikationsüberwachung gehe es um eine Hand voll akuter Fälle bei der Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität. Bei der Maßnahme, die von einem Richter angeordnet werden muss und nach Angaben von Friedrich von allen Landessicherheitsbehörden angewendet wird, geht es um das Abhören von Telefongesprächen oder Internetkommunikation bereits vor einer Verschlüsselung. Dazu muss beispielsweise Software auf den betroffenen Computer eingeschleust werden.
Beim Streit um die Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung sei die Union mit der FDP "in einem Annäherungsprozess", sagte Friedrich. Es müssten die vom Bundesverfassungsgericht monierten Punkte bereinigt werden, etwa bei der anlasslosen Speicherung. Die Gespräche seien hier auf einem guten Weg.
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